Es gibt aber auch regional bei uns in Bremen einen nahe liegenden Grund zum eigenständigen Nachdenken. Sicherheit in Deutschland ist nämlich in erster Linie Ländersache. Es ist deshalb auch hier bei uns in Bremen wichtig, wie in unserem Antrag zum Ausdruck gebracht, sich mit zum Teil neuen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Selbstmordattentäter, die wahrscheinlich mindestens zum Teil unter uns in Europa aufgewachsen sind, schlugen an verschiedenen Orten nahezu zeitgleich zu.
Die Terroristen setzen mit Handfeuerwaffen und Sprengstoff verhältnismäßig einfache Mittel ein, kommunizieren offenkundig auf neuartigen Wegen im Internet, nutzen das Internet gleichzeitig als Propagandawerkzeug im weltweiten Maßstab, rekrutieren und fanatisieren junge Menschen für ihren Terrorismus hier und für ihren Krieg im Nahen Osten, bewegen sich offenkundig nahezu frei, nur punktuell erkannt und viel zu unbehelligt über unsere löchrigen Außengrenzen im EU-Raum, verfügen offenbar über finanzielle Mittel, die ihnen jederzeit Taten ermöglichen.
Wir wollen vor diesem Hintergrund keine Beschneidung unserer Freiheit. Wir wollen aber einen Staat, der im Bedarfsfall auch im Bereich Sicherheit nachjustiert und das Erforderliche kann und tut. Wir wollen nicht warten, bis auch hier direkt bei uns etwas passiert. Die Sicherheit der Bürger zu garantieren, ist die vornehmste Aufgabe und Pflicht des Staates, und die darf im Zweifel nicht an der Kassenlage orientiert sein, meine Damen und Herren.
Da wissen wir sehr wohl, wo wir ansetzen können. Terroristen müssen kommunizieren, sie müssen sich bewegen, sie müssen Dinge beschaffen, und sie brauchen Geld oder müssen es transferieren. Es ist richtig, wenn der Innensenator die Polizei robuster als bisher ausstatten will, obwohl es übrigens noch falsch war, als wir es schon einmal gefordert haben. Dazu braucht er auch eine auskömmliche, gegebenenfalls durchhaltefähige Personalausstattung. Reaktive Mittel allein reichen nicht aus. Viel wichtiger ist es, Anschläge auch mit veränderten Strukturen vor der Ausführung zu erkennen und zu verhindern. Hierzu sind nachrichtendienstliche Mittel ebenso notwendig. Gerade hier gibt es Nachholbedarf. In Deutschland, insbesondere in Bremen, werden Sicherheitsorgane, insbesondere aber Nachrichtendienste, vorwiegend mit Misstrauen gesehen. Auch hier im Hause wünschte ich mir häufiger Debatten, die unseren Sicherheitsbehörden auch abseits aktueller Ereignisse den Rücken stärken, meine Damen und Herren!
Ich wünsche mir aber auch eine Überprüfung der Struktur. Ich habe meine Zweifel, dass 17 Verfassungsschutzämter der Länder und des Bundes noch die richtige Antwort auf Herausforderungen des internationalen Terrorismus sind.
Wir brauchen dringend eine Harmonisierung der Rechtsgrundlagen, national, international, europäisch, im europäischen Rahmen. Einfache, transparente und möglichst kompatibel gestaltete Strukturen und Vorschrif
ten erleichtern die Zusammenarbeit und die schnelle Verfügbarkeit von Informationen. Das ist das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren!
Repressive Mittel aber sind nicht alles. Sie sind am Ende nur eine Reaktion. Prävention ist mindestens ebenso wichtig, steht aber häufig nicht so im Fokus des öffentlichen Interesses, und das ganz zu Unrecht. Ich habe mit Sorge gelesen, dass Lehrerinnen und Lehrer tendenziell von einer Verstärkung islamistischer Aktivitäten und entsprechendem Gedankengut an unseren Schulen berichten.
Mich treibt um, dass Islamisten offenkundig auch in Bremen auf Flüchtlinge zugehen und sie für ihre fehlgeleitete Sache zu gewinnen trachten. Mich treibt um, dass es auch in Bremen Tendenzen einer zunehmenden Segregation gibt und Menschen mit Zuwanderungshintergrund offensichtlich häufig eher unter sich bleiben oder unter sich belassen werden. Ich finde es schließlich völlig unerträglich, dass junge Menschen aus Bremen in den sogenannten Dschihad ziehen oder aus diesem völlig fanatisiert und potenziell gewalttätig zu uns zurückkehren.
Hier liegen gesellschaftliche Herausforderungen, die noch nicht mit der notwendigen Konsequenz angegangen werden. Ich denke, unser Antrag weist deshalb sehr zu Recht darauf hin, gerade in diesen Feldern systematisch zu prüfen, wie wir hier konsequenter und zukünftig erfolgreicher werden können, meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir brauchen eine gesellschaftliche und eine politische Debatte über Ursachen und Auswirkungen des islamistischen Terrorismus, die von Realismus geprägt ist, die nicht relativiert, aber auch nicht dramatisiert. Wir brauchen ein Bekenntnis in Gesellschaft, Politik und in allen Religionsgemeinschaften zu unserer Lebensart, zur Freiheit, zu unseren Werten und zum Mut, diesen behaupten zu wollen.
Freiheit hat sich immer stärker erwiesen als Unfreiheit. Wir Christdemokraten unterstreichen, dass es diese Freiheit ohne Sicherheit nicht gibt, auch umgekehrt nicht. Schon deshalb wird es übrigens nie eine hundertprozentige Sicherheit geben können. Wer aber seine Freiheit nicht verteidigt, gibt sie preis und wird sie schrittweise an die Terroristen verlieren.
Insgesamt ist es heute die Stunde, die Gemeinsamkeiten auch hier in diesem Hause herauszustellen, derer es bedarf, wenn wir im Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich sein wollen. Wir werden nicht zulassen, dass der Terror uns oder unser Leben verändert. Unser Antrag will deshalb ein nachhaltiges, über diesen Tag hinausreichendes Nachdenken an
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft hat am 21. Januar 2015 nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt einen ähnlichen bedrückenden Anlass zur Debatte gehabt. Wir haben damals in einem interfraktionellen Antrag einstimmig Folgendes klargemacht:
„Terrorismus ist immer und überall Barbarei und das Gegenteil von dem, was unser Verständnis von der Würde und der Freiheit des Menschen ausmacht.
Die Bürgerschaft machte sich die Aussage von Jens Stoltenberg anlässlich der Attentate von Utøya zu eigen.
„Wir werden uns weder durch die Attentäter noch durch diejenigen, welche zynisch Vorteile aus dem gewaltsamen Tod ziehen wollen, spalten lassen. Der Islam gehört zu Bremen.“
„Nur eine offene Gesellschaft ist eine menschliche Gesellschaft, ihre Risiken nehmen wir in Kauf. Ihre Grundsätze und Werte werden wir gegen jeden, der sie mit Worten oder Taten angreift, umso entschlossener verteidigen.“ – So unser damaliger einstimmiger Beschluss!
Kollege Dr. vom Bruch, Sie haben ja völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass man seine Gefühle auch politisch operationalisieren und daraus Schlüsse ziehen muss. Ich teile vieles von dem, was Sie gesagt haben. Die Frage rückt immer weiter in den Fokus, wie wir unsere Grundsätze und Werte verteidigen wollen, was wir zu tun haben.
Ich teile vieles von dem, was Sie gesagt haben, aber jeder, der die Antragslage verfolgt, hat gesehen, dass es eben nicht zu einem gemeinsamen Antrag gekommen ist. Ich möchte kurz begründen, warum das so ist. Die CDU formuliert in ihrem Antrag:
„Militärische Aktionen gegen die mutmaßlichen Drahtzieher des sogenannten Islamischen Staates..., wie sie auch jüngst und gegenwärtig unter anderem von Frankreich selber ausgehen, sind keine Vergeltung, sondern legitime Selbstverteidigung und Teil notwendiger Prävention vor weiteren Anschlägen.“
Ich bin in der Zeit des Kalten Krieges aufgewachsen. Damals war klar, dass jede Form von militärischer Intervention oder Antwort das erhebliche Risiko einer weitergehenden atomaren Eskalation in sich birgt. Das Gleichgewicht des Schreckens in dieser bipolaren Welt hat die Erwartungen an die militärische Lösbarkeit von Konflikten begrenzt.
Mit der Auflösung dieser Blöcke verschwand diese Sicherheit. Der zunehmend multipolaren Welt erschienen militärische Konflikte wieder Lösungen zu bieten, gewinnbar zu sein. Zum Teil, das gestehe ich auch zu, waren sie aus Eigenschutzgründen oder vor allem zum Schutz vor Schwachen geboten. Diese Form der militärischen Intervention stand für mich im Übrigen immer außerhalb jeder Diskussion. Wenn Sie aber als CDU-Fraktion sagen, militärische Aktionen sind ein notwendiger Teil zur Prävention vor weiteren terroristischen Anschlägen, dann verlässt mich als Sozialdemokrat – und ich weiß, viele in meiner Partei, und ich glaube, viele in diesem Parlament – die Sicherheit, Ihnen an der Stelle zu folgen.
Wir befinden uns im vierzehnten Jahr des War on Terror. Der War on Terror hat eine Vielzahl von Failing States hinterlassen, ohne die die terroristischen Gruppierungen wie der IS kein Rückzugsgebiet hätten, keine Ausbildungsbasen errichten könnten, keine Regionen hätten, in denen sie rekrutieren und planen können.
Das Einflussgebiet des IS wird seit über einem Jahr durch eine internationale Koalition bombardiert. Viele Analysten gehen davon aus, dass die Anschläge von Paris und auch die Anschläge von Bamako eher Ausdruck militärischer Schwäche als Zeichen von Siegesbewusstsein sind. Meines Erachtens – und ich weiß, dass mich das mit vielen in diesem Hause verbindet – deutet vieles daraufhin, dass die bisherigen militärischen Aktionen ein Teil des Problems, aber nicht Teil der Lösung sind.
Ich gestehe Ihnen und der CDU aber auch sofort zu, dass die Bomben Frankreichs auf Syrien und den Irak eine verständliche Reaktion sind. Mir liegt es auch
nicht fern – und emotional gelegentliche nahe –, auf die zynische Menschenverachtung des IS mit Gewalt zu reagieren. Ich bezweifle aber, wenn man den Kopf einschaltet, dass dies wirklich der Prävention gegen den Terrorismus dient. Vor diesem Hintergrund müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen.
Sie haben andere Maßnahmen beschrieben. Ich finde sie richtig und wichtig. Es ist endlich eine europaweite Vernetzung der Sicherheitsbehörden vorzunehmen. Wenn man auf der einen Seite einen Schengen-Raum hat, in dem sich Menschen zwischen den Staaten frei bewegen können, weil wir offene Grenzen haben, dann muss dieser Schengen-Raum einheitlich nachrichtendienstlich und polizeilich überwacht werden können. Es muss ein Informationsaustausch erfolgen können.
Ich bin auch der Meinung, dass die europäischen Behörden endlich dazu kommen müssen, die Informationen nicht nur auszutauschen, sondern sie auch gemeinsam zu bewerten. Die Vorgänge in Hannover sind ein gutes Beispiel dafür: Ein befreundeter Nachrichtendienst schickt eine Meldung, und die nationale Sicherheitsbehörde beziehungsweise diejenigen, die eine Entscheidung zu treffen haben, können gar nicht den Wahrheitsgehalt der Mitteilung bewerten. Ich glaube, die Antwort auf internationalen Terrorismus kann nur eine einheitliche Sicherheitsstruktur innerhalb des Schengen-Raumes sein.
Ich bin mir auch sicher, dass wir unsere nationale Sicherheitsstruktur mit allen Verästelungen noch einmal durchleuchten, überprüfen und nach Optimierungsmöglichkeiten suchen müssen. Lassen Sie mich meine persönliche Meinung – ich weiß, dass es bundesweit keine Mehrheitsmeinung in der SPD ist – deutlich sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dazu kommen müssen, die operativen Befugnisse der Bundespolizei und des BKA zur Terrorabwehr deutlich auszuweiten, und zwar – und das sage ich auch ganz ehrlich – meines Erachtens zulasten der föderal organisierten Polizei.
Sie haben auch völlig recht, Bremen muss seine Schwachstellen in der Terrorabwehr, die in den Ereignissen, die um den 28. Februar 2015 herum aufgetreten sind, deutlich geworden sind, analysieren, abstellen und erneut bewerten. Es besteht hier zwischen uns kein Dissens.