Protokoll der Sitzung vom 23.02.2022

Ohne eine Energie- und ohne eine Ernährungswende mit einer massiven Reduzierung tierischer Lebensmittel, darauf hat auch Philipp Bruck hingewiesen, sind die nationalen und internationalen Schutzziele nicht erreichbar. Das bedeutet auch eine individuelle Lebensstilveränderung. Gerade beim Thema Ernährung wird dies besonders sichtbar.

Dies ist aber leider auch mit Blick auf die internationale Klimagerechtigkeit unabdingbar. Die Entscheidung, weniger tierische Lebensmittel zu sich zu nehmen, kann im Grunde nur jeder für sich selbst treffen. Das stimmt allerdings nur eingeschränkt, denn rein pflanzliche Ernährung muss man sich manchmal auch leisten können. Gemüse, Obst und biologische Fleischersatzprodukte sind leider teilweise wesentlich teurer als das Fleisch aus dem Supermarkt. Das darf im Umkehrschluss aber nicht heißen, wir machen einfach alles teurer. Das wäre ein böser Trugschluss zulasten von Menschen ohne Geld und wirklich eine Verwässerung für Klima und Umwelt.

Viele Entscheidungen, die hier zu treffen wären, wie eine andere Agrarpolitik, können wir auf Landesebene nicht fällen. Was wir ändern können und

was wir auch tun sollten, ist eine konsequente Umstellung der Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung, Bildungs- und Aufklärungsarbeit und ganz einfach Vorbild sein, indem wir zum Beispiel bei manchen Veranstaltungen auf tierische Lebensmittel verzichten. Vielleicht gelingt das auch der CDU.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Ernährungswende ist nicht nur ein Beitrag zur Klimaneutralität, sondern sie ist auch ein Muss für die internationale Klimagerechtigkeit.

Liebe Kolleg:innen, lassen Sie mich die wichtigsten Punkte zusammenfassen: Wir brauchen eine ausführliche Finanzierung. Ohne weiteres Geld vom Bund und der EU werden wir nicht klimaneutral werden. Deswegen müssen wir bereit sein, auch die Notlage, die verfassungsrechtliche Notlage auszurufen, wenn es geboten ist. Für uns ist darüber hinaus klar, wir müssen dringend alle Gebäude energetisch sanieren, aber so, dass Menschen sich das leisten können. Dafür brauchen wir ein Förderprogramm für warmmietenneutrale Sanierung. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch sozial gerecht.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Schlüssel zur Klimaneutralität. Nur so können der Umstieg auf grünen Wasserstoff, die Wärmewende und die Verkehrswende gelingen. Wir werden außerdem unabhängiger und flexibler in der Energieversorgung, und, es ist schon darauf hingewiesen worden, unsere Abhängigkeit vom Gas wird deutlich reduziert. Ohne grünen Wasserstoff werden uns die Dekarbonisierung und damit auch die Klimaneutralität niemals gelingen. Deswegen müssen wir die Finanzierung und auch die Kofinanzierung ohne Wenn und Aber zur Verfügung stellen.

Wir brauchen die Wärmewende mit Wärmepumpen und Nah- und Fernwärmenetzen. Das geht nur mit kommunaler Beteiligung. Wärmeversorgung ist Daseinsvorsorge und gehört in die öffentliche Hand.

(Beifall DIE LINKE)

Auch die Verkehrswende ist eine öffentliche Aufgabe. Sie ist unverzichtbar für das Erreichen der Klimaziele, unverzichtbar für Umwelt und eine sozial gerechte, sichere und attraktive Gestaltung Bremens. Für die Ernährungswende müssen wir als Vorbild vorangehen. Das ist nicht nur ein wichtiger

Beitrag für den nationalen Klimaschutz, sondern auch für die internationale Klimagerechtigkeit.

Wir haben mit unserer Klimaenquete ein Zeichen gesetzt. Wir haben gemeinsam wesentliche, wissenschaftlich fundierte, politische abgestimmte Strategien entwickelt. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam Vorbild sein und diese Strategie zusammen mit den Menschen in unseren Städten umsetzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Magnus Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben die erste Enquetekommission zur Erarbeitung einer Klimaschutzstrategie für das Land Bremen erlebt. Sie hat ihren Abschlussbericht vorgelegt, und es sind viel Gehirnschmalz, viel Arbeitszeit hineingeflossen.

Es ist wirklich schon von allen gedankt worden, aber ich will an dieser Stelle auch ganz herzlich allen danken, die mitgearbeitet haben, diesen Entwurf einer Klimaschutzstrategie zu fertigen und hier dem Parlament vorzulegen. Das ist wirklich eine große Aufgabe mit mehr als 500 Arbeitsstunden gewesen, die wir alle zusammen verbracht haben.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Zugleich ist da dann die Frage: Wie sie einzuordnen ist in das, was damit passiert und was dieser Abschlussbericht für einen Charakter hat. Für die einen ist das die Empfehlung, die eins zu eins umgesetzt werden muss, mit vielleicht kleinen Ausnahmen in dem einen oder anderen Fall, in dem man sich nicht durchgesetzt hat. Das haben wir von Philipp Bruck gehört. Für andere ist es eine Sache, die dann beraten werden und im politischen Geschehen umgesetzt werden muss. Auch für die CDU scheint es so zu sein, dass es eins zu eins umgesetzt werden muss, damit der Senat zeigt, dass er mächtig handeln kann, aber bitte nicht in den Fällen, wo die Union in der Verkehrspolitik anderer Meinung ist.

(Beifall FDP)

Letzteres steht nicht im CDU-Antrag, macht aber deutlich, welcher Spagat da gemacht wird und welche intellektuelle Herausforderung dort besteht.

Übrigens klingt das auch bei den Finanzierungsdiskussionen mit der Union an, dass dort natürlich auch gewisse Vorbehalte sind, die ich verstehen kann. Ehrlich gesagt, ist das für mich intellektuell nicht anspruchsvoll genug, so mit den Empfehlungen umzugehen. Deswegen haben wir uns als FDPFraktion auch entschieden, weil es für uns nicht intellektuell anspruchsvoll genug ist, Ihrem Antrag nicht zuzustimmen, denn diese Strategie muss nicht eins zu eins umgesetzt werden. Das Klimaziel muss erreicht werden. Dafür haben wir uns verpflichtet, und darauf verständigt, und das wollen wir als FDP.

(Beifall FDP)

Es geht darum, zu schauen, wie Klimaziele erreicht werden und das in den politischen Diskurs zu werfen, hier, in die Mitte des Parlaments, wo über den Haushalt entschieden wird, wo über Prioritätensetzung entschieden wird, wo abgewogen wird, auch gegen andere Ziele, die wir verfolgen. Die sind genannt worden. Wir können das an den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, festmachen, was wir dort gegeneinander abwägen müssen. Das heißt nicht, dass wir das eine gegen das andere ausspielen wollen, aber gute Politik zeichnet sich eben dadurch aus, dass sie Prioritäten setzt und das eine und das andere versucht zu erreichen.

(Beifall FDP)

Wir können doch gute Schulen bauen, die klimaneutral sind, und PV auf dem Dach haben. Darin ist doch überhaupt kein Widerspruch. Das ist genau die Sache, die wir zusammendenken müssen. Das ist doch genau die Aufgabe, die jetzt auf die Politik zukommt und da sind wir alle hier im Parlament gefordert, weiter darüber zu reden. Es ist eine Herausforderung, die wir alle meistern müssen, die wir aber auch nicht allein leisten können.

Es ist auch die Finanzierung angesprochen worden. Es ist aber dafür erforderlich, zu wissen, welche Rahmenbedingungen wir haben. Es wäre doch töricht, wenn wir Förderprogramme für effiziente Häuser machen, bei denen wir alle darauf hoffen, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bald ihre Förderprogramme wieder auflegt. Das kann doch nicht sein, dass Bremen sich hier engagiert, wo Bremen nur knappe Mittel hat und diese knappen Mittel an der Stelle einsetzen muss, an der es darum geht, Klimaschutz zu erreichen. Insofern setzen wir uns doch dafür ein, dass auf Bundes- und

EU-Ebene die wichtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden!

Das Gleiche haben wir doch auch bei dem von uns allen gewollten Einstieg in die neue Stahlroute. Wir wollen doch, dass das Stahlwerk als industrieller Kern erhalten bleibt. Die dort notwendigen Investitionen kann Bremen aber allein nicht stemmen. Wer das erzählt und sagt, wir müssen hier alles tun und wenn die Anderen nicht genügend Geld geben, geben wir das Geld, der streut den Menschen Sand in die Augen.

(Beifall FDP)

Das geht nicht. Das heißt, wir müssen doch darauf drängen, dass wir uns möglichst engagieren, aber im Rahmen unserer Möglichkeiten. Das heißt, wir müssen zu allererst schauen, dass in diesem Bereich die EU im Rahmen des Innovation Fund oder anderer Fördermittel und der Bund im Rahmen der Ausnahmen für IPCEI-Projekte entsprechende Förderungen für die Dekarbonisierung der Industrie vornehmen, denn die Alternative wäre auch Klimaschutz. Es kann aber doch nicht gewollt sein, wegen der Arbeitskräfte, dass das Stahlwerk schließt. Diese Alternative will keiner. Wir wollen ein modernes Stahlwerk hier in Bremen haben, und dafür wollen wir uns engagieren.

(Beifall FDP, SPD)

Natürlich gibt es Dinge, die direkte Auswirkungen auf die Prioritäten haben, die wir im Haushalt setzen und diskutieren müssen. Ich will aber zum politischen Verständnis noch eines sagen: Es war ja auch die Diskussion, wie das jetzt mit den Anträgen war. Zum CDU-Antrag habe ich einiges gesagt. Ich will aber auch zum Koalitionsantrag etwas sagen. Er kam für uns so kurzfristig, dass wir bis heute Morgen in der Beratung waren – wir hatten ja zwischendrin auch noch einmal Änderungsvorschläge geschickt – und ich deswegen gar nicht mit den Akteur:innen auf dem Marktplatz hier vor dem Haus ins Gespräch gehen konnte, weil wir noch beraten mussten, wie wir uns zu Ihren einzelnen Absätzen verhalten. Das war uns aber auch wichtig, ehrlich gesagt.

Dazu kann ich ankündigen, dass wir uns entschieden haben, abschnittsweise abzustimmen. Wir werden nicht allen Dingen zustimmen können. Das ist, glaube ich, aus den Diskussionen und aus meinen Andeutungen bisher, in der Enquete durch unsere Minderheitenvoten, besser gesagt durch un

sere Sondervoten, und durch meine Rede hier vielleicht deutlich. Wir werden uns aber zu vielen Punkten zustimmend äußern, um zu signalisieren: Auch uns ist Klimaschutz wichtig. Es ist aber ein anderer Charakter, als er auch in Teilen – ich will bewusst sagen in Teilen – in der Koalition verstanden wurde, die die Strategie als Blaupause nimmt.

Nein, es ist ein Vorschlag, eine Empfehlung, und diese Empfehlung muss jetzt in politisches Handeln umgesetzt werden, und dabei muss sie bewertet und in Prioritäten, in Zeit-Maßnahmen-Kataloge umgesetzt werden.

(Beifall FDP)

Dazu gehört ganz besonders natürlich auch die Frage des Haushalts. Wie gehen wir damit um? Welche Möglichkeiten haben wir? Dazu gibt es ein Finanzgutachten, und da ist für uns Freie Demokraten klar, die Schuldenbremse ist für uns gesetzt. Die lässt sich nicht mit uns verändern und verschieben, denn eines ist auch klar, auch wenn man jetzt große Anleihen der Aufbaubank oder irgendetwas anderes fordert: Alle, die Vorschläge zur Finanzierung haben, müssen die Antwort geben, wie sie bezahlt werden sollen. Ein Kredit oder eine Anleihe schaffen kein neues Geld. Die Mittel müssen am Ende bezahlt und erarbeitet werden. Es braucht dafür Wertschöpfung, es braucht dafür Steuereinnahmen, um das bezahlen zu können. Kredite und Anleihen schaffen noch kein neues Geld.

(Beifall FDP)

Insofern ist die Finanzierung wichtig, wie wir das mit Geld hinterlegen, das der Bremer Staat einnimmt, das die Menschen und die Unternehmen hier erarbeiten, das durch Steuern Bremen zufließt und übrigens auch durch den Finanzausgleich. Alles schaffen wir an der Stelle ja leider nicht selbst.

Ich möchte jetzt die restliche Zeit nutzen, auf Konsense, aber auch auf Sondervoten einzugehen, um deutlich zu machen, dass es weiter eines politischen Diskurses bedarf.

Es ist ganz klar für uns – zu den Stahlwerken habe ich etwas gesagt –, dass wir hier in eine neue industrielle Revolution eintreten wollen. Wir wollen eben nicht mehr Stahl machen, wie er beginnend in der Eisenzeit, über die Hochöfen des 19. Jahrhunderts, über die Entwicklungen dort, bis zu den modernen Hochöfen, die wir heute hier in Bremen stehen haben, gegangen ist, sondern, wir wollen

ganz anders Eisenerz reduzieren, nämlich mit Wasserstoff statt mit Kohlenstoff. Das ist der moderne Schritt daran, und dann wollen wir auch noch den Schrottanteil erhöhen, weil da mehr Recycling guttut.

Natürlich würden wir auch über effizienten Einsatz von Stahl nachdenken, denn Stahl um des Stahl willens braucht keiner. Der Stahl hat am Ende ja auch eine sinnvolle Anwendung. Wenn Sie mit der Automobilindustrie sprechen, dann sagt die Ihnen ganz klar: Wir würden gern Autos mit einem klimaneutralen Fußabdruck auf den Markt bringen. Das heißt aber nichts anderes, als dass sie grünen Stahl brauchen, weil sie sonst den Fußabdruck von bisherigem Stahl auf ihrem Auto haben und keine Treibhausgasneutralität.

Wenn Sie mit Errichtern von Windkraftanlagen reden, sagen die: Wir würden gern Windkraftanlagen bauen, die nicht nur erneuerbare Energien produzieren, sondern mit erneuerbaren Energien gebaut worden sind. Das ist das Ziel, zu dem wir kommen wollen. Insofern müssen wir auch überlegen, welche Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen.

Das heißt auf europäischer Ebene bei Fahrzeugen, dass da nicht nur der Verbrauch betrachtet wird, sondern auch die Gesamtbilanz: Von der Wiege bis zur Bahre oder von der Wiege bis zur nächsten Wiege des Produkts – „Cradle to Cradle“ heißt dieser Ansatz. Oder, dass wir bei Ausschreibungen für Offshore-Windanlagen vielleicht nicht hingehen und sagen, was wollt ihr denn für die Kilowattstunde haben – dabei kommt übrigens in aller Regel null Cent heraus –, sondern dass wir dort in Zukunft vielleicht mit als Kriterium ansetzen, was für einen CO2-Fußabdruck so eine Anlage hat. Das hat übrigens den Vorteil, dass es dann vorteilhafter ist, die ganzen Konverterstationen an der Nordsee- oder Ostseeküste zu schweißen, statt in Fernost.

Auch das sind Dinge, die wir überlegen müssen, welche Rahmenbedingungen wir setzen. Das muss doch der Senat dann auch mitdenken, damit wir profitieren. Es ist zu Recht genannt worden, dass wir vom Klimaschutz profitieren sollten, dass das ein Konjunkturprogramm sein kann. Dann machen wir es doch bitte auch durch eine entsprechende Rahmensetzung dazu!

(Beifall FDP)

Einen Hinweis möchte ich dann noch geben. Es ist viel gefragt worden: Was kann der Staat tun und was müssen wir tun? Müssen wir nicht viele Fragen

wieder zurückholen? Müssen wir nicht Unternehmen rekommunalisieren, um Klimaschutz erreichen zu können? Ich sage, das ist genau der falsche Weg.

(Beifall FDP)