Protokoll der Sitzung vom 09.07.2003

Das, was Sie noch dazu regeln, regeln Sie aber schon anders, als man es müsste. Dann werden noch Sachen dazu geregelt, die man bisher überhaupt nicht als Problem erkannt hat. Das hat einen einzigen Grund: Sie haben jetzt die Mehrheit im Rundfunkrat; Sie wollen auch noch die Mehrheit im Verwaltungsrat. Das ist der einzige Grund, warum wir im Verwaltungsrat zu einer Änderung kommen.

Insofern haben wir es leider mit einem weiteren Kapitel im Buch „Macht euch den Rundfunk untertan“ zu tun. Herr Kollege Hoff, wir finden, dass das dem Gesetz über den Hessischen Rundfunk nicht angemessen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen Folgendes sagen:Die Lehrerverbände – das waren die GEW und der Deutsche Lehrerverband Hessen im Deutschen Beamtenbund – haben uns am 5. Mai 2003 geschrieben und eine Formulierung vorgeschlagen, wie sie den Wechsel durchführen wollen.

(Gerhard Bökel (SPD): Richtig!)

Ich finde, es spricht nichts dagegen, das genau so zu regeln, wie es die Verbände vorgeschlagen haben.

(Beifall der Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) und Gerhard Bökel (SPD))

Herr Kollege Hoff,Sie haben jetzt daraus gemacht,dass es unter dem Strich einen zusätzlichen Sitz für den Deutschen Beamtenbund geben soll. Faktisch bedeutet das, dass wir in Zukunft einen DGB- und einen GEW-Vertreter haben werden sowie einen Vertreter des Deutschen Beamtenbundes und des Deutschen Lehrerverband Hessen im Deutschen Beamtenbund. Ich habe nichts gegen

den Deutschen Beamtenbund. Aber ich möchte ein großes Fragezeichen hinter die Überlegung setzen, ob aufgrund der Mitgliederzahlen eine Lösung von 2 : 2 Sitzen wirklich angemessen ist. Herr Kollege Hoff, ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass Sie sich von dem Vertreter des Deutschen Lehrerverbands Hessen im Deutschen Beamtenbund eher etwas versprechen als von einem Vertreter der GEW.Das ist wahrscheinlich sogar richtig.Aber das ist ebenfalls eine parteipolitische Politisierung des Rundfunkrates, die nicht angemessen ist.

Ich komme zu dem dritten Punkt in diesem Zusammenhang. Er betrifft die Europa-Union. Mir war bisher nicht aufgefallen, dass es ein besonderes Drängen der EuropaUnion gibt, Mitglied des Rundfunkrates zu werden.Auch ich schätze die Europa-Union. Ich sage Ihnen allerdings auch, dass ich dabei schon ein großes Problem sehe.Wenn wir über die so genannten Grauen, also die im Rundfunkrat parteipolitisch nicht Gebundenen, am Ende immer mehr Mitglieder der CDU in den Rundfunkrat bekommen, dann sehe ich, dass es da einen Hintergedanken gegeben hat, der mir nicht gefällt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie wollen Ihre Mehrheit behalten, das ist doch klar! Ich sage gleich etwas dazu!)

Ich sage Ihnen, was ich damit meine.

Erstens.Der Sitz des Landessportbundes Hessen wird von Herrn Kollegen Müller wahrgenommen. Er ist CDU-Abgeordneter im Hessischen Landtag.

Der Sitz für die Europa-Union würde vielleicht von Thomas Mann wahrgenommen werden.

(Frank Gotthardt (CDU): Guter Mann!)

Er ist Mitglied der CDU und sitzt im Europaparlament.

Der Sitz des LandesFrauenRates Hessen wird von Frau Isser wahrgenommen. Sie ist Stadtverordnete in Offenbach. So geht das weiter.Wenn Sie über die so genannten Grauen versuchen,sich unter der Hand eine Mehrheit der CDU in diesem Gremium erschaffen zu wollen, dann sagen Sie das bitte.

(Frank Gotthardt (CDU): Das würden wir nie tun!)

Argumentieren Sie da nicht mit der Europa-Union. Ich bin gespannt,ob die CDU immer noch dafür wäre,die Europa-Union in die Liste derer aufzunehmen, die einen Vertreter entsenden, wenn wir von der Europa-Union die Zusicherung bekämen, dass sie jemand anderes entsenden würden, vielleicht einen parteipolitisch völlig Neutralen.

Ich komme zum letzten Punkt. Er betrifft den Verwaltungsrat. Bisher gibt es da eine Drittelparität. Das muss nicht zwingend so sein. Aber ich sehe auch keinen zwingenden Grund, warum man sie aufheben sollte. Man könnte sie z. B. auch dadurch beibehalten, dass man den Beschäftigten einen Sitz mehr zugesteht. Herr Kollege Hoff, das wollen Sie nicht.

(Volker Hoff (CDU): Dafür gibt es gar keine Veranlassung!)

Bisher erfolgte die Wahl der unabhängigen Sachverständigen durch den Verwaltungsrat. In Zukunft sollen diese Sachverständigen vom Rundfunkrat benannt werden. Da sehe ich dann eine Gefahr. Ich glaube, das ist auch der Hintergedanke bei dieser vorgesehenen Änderung. In Zukunft werden wir vielleicht sogar eine Politisierung parteipolitischer Art der unabhängigen Sachverständigen

bekommen. Deswegen hätte ich es gerne, dass auch per Gesetz festgelegt wird, welche Art der Sachkunde die Sachkundigen haben sollen. Denn ansonsten könnte am Ende dabei herauskommen, dass Volker Bouffier unabhängiger Sachverständiger im Verwaltungsrat nach dem Motto wird: Der ist schon so lange im Rundfunkrat, dass er inzwischen Sachkunde hat. – Das wäre aber sicherlich nicht im Sinne des Erfinders.

Ich möchte deswegen noch Folgendes sagen.Langer Rede kurzer Sinn – Frau Präsidentin, das ist dann auch mein letzter Satz –: In der gegenwärtigen Form findet dieser Gesetzentwurf nicht die Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU): Das ist kein Problem!)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Herr Fraktionsvorsitzender Hahn. Er spricht für die FDP.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon beachtlich, dass die Fraktion der Bündnisgrünen in diesem Landtag nicht für Pluralität ist. Es ist schon beachtlich, dass die Fraktion der GRÜNEN dieses Landtags für das konservative Erhalten von Mehrheiten in einem Gremium ist, wo sie zur Mehrheit gehören.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, komm!)

Ich sage das hier deutlich. Ich bin es leid, dieses Gerede des Herrn Al-Wazir hier unkommentiert stehen zu lassen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer und Dorothea Henz- ler (FDP) und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will das hier nicht unkommentiert stehen lassen. Im Hessischen Rundfunk hat es seit über 25 oder sogar 30 Jahren eine strukturelle Mehrheit für die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften gegeben.Am Schluss waren auch die GRÜNEN an dieser strukturellen Mehrheit beteiligt. Das, was CDU und FDP in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, war nichts anderes, als diese strukturelle Mehrheit der Sozialdemokraten, GRÜNEN und Gewerkschafter aufzuheben und im Rundfunkrat eine Neutralität herbeizuführen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer und Dorothea Henz- ler (FDP) und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie können noch so dümmlich lachen. Das Beispiel hat Herr Al-Wazir selbst genannt. Das betraf die Wahl des Intendanten. Ein knapperes Ergebnis als bei der Wahl des Herrn Dr. Reitze ist doch nicht möglich. Das hat doch deutlich gemacht, dass es dort nicht mehr die strukturelle Mehrheit der Gewerkschaften und der Sozialdemokraten gibt. Es ist aber auch keine andere vorhanden. Es waren gerade die Unabhängigen, die Grauen, wie sie woanders genannt werden, die das Zünglein an der Waage waren.

Sehr verehrter Herr Kollege Al-Wazir, ich komme nun zu Ihren Krokodilstränen hinsichtlich der Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Damit jedes Mitglied des Hes

sischen Landtags weiß,wer dem Verwaltungsrat angehört, trage ich es hier jetzt vor.

Der Vorsitzende des Verwaltungsrates ist Gert Lütgert.Er gehört der SPD an und ist MdL a. D. Darüber hinaus war er stellvertretender Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen.

Ein weiteres Mitglied des Rundfunkrates ist Herr Hertle. Er war ehemals Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im Hessischen Landtag.

Das dritte Mitglied ist Armin Clauss. Er gehört der SPD an und ist MdL a. D.

Das vierte Mitglied ist Wilhelm Küchler. Er gehört der CDU an und ist ebenfalls MdL a. D.

Hinzu kommen noch zwei Gewerkschaftsmitglieder, die der FDP wahrlich nicht angehören.

Es ergibt sich im Verwaltungsrat also eine strukturelle Mehrheit von 5 : 1 gegen das bürgerliche Lager. Das hat mit Pluralität, die es in diesem Lande geben sollte, nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist schlichtweg parteipolitisch und interessengesteuerte Einseitigkeit.Das muss geändert werden.Wir müssen in diesem Land in allen Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Pluralität herstellen. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir im Verwaltungsrat erreichen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer und Dorothea Henz- ler (FDP) und bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie bestätigen doch alles, was ich gesagt habe!)

Herr Kollege Al-Wazir, ich kann Ihnen Folgendes versichern. Das ist kein Vorwurf.Aber Sie haben erst ein- oder zweimal an Sitzungen des Rundfunkrates teilgenommen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie bestätigen doch alles, was ich gesagt habe! Der Täter ist voll geständig!)

Da haben Sie gemerkt,dass die Diskussion dort sehr offen geführt wird. Dass das so ist, ist gut. Vor vier Jahren, als Volker Hoff und ich in den Rundfunkrat einzogen, war das noch nicht so. Damals war die strukturelle Mehrheit noch gegen eine offene Diskussion. Wir haben jetzt offen diskutiert. Mithilfe von Prof. Helmut Kohl haben wir uns darüber unterhalten, wie wir besser zusammenarbeiten können. Ich sage es noch einmal: Das geht nur mit Pluralität und nicht mit vorgefertigten Mehrheiten, so wie es die Sozialdemokraten über 40 Jahre in diesem Lande gemacht haben. Die GRÜNEN haben in den letzten zehn Jahren damit gut gelebt.

(Beifall der Abg. Dorothea Henzler und Roland von Hunnius (FDP) und bei Abgeordneten der CDU)

Ich komme zum zweiten Punkt meiner Rede. Das betrifft den DGB und den CGB. Franz Josef Jung – ich schaue ihn gerade an – und ich waren die Erfinder der Regelung in dem jetzt zu ändernden Gesetz. Ich muss Ihnen gestehen: Ich halte es für eine Unverschämtheit, dass die Gewerkschaften dieses Landes nicht in der Lage sind, untereinander Absprachen zu treffen. Sie haben in keiner Weise irgendeine Einigung herbeigeführt. Natürlich muss die Besetzung nicht zwischen DGB und CGB 1 : 1 erfolgen. Da würde man sich doch leicht verheben. Aber vielleicht wäre es im Verhältnis 4 : 1 bei den Wahlperioden möglich

gewesen. Aber nein, die Vertreter des DGB haben von Anbeginn an gesagt:Wir werden mit keinem anderen darüber reden, dieser Sitz gehört uns. – Mit solchen Positionen kann man in diesem Lande keine Pluralität organisieren.Aber der DGB hat es so gemacht.

(Beifall der Abg. Dorothea Henzler und Roland von Hunnius (FDP) und bei der CDU)