Protokoll der Sitzung vom 08.05.2019

Herr Kollege, ich fasse wirklich ganz schnell zusammen. Ich glaube, wir machen an vielen Stellen die eine oder andere Ausnahme, gestatten Sie mir, mich in meiner letzten Debatte mit diesem Thema, das ein wirklich ernstes Thema ist, auch entsprechend einzulassen.

Das Thema Kinderwunschbehandlung ist nicht nur ein wachsender Geschäftszweig, wie der Geschäftsführer einer in Berlin ansässigen Kinderwunschpraxis das beschreibt. Recht offensive Werbung ist dann bei diesem Thema alltäglich und erlaubt. Wir haben es übrigens in einer anderen politischen Debatte gerade andersherum gesehen, dass wir Werbung für Abbrüche nicht machen dürfen oder nur unter bestimmten Bedingungen.

Ein unerfüllter Kinderwunsch ist für viele Paare außerordentlich belastend, und das in vielerlei Hinsicht. Eine Erfüllung dieses Kinderwunsches ist für die Eltern gewissermaßen wie ein Sonnenaufgang. Darüber müssen wir reden. Das Thema ist aber viel zu wichtig und es ist nicht weniger wert, als sich damit umfassend und ausführlich politisch auseinanderzusetzen, um zu tragbaren und vernünftigen Lösungen zu kommen.

(Glocke)

Deswegen, Frau Steiner, mein Vorschlag, dies wirklich in einer ausführlichen Debatte zu tun und nicht oberflächlich und in einem Tunnel, in dem man nicht genau die Helligkeit hinten sieht.

(Abgeordnete Steiner [FDP]: Wenn jeder zehn Mi- nuten Zeit hat, können wir gern reden! – Unruhe – Glocke)

Es fehlen Aussagen dazu, ob es nur um das erste Kind oder noch um weitere Kinder geht. Gibt es nur für Privatversicherte Beihilfe und so weiter? Spielen Nikotin, Drogen während der Behandlung eine Rolle? Für all das sollte sich dieses Parlament Zeit nehmen, auch im Rahmen einer Bürgerbeteiligung.

Ich finde es schön, dass Sie mich hier so aus dem Parlament verabschieden. Ich habe ganz viele Erfahrungen in diesem Parlament machen dürfen an ganz unterschiedlicher Stelle, Herausforderungen, die mich immer in diesem Parlament begleitet haben.

(Abgeordneter Schäfer [LKR]: Und tschüss!)

Ich finde, es waren gute Jahre und es waren zugleich schwierige Herausforderungen. Ich bin für alle Erfahrungen dankbar, die ich hier gemacht habe, und ich werde ganz sicherlich meine Herzensanliegen Sport und Menschen mit Behinderungen auch weiter in meinem Leben begleiten. Insofern sind diese Themen nicht weg.

Ich will zum Schluss ganz herzlich all denjenigen Dank sagen, die mich begleitet haben. Eines werde ich sicherlich vermissen: „Die Abgeordneten werden gebeten, im Plenarsaal Platz zu nehmen.“ Das werde ich also nicht mehr hören, diese Aufforderung. Ihnen allen herzlichen Dank, ganz besonderen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses und Ihnen allen, die Sie in der zwanzigsten Legislaturperiode wieder dabei sind, alles Gute und viel Gesundheit. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Bensch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich in die Debatte einsteige, gestatten Sie mir ganz kurz: LKR, da kann man jetzt auf die Suche gehen, was das heißt, ob das wirklich liberal und konservativ heißt, aber das bleibt dahingestellt. Sehr geehrte Frau Kollegin Rosenkötter, mit

Verlaub, wenn eine Fraktion meint, es ist ein Dringlichkeitsantrag angesagt, oder wenn eine Fraktion meint, es ist eine Aktuelle Stunde angesagt, werde ich persönlich nie das Selbstverständnis einer Fraktion denunzieren, indem ich das herabwürdige. Ich bin der Meinung, eine Fraktion hat das gute Recht, einen Dringlichkeitsantrag als einen solchen zu bezeichnen, wenn sie dieser Überzeugung ist.

(Beifall CDU, FDP)

Zum Inhaltlichen: Frau Lencke Steiner als Vorsitzende der Fraktion der FDP hat am Anfang darauf hingewiesen, dass die Debatte darauf zurückgeht, dass die Bundesregierung, Schwarz-Gelb damals, im Jahr 2010 oder 2012 die Türen geöffnet hat hin zu einer Reproduktionsmedizin. Es ist Aufgabe der Krankenkassen, daraus etwas zu machen. Darauf sind Sie sehr detailliert eingegangen, Frau Rosenkötter, vielen Dank. Aber hier und auch aufgrund des Antrags stellt sich eine grundsätzliche politische Frage, drückt sich eine Haltung aus: Sagt man ja zum Leben – und das tun wir als Christdemokraten –, dann sagen wir auch ja zu diesem Antrag der FDP, ganz einfach.

(Beifall CDU, FDP)

Wir geben im Parlament als Haushaltsgesetzgeber und sogar in den einzelnen Ressorts – manchmal ist auch das Stichwort Senatorenbudget im Munde – Geld aus, weil wir etwas ganz Bestimmtes politisch wollen. Ich habe mir überlegt, ob es denn wirklich so dringlich ist. Ich hätte sagen können, warten wir einen Augenblick ab. Liebe Frau Rosenkötter, was sagen wir dann nachher bei dem Antrag der Fraktion der SPD zum Thema Landesgesundheitsbericht? Auf diesen Bericht haben wir fast zehn Jahre gewartet. Das ist so, seit zehn Jahren gab es keinen. Und was macht die Fraktion der SPD heute Morgen, sozusagen zehn Tage nach der Veröffentlichung? Einen Dringlichkeitsantrag. Den spreche ich Ihnen auch nicht ab, aber wenn man in einem Glashaus sitzt, dann sollte man wirklich nicht mit Steinen werfen, liebe Frau Rosenkötter und liebe Fraktion der SPD.

(Beifall CDU, FDP)

Sie reden bei den linken Parteien, also DIE LINKE, SPD, immer sehr viel von sozialer Gerechtigkeit, von sozialer Ungleichheit. Das finden Sie hier auch wieder. Wenn Sie gegen diese Art der anderen sozialen Ungerechtigkeit gegenüber kinderlosen Paaren wirklich etwas tun wollen, dann stimmen

Sie diesem Antrag zu. Wir tun es voll und ganz, aus vollem Herzen, weil wir ja zum Leben sagen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU, FDP)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Bernhard das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich würde mich gern zum Inhalt des Antrags äußern. Es ist so, dass ich die grundsätzliche Intention sehr gut nachvollziehen kann. Ich finde auch die unterschiedliche Behandlung von Verheirateten und Unverheirateten an dem Punkt falsch.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Beim Adoptionsrecht auch, das ist mittelalter- lich!)

Bei Adoption auch, vollkommen richtig, das ist auch eine Stelle, an der das Adoptionsrecht immer noch alles schlägt, was ich extrem überarbeitungsbedürftig finde. Das müsste dringend geändert werden. Da fallen mir noch ein paar andere Dinge ein, aber da hinkt es besonders.

Die Situation ist derzeit folgende: Bis zum Jahr 2004 wurden Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung zu 100 Prozent als Regelleistung von der GKV übernommen. Die damals rot-grüne Bundesregierung hat das geändert, seitdem werden nur noch 50 Prozent von der Krankenkasse bezahlt. Frau Rosenkötter hatte noch einmal erzählt, in welchen Anteilen das bei den jeweiligen Kassen verankert ist, aber im Großen und Ganzen kann man sagen: Die ersten drei Versuche nur bei Ehepaaren und nur bei Frauen zwischen 25 und 40 Jahren. Das sind 6 000 Euro Eigenanteil für die ersten drei Versuche und das kann bis zu 10 000 Euro kosten, wenn ein vierter Versuch hinzukommt.

Private Kassen übernehmen das in der Regel vollumfänglich. Ja, ich weiß, es kommt auf den Fall an, aber da gibt es zumindest immer noch eine 100Prozent-Variante, wenn man das entsprechend geregelt hat.

Durch die schwarz-gelbe Bundesregierung gab es eine Richtlinie des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2012, durch die die finanzielle Förderung wieder erleichtert wurde. Gefördert werden diese berühmten In-Vitro-Fertilisationen und auch diese intrazytoplasmatische Spermieninjektion. Man kann sich dann im Einzelnen ansehen, was

das bedeutet, aber es sind alles auch hormonintensive Behandlungen. Die Idee war, dass Bund und Länder gemeinsam paritätisch ein Viertel dieser Kosten tragen. Seitdem haben sich aber nur fünf ostdeutsche Bundesländer und Niedersachsen bereit erklärt, das einzuführen, Berlin und Hessen stehen Landesmittel zur Verfügung.

Unverheiratete Paare bekommen keine Förderung – das ist so. Sie können unter Umständen seit dem Jahr 2016 durch die Richtlinie, für die ersten drei Behandlungen ein Viertel der Kosten gefördert bekommen, aber es ist deutlich geringer und steht in keinem Verhältnis zu den Verheirateten. Die FDP hat auf Bundesebene längst schon einmal einen Antrag eingereicht, und zwar, ich glaube, Anfang des Jahres 2018. Da waren allerdings die Alleinstehenden mit inkludiert, das ist in dem Antrag hier leider gar nicht enthalten. Unsere Fraktion hat auf Bundesebene im November 2018 ebenfalls einen Antrag in diese Richtung gestellt, allerdings mit der Ausweitung auf gleichgeschlechtliche Paare.

(Beifall DIE LINKE)

Das, finde ich, ist auch ein großer Unterschied, weil wir der Meinung sind, dass man das nicht nur auf die Unverheirateten erweitern sollte, sondern selbstverständlich auch auf alle anderen familienähnlichen Kombinationen, die letztendlich das gleiche Recht haben sollten. Das Adoptionsrecht wurde hier schon erwähnt, da gibt es ganz ungerechte Varianten, wenn man sich überlegt, dass man, selbst wenn man in einem gleichgeschlechtlichen Paarverhältnis ein gemeinsames Kind hat, keinerlei Recht hat, das zu adoptieren, was ich unsäglich finde,

(Beifall DIE LINKE)

sodass wir den Antrag grundsätzlich von seiner Intention gar nicht schlecht finden, allerdings unzulänglich in dem, was er einschließt. Deswegen werden wir uns an dieser Stelle enthalten, weil ich grundsätzlich auch finde, dass diese Kinderwunschbehandlung darauf ausgedehnt werden müsste.

Diese abseitige bevölkerungspolitische Debatte, wie sie hier ganz kurz angeklungen ist, finde ich dermaßen menschenfeindlich, menschenrechtsfeindlich und weit weg von Grundrechtsdiskussionen, dass man das nicht weiter einbeziehen sollte.

Das ist ein richtiger Vorschlag, ich finde aber eigentlich, die FDP bleibt ziemlich permissiv und es

ist nur ein Hüpfer in die richtige Richtung, aber nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Wir haben versucht, das auf Bundesebene durchzubringen, aber leider hat es keine Mehrheit gefunden. Ich finde nach wie vor, wir müssen daran festhalten, dass das auf alle Varianten von Familienleben ausgedehnt wird, die für eine entsprechende Kinderwunschbehandlung in Frage kommen.

Ich fände es auch schön, wenn wir uns auf den Weg machen würden, das Adoptionsrecht zu ändern, das in diesem Kontext wirklich dringend der Reform bedürfte. Deswegen sage ich noch einmal, gut – –.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Damit wäre der Antrag jetzt ein bisschen überfrachtet gewesen!)

Ja, das ist richtig, aber gerade bei der Kinderwunschauseinandersetzung und gerade, wenn es um Kinder geht, haben wir immer noch ein großes Missverhältnis zwischen dem, was verheirateten Paaren als Privileg zugestanden wird, und dem, was man allen anderen zubilligt. Diese Unterscheidung ist selbst zwischen ehelich und nicht ehelich immer noch sehr groß und das ist eine Diskriminierung, die ich völlig falsch finde und maßlos überständig.

(Glocke)

Ich fände es gut, wenn wir uns gemeinsam dazu durchringen würden, daran zu arbeiten. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Pirooznia das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über den Antrag der Fraktion der FDP: „Zugang zu assistierter Reproduktionsmedizin endlich erleichtern!“. Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen würden dem Antrag gern zustimmen, die Fraktion der SPD nicht. Vor diesem Hintergrund werden wir diesen Antrag schweren Herzens nicht unterstützen. Was vor 40 Jahren eine Revolution war, ist heute medizinischer Alltag. Weltweit sind seither mit Hilfe der Reproduktionsmedizin über fünf Millionen Babys durch künstliche Befruchtung entstanden, das heißt ohne Geschlechtsakt. Auch in Deutschland steigt die Anzahl der künstlichen Befruchtungen

seit Jahren an. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland rund 65 000 Kinderwunschbehandlungen durchgeführt. Statistisch sitzt in jeder großen Schulklasse ein Kind, das sein Leben einer solchen Behandlung zu verdanken hat.

Trotz dieser Entwicklungen sind die Erfolgsraten im Bereich der künstlichen Befruchtung weiterhin mäßig. Nur durchschnittlich 30 Prozent der Embryonentransfers führen zu einer Schwangerschaft. Die Fehlgeburtsrate liegt bei durchschnittlich 20 Prozent, sodass nur 23,5 Prozent der Frauen nach einem solchen Behandlungszyklus mit einem Baby nach Hause gehen können. Diese Zahl, zeigt bereits, dass in den meisten Fällen eine mehrmalige künstliche Befruchtung notwendig ist, um den Kinderwunsch zu erfüllen. Schätzungen zufolge ist in Deutschland rund jedes siebte Paar unfreiwillig kinderlos. Im Land Bremen gibt es derzeit keine Förderrichtlinie und auch keine Förderung durch den Bund für kinderlose Paare. Uns von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefällt die Idee, dass ungewollt kinderlose Paare in Bremen die Möglichkeit haben sollen, einkommensunabhängig eine künstliche Befruchtung durchführen zu lassen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP)

Auf die Zahlen ist die Kollegin Bernhard eingegangen, 5 000 bis 6 000 Euro kostet eine einmalige Behandlung. Wir haben anhand der Zahlen gesehen, dass eine mehrmalige Behandlung notwendig ist, um erfolgreich zu sein. Das heißt, bei zwei- oder dreimal sind wir bei 18 000 Euro. Das kann sich nicht jeder Mensch in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt leisten, das geht nicht.