Protokoll der Sitzung vom 20.06.2006

(Beifall bei der SPD – Lachen des Ministers Karl- heinz Weimar)

Das hat diese Landesregierung zu verantworten.

Herr Walter, Sie müssen zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist um.

Herr Ministerpräsident, uns geht es nicht darum, zu fordern, die Landesregierung müsse, gleich einem Zaubertrick, entscheiden, was die Börse zu tun habe. Uns geht es darum, dass die Landesregierung ein Konzept für den Finanzstandort Frankfurt entwickelt. – Der Finanzminister lacht an der Stelle, weil er offensichtlich überhaupt keine Ahnung von diesem Bereich hat.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie haben unserem Land mit dem Aussitzen der wichtigsten Probleme geschadet, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat sich Herr Boddenberg zu Wort gemeldet. Herr Boddenberg, Sie haben zehn Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Fragen der Kompetenzen, die Herr Walter hier aufgeworfen hat, sage ich nur so viel: Herr Walter, Sie hatten eigentlich angekündigt, zurücktreten zu wollen. Ich gehe davon aus, dass Sie das irgendwann vollziehen, aber bisher ist das unterblieben. Ich glaube, Sie waren es, der gesagt hat:Wer nicht in der Lage sein will, der Herausforderer zu sein, der kann nicht Fraktionsvorsitzender sein. – Das eine Amt haben Sie inzwischen aufgegeben.

(Beifall bei der CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Billiger geht es nicht!)

Ich will nur noch einmal daran erinnern. So viel Zeit muss sein. Viele Passagen Ihres Vortrags waren nämlich eine ziemliche Unverschämtheit.

Meine Damen und Herren, wir haben es im Moment mit einer schwierigen Gemengelage zu tun. Es haben sich viele – auch Politiker – zu der Frage geäußert, was „europäisch“ sei, und haben diese Frage dann durch die nationale Brille, unter nationalen Gesichtspunkten beantwortet – angefangen beim französischen Staatspräsidenten über die Bundeskanzlerin bis hin zur Hessischen Landesregierung.

Wir haben immer ziemlich klar gesagt, was wir wollen. Deshalb sind zunächst einmal wir für die Beantwortung der Fragen verantwortlich, die mit dem Finanzplatz Frankfurt zu tun haben.Die Gemengelage ist aber im Moment als „schwierig“ nur unzureichend bezeichnet, denn wir haben völlig neue Entwicklungen, auch in den Gesprächen, die zwischen der New York Stock Exchange und der europäischen Börse Euronext an anderer Stelle geführt werden.

Ich erinnere daran, dass gerade gestern der Vorstandsvorsitzende der New Yorker Börse gesagt hat:Wenn ihr nicht so wollt, wie wir das für den Gesamtkonzern sehen, dann können wir uns durchaus vorstellen, dass wir neben den vorhandenen Standorten einen neuen etablieren, nämlich in London. – Das geht bis hin zu der Drohung – oder wie man das auch immer verstehen soll –, dass man darüber nachdenkt, eine Beteiligung an der London Stock Exchange ins Auge zu fassen, was wiederum etwas mit dem nationalen amerikanischen Handel zu tun hat. Sie wissen, dass die Nasdaq damit zu tun hat.Außerdem kommen die Mailänder und viele andere lokale Interessen ins Spiel.

Kurzum, ich glaube, im Moment tut die Politik gut daran, sehr genau hinzuschauen und so zu reagieren, wie es jeweils geboten ist. Ich glaube, dass das, was wir hier eben von Herrn Walter gehört haben, dem nicht angemessen war. Sie haben versucht, eine schauspielerische Glanzleistung zu bieten, indem Sie sich wieder unglaublich echauffiert haben, wie Sie das immer tun, wenn Sie sich über offensichtlich sachfremde Dinge aufregen.

An einer Stelle gebe ich Herrn Walter Recht. Er hat darauf hingewiesen, dass der Finanzplatz Frankfurt viele Stärken hat. Übrigens hat auch die Börse viele Stärken. Das integrierte Geschäftsmodell der Deutschen Börse ist ein riesengroßes Asset der Deutschen Börse. Wenn man sich einmal die Zahlen anschaut, dann sieht man, dass das betriebswirtschaftlich offensichtlich sehr sinnvoll ist, was dort passiert. Die Börse hat von 2004 auf 2005 einen Umsatzsprung von 13 % gemacht.Sie liegt mittlerweile bei einem Umsatz von über 1,6 Milliarden c. Das Ergebnis sieht entsprechend aus: Ein Gewinn von fast einer halbe Milliarde Euro – nach Steuern – ist, was die reine Betrachtung der Deutschen Börse AG anbelangt,im Grunde genommen eher ein Grund, zufrieden zu sein mit dem, was dort passiert.

Nicht zufrieden sein – das hat der Herr Ministerpräsident gesagt – können wir mit dem, was sich gestern Abend im Aufsichtsrat ereignet hat. Man ist nämlich dabei, wesentliche Assets, die den Finanzplatz Frankfurt und die Frankfurter Börse ausmachen, in die Verhandlungsmasse einzubringen. Ich will einmal kurz zusammenfügen, was bis jetzt angedacht ist.

Der Vorschlag beinhaltet, dass man den Bereich der Information Services, also einen wirklich gut funktionierenden Teil der Deutschen Börse, nach Amsterdam bringt und dass man den Aktienhandel nach Paris bringt. Das ist übrigens ein Wachstumsmarkt, der gerade in Deutschland riesengroße Potenziale für die Zukunft hat. Das Gleiche gilt für den Derivatemarkt. Da ist als Standort Frankfurt, gleichzeitig aber auch London vorgesehen. Den IT-Bereich will man zum Teil in Frankfurt lassen, zum Teil aber nach Paris verlegen. Das Clearstream-Banking, das sehr viel mit festverzinslichen Wertpapieren zu tun hat, soll nach Luxemburg ausgelagert werden. Das hat wiederum etwas mit dem Kapitalbedarf zu tun, der offensichtlich zunehmend das Problem wird bei der Frage, ob man weiterhin eine Chance sieht, mit Euronext zu fusionieren.

Jetzt ist, wie der Herr Ministerpräsident zu Recht gesagt hat, ein Punkt gekommen, wo man sagen muss: Das schadet dem Finanzplatz Frankfurt. – Deshalb will ich kurz auf das eingehen, was hier zu Recht dazwischengerufen worden ist. Was hat diese Landesregierung für den Finanzplatz Frankfurt getan? Ich will die Ansiedlung der EZB gar nicht für uns reklamieren.Viele Jahre lang war es ein Streitpunkt, wer daran „schuld“ gewesen sei. Ich erinnere trotzdem daran, dass eine CDU-geführte Bundesregierung daran maßgeblich beteiligt war, weil sie erkannt hat, dass Symbolik hier eine große Rolle spielt. Das will ich Ihnen zugestehen.

Ich will aber daran erinnern, dass die Hessische Landesregierung zurzeit dabei ist, heftig bekämpft von den Sozialdemokraten, das Drei-Säulen-Modell zu stärken.

(Lachen bei der SPD)

Da haben Sie an einer Stelle enorme Probleme. Ich will sagen,dass die Entwicklung der Hochschulen nicht nur an der Goethe-Universität eine neue Qualität gewonnen hat. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu nennen, welchen Stellenwert Branchenhochschulen, wie die HfB in Frankfurt, in der Universitätslandschaft haben.

Wir können über das House of Finance reden, über die Verbindung von Forschung, Wissenschaft und Unternehmen. Kurzum, ich denke, wir tun für diesen Standort viel mehr, als das hin und wieder öffentlich kommuniziert wird. Daran haben Sie Ihren Anteil, weil Sie immer nur die Plattheit besitzen, ein solches konkretes Ereignis für Grundsatzdebatten zu missbrauchen. Insofern glaube ich, dass es richtig ist, dass die Landespolitik klar sagt, was sie will, dass die Landespolitik aber auch klar sagt, dass wir eine Entwicklung haben,die wir nur in Teilen beeinflussen können.

Einige Entwicklungen gehen nach wie vor in die richtige Richtung. Ich freue mich darüber, dass die Deutsche Börse gesagt hat:Wir sind an vielen Stellen zu anonym geworden. – Deshalb hat die Deutsche Börse gesagt: Wir wollen wieder mehr in den Parketthandel investieren. – Das ist ein wichtiges psychologisches Moment. Unter Seifert wurde eine ganz andere Politik betrieben. Kurzum, an vielen Stellen sehen wir Entwicklungen in die richtige Richtung. Aber das, was gestern Abend entschieden worden ist, können wir nicht akzeptieren. Deshalb die klaren Aussagen des Wirtschaftsministers und des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Boddenberg. – Herr Al-Wazir, Sie haben das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben acht Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss feststellen, dass sowohl Herr Boddenberg als auch Herr Koch um die eigentliche Frage sehr wortreich herumgeredet haben,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

nämlich um die Frage: Will man intervenieren, ja oder nein,und kann man intervenieren,ja oder nein? Zu diesen beiden Fragen haben Sie nichts gesagt.

Ich habe eine „dpa“-Meldung von heute, 13.42 Uhr, in der der Wirtschaftsminister mit den Worten zitiert wird, „die hessische Börsenaufsicht werde die Vorgänge aufmerksam verfolgen. Die zentrale Bedeutung Frankfurts und das informationstechnische Know-how seien wichtige Kriterien. Im Extremfall könne die Börsenaufsicht die Fusion auch blockieren.“ – So wird Herr Rhiel zitiert. Stimmt das, oder stimmt das nicht? Wenn ja, wie soll das geschehen? Dazu wurde nichts gesagt. Herr Ministerpräsident, ich glaube, das hat einen bestimmten Grund. Sie sind bis heute von diesen neoliberalen Glaubenssätzen nicht geheilt. Ich drücke es einmal vorsichtig aus.

(Zurufe von der CDU)

Der Kollege Walter hat völlig zu Recht auf den ersten Versuch der Übernahme der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse AG hingewiesen, wo alle gesagt haben: Das ist das Schönste, Größte, Tollste, dieser so genannte Merger muss stattfinden, der Zusammenschluss muss unbedingt stattfinden. – Stellen Sie sich einmal vor, es wäre so gekommen. Dann hätte Frankfurt den Neuen Markt behalten, der DAX wäre weg gewesen, der würde in London gehandelt. Man stelle sich vor, wie die Situation heute wäre.

Die spannende Frage ist dann schon – wenn Sie schon wirtschaftspolitisch grundsätzlich argumentieren, Herr Ministerpräsident, hätte ich gerne eine Antwort darauf –: Wie stehen Sie zu der Frage, ob die Politik in dieser Angelegenheit überhaupt etwas zu sagen hat? Sie haben nonchalant gesagt, der Vorschlag, die Deutsche Börse AG aufzulösen, habe Kritiker in allen Parteien gefunden. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Sie einer der Kritiker gewesen sind. Ich weiß allerdings, dass die Aktionärsstruktur der Deutschen Börse AG wie folgt aussieht:42 % Großbritannien, 27 % USA, 12 % Europa/Sonstige und 10 % Deutschland.

(Minister Karlheinz Weimar: Das sind 111 %!)

Nein, das sind nicht 111 %, Herr Weimar. Ich bitte Sie: 42, 27, 12 und 10 sind nicht 111, Herr Finanzminister.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Warum reden wir heute eigentlich über dieses Thema? Euronext hat sich bereits für New York entschieden. Wir reden heute über dieses Thema, weil unter anderem in Frankreich von Politikerinnen und Politikern, vom Staatspräsidenten angefangen, eine politische Debatte über die Frage angestoßen wurde, ob es richtig ist, eine europäische Börse zu schaffen, oder ob Teile der europäischen Börse mit der amerikanischen Börse fusioniert werden können. Das heißt, in anderen Ländern gibt es durchaus Politikerinnen und Politiker, die sagen: Wir hätten es gerne in diese oder jene Richtung. – Nur bei uns sagt man: Damit haben wir eigentlich nichts zu tun.

Herr Ministerpräsident, wissen Sie, was mir auffällt? Wir haben vor zwei Jahren eine andere Debatte über eine Fusion geführt. Damals ging es um die Fusion von Sanofi und Aventis. Damals war es so: Es gab ein Mikrofon und zwei Kochs, die in das Mikrofon geredet haben. Rhiel gab es nicht, weder heute noch damals.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es war so, Herr Irmer. – Ich kann mich gut daran erinnern, dass Roland Koch gesagt hat: Die Bundesregierung muss das verhindern, Herr Clement muss dies und jenes

tun. – Haben Sie vom Müllermeister Glos irgendetwas zu dieser Frage gehört? Wissen Sie überhaupt, dass er der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland ist?

(Zurufe von der CDU)

Die spannende Frage, die wir hier diskutieren, lautet:Wie sieht der Einfluss der Politik auf bestimmte Fragen von Zusammenschlüssen aus, wie sieht der Einfluss von Politik auf bestimmte Standortentscheidungen aus? Zu diesen Punkten hat weder der CDU-Sprecher noch der Herr Ministerpräsident, noch der Herr Wirtschaftsminister irgendetwas gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen finde ich es spannend, wenn Wirtschaftsminister Alois Rhiel sagt – ich zitiere erneut aus der Meldung –: „Im Extremfall könne die Börsenaufsicht die Fusion auch blockieren.“ Stimmt das? Stimmt das nicht? Wenn es stimmt, mit welchen Mitteln könnte das erfolgen? Mir ist das nämlich nicht klar, Herr Wirtschaftsminister.Wenn es Ihnen klar ist und wenn Sie sagen, das sei möglich, sollten Sie uns erklären, wie das geht. Außerdem sollten Sie uns erklären, ob Sie das im Zweifelsfall machen wollen. Herr Ministerpräsident, auch dazu haben Sie leider nichts gesagt.

Ich stelle fest:Wir befinden uns in einer sehr spannenden Debatte über die Frage,wie die Rolle der Politik in Zeiten grenzenloser Märkte aussieht und welches die Rolle der Politik in einer Situation ist, dass es zwar faktisch keine nationalen Schranken mehr gibt, was die Besitzerstruktur angeht, dass aber durchaus noch nationale Schranken existieren, was z. B. die Handelsstruktur betrifft. Es geht z. B. um die Frage, nach welchen Regeln gehandelt oder nicht gehandelt wird.

Herr Ministerpräsident,angesichts dessen,dass Sie immer und überall kraftvoll auftreten und von anderen Leuten etwas fordern, war die Vorstellung, die Sie hier abgeliefert haben, ziemlich kleinlaut. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Herr Posch hat sich für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Sie haben acht Minuten Redezeit.

(Reinhard Kahl (SPD): Um 15.55 Uhr sollte Schluss sein! – Weitere Zurufe)

Herr Posch hat das Wort. Er hat acht Minuten Redezeit.