Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Die hessische Polizei, warnt Bruchmüller, werde bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und eventuell darüber beansprucht. Bruchmüller schätzt, dass zu den zwei Millionen Überstunden, die in den vergangenen vier Jahren schon bei der hessischen Polizei aufgelaufen seien, allein aufgrund der Weltmeisterschaft 500.000 zusätzlich hinzukommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Belastungen durch die Fußballweltmeisterschaft, die absehbar waren, beginnt die Landesregierung dann in einer beispiellosen Aktion eine Debatte um die Einführung der Studiengebühren in Hessen. Wir wussten, dass die Fußballweltmeisterschaft stattfindet.

(Günter Rudolph (SPD): Seit Jahren weiß man das!)

Wir wussten, dass das eine absolute Belastungsprobe für die hessische Polizei wird. Diese Landesregierung hat nichts anderes zu tun, als einen Monat vorher einen Gesetzentwurf vorzulegen, von dem sie ganz genau weiß, dass es eine starke Diskussion darüber geben wird und dass es dagegen berechtigte Proteste der Studentinnen und Studenten geben wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Axel Winter- meyer (CDU): Planungssicherheit!)

Ohne Not und zur Unzeit legen Sie einen solchen Gesetzesentwurf vor. Das sagen nicht nur die Vertreter der Oppositionsfraktionen in diesem Hause, sondern das sagen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zitat:

Von einer politischen Instinktlosigkeit spricht der Vorsitzende des Hauptpersonalrats der hessischen

Polizei Henning Möller. Mit diesen Gesetzesvorgaben hat die Hessische Landesregierung unnötigerweise schon jetzt eine Protestlawine losgetreten, denn die Studiengebühren seien erst für das Wintersemester 2007/2008 einzuführen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Die Haushalte der Universitäten werden Ende 2006 beschlossen! Da geht es um Planungssicherheit!)

Ich sage es noch einmal: Ohne Not und zur Unzeit beginnen Sie eine Debatte und belasten damit die hessische Polizei zusätzlich zu den Belastungen der Weltmeisterschaft. Sie haben wieder einmal Ihre parteipolitischen Entscheidungen über die Entscheidungen des Landes gestellt.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie haben diesen Gesetzentwurf eingebracht, obwohl ganz genau absehbar war, wie die hessische Polizei belastet ist.Von daher sind Sie daran schuld,dass wir jetzt diese Debatten führen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können Sie nur auffordern: Hören Sie auf mit dieser Debatte um die Studiengebühren.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück. Am besten schmeißen Sie ihn in den Papierkorb, und hören Sie mit dieser Debatte auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bei all der Kritik: Die CDU hat nichts Besseres zu tun, als wieder zu jubeln und zu sagen, dass an den Ursachen dafür, dass wir hier eine breite Diskussion haben, immer die anderen schuld sind.

(Zurufe der Abg. Axel Wintermeyer und Clemens Reif (CDU))

Da werden die Studenten beschimpft, dass sie protestieren. Die Polizeipräsidenten kündigen eine harte Gangart gegen die Studentenproteste an.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, nehmen Sie doch zur Kenntnis: In unserem Land ist es erlaubt, gegen Vorhaben der Landesregierung zu demonstrieren. Das ist ein gutes Recht. Das steht im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Axel Winter- meyer (CDU): Das ist richtig! Dagegen sagt keiner etwas! Das Problem ist: wo!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht bei Ihnen immer nach dem gleichen Muster.Wenn Sie irgendetwas anzetteln, sind immer die anderen schuld. Das haben wir bei den Lehrern und der Unterrichtsgarantie plus. Die Lehrer sollen dann in das Schulamt versetzt werden. Die Studenten werden bedroht, es wird gesagt, dass gegen die Proteste schärfer vorgegangen wird.Wir erleben es bei der Polizei. Da wird mit dem Dienstrecht gegen kritische Polizeibeamte vorgegangen. Das ist kein Umgang mit Menschen, die anderer Meinung sind. In unserem Land gibt es die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich zitiere einen Vertreter der hessischen Polizei: „Die Landesregierung habe sich bei ihrem Vorstoß zu Studiengebühren offensichtlich mit der Annahme verrechnet, dass die Proteste in den Sommerferien abebben werden“, erklärte der Chef der hessischen Polizeigewerkschaft, der GdP.

Sie werden sich verrechnet haben. Das, was Sie angezettelt haben, wird nicht dazu führen, dass die Proteste abebben. Wir werden diese Diskussion um die Studiengebühren mit Ihnen weiterführen. Ich gehe davon aus, dass wir auch nach den Semesterferien eine Diskussion über dieses Thema haben werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es mit einer Kette von Fehlentscheidungen dieses Innenministers zu tun. Wir haben das in diesem Hause schon rauf und runter diskutiert: Reduzierung der Stellen bei der hessischen Polizei von 1999 bis 2008 um fast 1.300 Stellen, Abbau von Stellen bei den Tarifbeschäftigten von 1999 bis 2008 um fast 1.600 Stellen.– Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mehrbelastung für die Polizeibeamten ist nicht wegzudiskutieren. Sie haben durch die „Operation düstere Zukunft“ die Arbeitszeit für die Polizeibeamten auf 42 Stunden erhöht. Das sind für einen – der Kollege Rudolph hat das schon erwähnt – im Schichtdienst befindlichen Polizeibeamten 14 bis 15 Arbeitstage.Sie haben ihm das Urlaubsgeld gestrichen. Sie haben das Weihnachtsgeld gekürzt. Sie haben den Polizeibeamtinnen und -beamten eine Einkommenseinbuße von 12,5 % zugemutet. Wenn man das ausrechnet: Das bedeutet für einen Oberkommissar, der 42 Jahre alt ist, verheiratet ist und zwei Kinder hat, ein Minus von 4.700 c brutto. – Das haben Sie den hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten zugemutet. Jetzt kommen Sie her und bieten ihnen sozusagen als Trostpflaster für geleistete Überstunden einen Ausgleich von 500 bis 1.000 c an. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wirklich Chuzpe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Erst nehmen Sie ihnen 4.700 c, und dann geben Sie ihnen 500 c wieder zurück.

(Günter Rudolph (SPD): So sind sie!)

Diese Nerven muss man haben. Aber der Innenminister wird das wieder in seiner Art und Weise wegwischen, nach dem Motto: Wir machen das zwar, aber alle, die kritisch über diese Maßnahmen diskutieren,sind sowieso von vorgestern und haben keine Ahnung.

Im Zusammenhang mit dem Innenminister haben wir mit verschiedenen Pleiten, Pech und Pannen zu tun gehabt. Wir haben das hier schon des Öfteren diskutiert. Es gab den Knöllchenbetrug im PP Frankfurt. Es gab die Überstundenabrechnungen. Es gab die Pannen bei der Islamistenrazzia. Wir haben es mit Korruption im Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung zu tun.Wir führen mittlerweile einen Untersuchungsausschuss,wo eindeutig klar wird,dass die Dienst- und Fachaufsicht von diesem Innenminister nicht wahrgenommen worden ist. Dann stellen Sie sich hier hin und loben sich wieder mit einem Antrag selbst. Das passt nicht zusammen. Die Realitäten im Lande Hessen sind andere.Auf der einen Seite stehen die Anträge der CDU, in der diese Landesregierung über den grünen Klee gelobt wird,und auf der anderen Seite stehen die Entscheidungen, die Sie in den letzten Monaten zulas

ten der hessischen Polizei getroffen haben. Sie sollten einmal die Realitäten im Lande Hessen wahrnehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da Lesen bekanntlich bildet, möchte ich – es ist immer wieder interessant – auf den Fundus der Landtagsprotokolle zurückzugreifen. Da habe ich eine Debatte gefunden, an der der Innenminister beteiligt war, und zwar als Oppositionsabgeordneter.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt wird es wieder peinlich!)

In der 13.Wahlperiode wurde hier fleißig über Überstunden bei der hessischen Polizei diskutiert. Es ging darum, dass die Polizeibeamten im Zusammenhang mit der Abwicklung des Schichtdienstes 42 Stunden arbeiten müssten und ihre Arbeitszeit ja nur 38,5 Stunden sei, sodass praktisch durch den normalen Schichtdienst Überstunden anfielen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Bleiben Sie doch ganz ruhig,Herr Kollege Beuth.Das ist Ihr Problem, wir messen den Minister an dem, was er früher als Messlatte an andere angelegt hat. Das ist die Messlatte für uns.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Das ist die Messlatte, über die er springen muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Das ist auch gut, das passt zum Schluss. – Wir hatten es seinerzeit mit 1,2 Millionen Überstunden zu tun. Jetzt haben wir es mit 2 Millionen Überstunden zu tun, plus 500.000 zusätzliche Überstunden durch die Fußballweltmeisterschaft. Da sagte der Kollege Bouffier zum Kollegen Bökel: „Auch zu Ihnen eine kleine Vorbemerkung: Solange Sie so falsche Politik machen und solange in diesem Lande so viel Ärger wegen Ihrer Politik herrscht, werden Sie erleben müssen,dass die Opposition in diesem Plenarsaal Sie immer wieder stellen wird. Und wenn es notwendig wird, tun wir das noch dreimal.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenrufe von der CDU)

Das Wort hat der Kollege Hahn, der Vorsitzende der FDP-Fraktion.

(Anhaltende Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Alle die, die rausgehen wollen, können rausgehen. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen bei der Debatte über die wirklich die Bürger dieses Landes beschäftigenden Fragen Mehrwertsteuererhöhung, Antidiskriminierungsgesetz und anderes wurde der FDP-Fraktion vorgeworfen, dass wir diese Themen schon mehrfach im Hessischen Landtag eingebracht hätten. Diese Kritik haben wir zur Kenntnis zu nehmen, müssen aber feststellen, dass sie nicht glaubwürdig von den Sozialdemokraten in diesem Hause gebracht werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Das Thema Situation der Polizei ist, bis auf eine, in jeder Plenarsitzung seit der vergangenen Sommerpause hier diskutiert worden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt nicht die Bedeutung der hessischen Polizei und ihrer Leistungen, sondern zeigt, dass meistens die Sozialdemokraten, manchmal auch die GRÜNEN dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzten, weil sie meinten, damit ein Bild in der Öffentlichkeit stellen zu können, das ihnen genehm ist. Lieber Kollege Rudolph, lieber Kollege Frömmrich, ich bin wie Sie unterwegs in Hessen, und ich rede nicht nur, aber auch mit den Präsidenten und den Direktoren, ich rede mit Personalräten, ich rede mit Polizeibeamten. Ich bin auch nicht, wie manche andere Kollegen, bei Spielen wie derzeit in Frankfurt im VIP-Bereich unterwegs, sondern bin mit ganz normalen Menschen unterwegs.