Bei vielen Menschen in der Bevölkerung schwingt die Angst mit, dass möglicherweise, wenn man einen solchen Organspendeausweis bei sich trägt, die Behandlung nach einem Unfall in einem Krankenhaus nicht mehr so gut ist, weil darauf geschielt wird, Organe zu entnehmen. Ich habe in verschiedenen Gesprächen sowohl im familiären als auch im Bekanntenkreis gemerkt, dass ein gewisses Unbehagen besteht, ob eine Behandlung gegebenenfalls schlechter durchgeführt wird, mit weniger Engagement durchgeführt wird, wenn man einen Organspendeausweis mit sich trägt.
Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall.Wir können die Menschen in diesem Lande in dieser Frage wirklich beruhigen. Ich glaube, jeder Arzt kann von sich sagen: Eine Behandlung wird immer so durchgeführt, dass das Leben des Menschen,der zu behandeln ist,an erster Stelle steht.Aber wenn das nicht mehr der Fall ist,muss über das Thema Organspende geredet werden.
Deshalb will ich wie die Frau Kollegin Schulz-Asche werben. Es ist eine einfache Geschichte, wir haben Formulare dabei. Wer sich dazu bereit findet, sollte es machen; denn es kann im Notfall Leben retten.
Was die Landesregierung vorgelegt hat, ist für uns eine gute Grundlage der Diskussion. Herr Kollege Dr. Spies hat einen eigenen Antrag für die SPD-Fraktion eingebracht, der aus unserer Sicht viele Punkte enthält, mit denen wir uns anfreunden können, die wir für richtig halten. Es gibt Diskussionen über die Frage, wer Transplantationsbeauftragter in einem Krankenhaus sein soll. Ich bin der Meinung, es muss nicht unbedingt ein Arzt sein, es können auch andere Personen sein. Aber das sollten wir in der Fachdiskussion klären.
Herr Kollege Dr. Spies hat auch Punkte übernommen, die im Gesetzentwurf der Landesregierung enthalten sind. Ich denke, auch das zeigt, dass es in diesem Bereich – –
Dann scheint das kongenial gewesen zu sein, wenn SPD und Landesregierung in diesem Bereich übereinstimmen. Das ist ein positives Zeichen.
Meine Damen und Herren, es ist auf jeden Fall ein Zeichen, dass es sich lohnt, dass alle vier Fraktionen gemeinsam einen Entwurf einbringen.
Lassen Sie mich auf drei oder vier Punkte Bezug nehmen, die für uns Liberale sehr wichtig sind. Es ist wahr, dass über 12.000 Menschen, die schwer krank und vom Tode
bedroht sind, auf Wartelisten für Organspenden stehen. Wenn man diesen Bedarf decken will, kann man nicht nur über Organspenden von Toten reden. Man muss auch über Organspenden unter Lebenden diskutieren. Aus Sicht der FDP muss die rechtliche Situation deutlich verbessert werden. Es muss jede Chance genutzt werden, betroffenen Menschen zu helfen. Auf der anderen Seite – das ist das Spannungsverhältnis, in dem wir uns befinden – darf es keine Kommerzialisierung dieses Bereiches geben.
Wir wissen aus Osteuropa, dass Menschen auch aus Deutschland, die sich in einer solchen Situation befinden, versuchen, an Organe zu kommen, wenn sie das Leben retten können. Aus der Sicht der Betroffenen das natürlich nachvollziehbar. Aber aus der Sicht der Menschen, die sich in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen befinden, kann es nicht die Antwort des reichen Europas sein, zu sagen: Wir fordern zu Organspenden unter Lebenden auf. – Hier muss es klare rechtliche Konstrukte geben, einen Rahmen, in dem wir uns bewegen können.
Aus unserer Sicht ist die Zulassung von so genannten Überkreuzspenden und von anonymen Lebendspenden über einen Organpool – in den USA ist das gang und gäbe – eine Möglichkeit, wie man so etwas organisieren kann. Bei der Überkreuzspende ermöglichen zwei Paare die wechselseitige Transplantation, wenn sie aufgrund von Blutgruppenunverträglichkeit jeweils nicht dem eigenen Partner, wohl aber dem Partner eines anderen eine Leber oder eine Niere spenden können. Das ist ein Konstrukt, das unserer Meinung nach ein gewisses Vertrauensverhältnis aufbaut und bei dem keine Kommerzialisierung droht. Insofern stellt es eine Möglichkeit dar, diesen Bereich anzugehen.
Meine Damen und Herren, unserer Meinung nach sollte die so genannte Subsidiarität der Lebendspende aus dem Gesetz gestrichen werden. Es gibt zurzeit einen Vorrang der Spende von Toten. Die heutige Rechtslage führt dazu, dass, obwohl beim derzeitigen Stand der Medizin Überlebensraten dabei deutlich geringer sind, selbst dann Organe von Toten transplantiert werden müssen, wenn ein über die Gefahren aufgeklärter Ehegatte oder Verwandter ein Organ spenden will. Man sollte auf jeden Fall diskutieren, ob diese Subsidiarität richtig ist. – Der Kollege Dr. Spies winkt. Das scheint eine Zustimmung zu sein. Darüber freuen wir uns.
Wir wissen, dass jede Lebendspende von Organen mit Risiken gerade für den Spender verbunden ist. Das ist bekannt. Aber es ist auch nicht zu vernachlässigen, dass die Lebendspende oft die einzige Möglichkeit ist, um ein Leben zu retten. Oft sind Verwandte bereit, das zu machen, und sie werden durch die rechtliche Situation behindert. Ich glaube, darüber sollte man ehrlich diskutieren. Das ist nicht nur eine Forderung der FDP.Auch die Forderungen der so genannten Selbsthilfegruppen gehen in diese Richtung. Darüber sollten wir offen reden.
Meine Damen und Herren, aus Sicht der Liberalen muss jeder einzelne Mensch die Letztentscheidung über seinen Körper haben. Er muss entscheiden, was er mit seinem Körper macht. Er muss über Risiken aufgeklärt werden – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, insbesondere auch über Risiken bei Lebendspenden. Aber es muss so sein, dass
wir diesen Bereich nicht verteufeln und nicht diskriminieren; denn er kann, wie gesagt, Leben retten.
Meine Damen und Herren, die FDP tritt dafür ein, dass wir in diesem Bereich vorankommen. Die Situation ist nicht befriedigend. Das zeigt auch der Gesetzentwurf der Landesregierung. Ich denke, sie sieht es ähnlich, dass wir dort weiterkommen müssen. Die Zahlen sind nicht in Ordnung.Wir müssen in diesem Bereich mehr für die Betroffenen herausholen. Wir müssen mehr aufklären. Wir müssen in den Krankenhäusern, in den Institutionen, die mit dieser Aufklärung befasst sind, mehr Werbung für Organspenden machen. Wir haben in Hessen noch sehr viel zu tun, sowohl wir als Parlament als auch die Bürger. Lassen Sie uns gemeinsam für diesen Bereich Werbung machen. Es kann jeden selbst treffen. Es kann jeder in seiner Familie von einer solchen Situation betroffen sein. Lassen Sie uns den Betroffenen helfen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Für die Landesregierung hat sich Herr Staatssekretär Krämer zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation ist unbefriedigend, was die Spendebereitschaft in Hessen angeht.Die Zahlen sind genannt worden: 11,7 Organe pro 1 Million Einwohner im Jahr. Das ist unter dem Bundesdurchschnitt von 14,8.Wenn man sieht, dass in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern 25 Organe pro 1 Million Einwohner gespendet werden und dass auch in Süddeutschland die Spendebereitschaft höher ausgeprägt ist, dann muss man nüchtern feststellen, dass wir ein Problem haben, das angepackt werden muss.
Es gibt aus unserer Sicht zwei wesentliche Ansatzpunkte, die wir angehen müssen. Das ist zum einen die Bereitschaft der Bevölkerung, zum anderen die Mitwirkungsbereitschaft der Krankenhäuser. Ich glaube, auch dazu gibt es einen großen und erfreulichen Konsens hier im Hause.
Notwendig ist – das zeigen viele Diskussionen, die wahrscheinlich jeder von uns schon geführt hat – eine Enttabuisierung der Thematik.
Frau Abg. Oppermann hat sehr deutlich gemacht, dass es um existenzielle Fragen geht, mit denen man sich auseinander setzen muss. Heute ist es häufig so – weil nur 10 % der Bevölkerung einen Ausweis haben und damit ihren Willen bereits rechtzeitig erklärt haben –, dass sich die Frage an die Angehörigen richtet, wenn der Hirntod eingetreten und festgestellt ist. Das geschieht in einer Situation, in der Menschen zunächst einmal mit dem Verlust eines lieben Menschen fertig werden müssen, in der sie sehen – es sind medizinische Laien, wie viele von uns –, dass noch Apparate blinken, obwohl der Arzt ihnen sagt, der Mensch ist tot, und das ist unumkehrbar.Aber der Funke Hoffnung durch die noch blinkenden Apparate ist bei vielen die Ursache dafür, zu sagen: Nein, wir haben vorher nie darüber geredet;ich weiß nicht,wie mein verstorbener Angehöriger das vorher beurteilt hat.
Deswegen ist der Ansatzpunkt, das Thema zu enttabuisieren und bereits zu Lebzeiten zum Gespräch zu machen, ganz wichtig. Dazu wird auch die Kampagne, die Frau Sozialministerin Lautenschläger und Herr Ministerpräsident Koch am Montag dieser Woche vorgestellt haben, einen wichtigen Beitrag leisten.Auch die Tatsache, dass sich Prominente aus allen Teilen der Gesellschaft dafür zur Verfügung gestellt haben, das öffentlichkeitswirksam zu unterstützen, wird dazu einen Beitrag leisten.
Aber mindestens ebenso wichtig ist das nachhaltige Mittun etwa der Selbsthilfeorganisationen. Denn kaum einer kann glaubwürdiger über den Sinn, die Risiken und die Chancen von Organspenden reden als jemand, der betroffen ist. Kompetenz kommt immer auch von Betroffenheit. Deswegen haben wir auf die Mitwirkung der Selbsthilfeorganisationen bei der Anlage unserer Kampagne ganz entscheidenden Wert gelegt.
Wir sind auch dankbar dafür, dass praktisch alle Ministerien der Landesregierung mit Beiträgen in ihren eigenen Verantwortungsbereichen mittun. Das Kultusministerium unterstützt schon seit Jahren vorbildlich die Anstrengungen der Initiative Organspende Hessen. Ich selbst hatte im Jahr 2004 die Gelegenheit, an einer Diskussion an einer Wiesbadener Schule teilzunehmen,und war fasziniert, mit welcher Offenheit, mit welchem Engagement, aber auch mit welcher Kenntnis Oberstufenschüler aus Wiesbaden mit Vertretern der Organspende Hessen, mit Ärztinnen und Ärzten diskutiert haben.
Das ist der eine Teil, und der Kampf in diesem Bereich ist nicht einfach. Denn wir haben es nicht nur mit existenziellen Fragen zu tun. Wir kämpfen auch ein bisschen einen Kampf gegen mediale Wirkungen, die ich nicht kritisieren will – es soll keine Medienschelte werden –, die ich aber aus Diskussionen im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis genau kenne. Da gibt es reißerische Spielfilme – Rainer Erlers „Fleisch“ war der erste, dann der amerikanische Film „Coma“, der immer wieder einmal im deutschen Fernsehen gespielt wird –, die Organhandel sehr reißerisch darstellen und die Ängste auslösen können. Diese Bilder sind manchmal einprägsamer als die Informationsarbeit, die wir leisten können. Das heißt, wir müssen immer wieder sehr nachhaltig dagegen antreten, um diese Wirkung zu konterkarieren.
Ich bin deshalb auch den Abgeordneten aller Fraktionen des Landtags sehr dankbar, die an dem Stand des Sozialministeriums während des Hessentages durch ihre Präsenz bei Informationsangeboten der Initiative Organspende Hessen, durch Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern und auch durch das Bekenntnis des eigenen Organspendeausweises deutlich gemacht haben, dass dies ein Thema ist, bei dem man über Nuancen von gesetzlichen Regelungen trefflich diskutieren kann,aber im Ziel über alle politischen Grenzen hinweg einen hohen Konsens hat. Das war hilfreich und ist auch von den Selbsthilfeorganisationen – so im Gespräch mir mitgeteilt – als sehr gute Unterstützung angesehen worden. Deshalb Dank allen, die an unserem Stand mitgetan haben.
Das zweite Thema ist die Mitwirkungsbereitschaft von Krankenhäusern. In der Tat, nur zwischen 40 und 50 % der Krankenhäuser mit Intensivstationen nehmen durch Meldungen an der Organspende teil. Bereits im Jahr 2000 haben wir mit unserem Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz die Position des/der Transplantationsbeauftragten eingeführt. Wir müssen aber feststellen – da sind wir in der Analyse nicht auseinander –, dass ganz offensichtlich die Unterstützung, die die Transplantations
Deswegen haben wir in den Eckpunkten für unseren Gesetzentwurf, den wir, da die Regierungsanhörung nach dem ersten Kabinettsbeschluss eingeleitet ist, am 23. Mai dieses Jahres den Fraktionen zugeleitet haben, eine entsprechende Stärkung der Stellung der Transplantationsbeauftragten vorgesehen, genauso wie andere Maßnahmen, die wir für notwendig halten, z. B. die Konkretisierung von Zuständigkeiten, um sicherzustellen, dass sich Institutionen des Gesundheitswesens ihrer Verantwortung für die Organspende bewusst werden und sich verstärkt und nachhaltig in der Öffentlichkeitsarbeit engagieren.
Die Einführung von schriftlichen Handlungsanweisungen für den Prozess der Organspende, die von der Leitung des Krankenhauses, die wir damit ganz bewusst einbinden, als verbindlich erklärt werden müssen, oder auch die Einführung einer Dokumentationspflicht für medizinisch definierte Fälle dienen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung.
Wir sind ein bisschen skeptisch und befürchten, dass das, was die Kolleginnen und Kollegen der SPD in ihrem Gesetzentwurf an Berichtspflicht vorgelegt haben, bei dem wir das Ziel durchaus erkennen, ein ungeeignetes bürokratisches Instrument ist.
Wir glauben auch, dass es falsch wäre, Menschen, die heute schon als Transplantationsbeauftragte in unseren Krankenhäusern hervorragende Arbeit leisten, die an leitender Stelle in der Intensivpflege tätig sind, zu demotivieren, indem wir ihnen jetzt in einem Gesetz sagen würden,es gehe nur durch ärztliches Personal.Das hielten wir für falsch. Ich hatte vergangene Woche die Chance, mit 60 hessischen Transplantationsbeauftragten zu diskutieren. Da waren überwiegend Damen, aber auch einige Herren dabei, die in der Pflege tätig waren, die sehr engagiert, sehr kompetent und mit großem Einsatz ihre Aufgabe wahrnehmen. Es wäre schade, ihnen den Stuhl vor die Tür zu stellen. Ich glaube nicht, dass Sie das wollen.Aber dieser Punkt Ihres Gesetzentwurfs wird von uns außerordentlich skeptisch gesehen.
Wir haben auch Bedenken, ob die Schadensregelungen, die Sie vorsehen, nicht mit dem Staatshaftungsrecht – und damit Bundesrecht – und auch dem Sozialrecht auf Bundesebene kollidieren.
Wir werden über diese Themen im Ausschuss und in Anhörungen breit diskutieren.Unser Gesetzentwurf wird Ihnen nach Abschluss der Regierungsanhörung und dem zweiten Kabinettsdurchgang zugeleitet werden. Wir freuen uns auf die Diskussion darüber. Denn ich glaube, im Ziel sind wir uns einig: Die schlechte Zahl von 11,7 Organspenden pro 1 Million Einwohner in Hessen muss nachhaltig angehoben werden. Wir müssen über den Bundesdurchschnitt kommen, das muss die Benchmark sein. Das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig. Es ist unerträglich – ich weiß, wovon ich rede, weil ein guter Freund von mir die Wartezeit nicht überstanden hat –, wenn immer noch Menschen in unserem Land in der Hoffnung, in der Verzweiflung leben und am Ende sterben, nur weil es nicht genug Spenderorgane gibt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gute Rede!)
Vielen Dank, Herr Krämer. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der ersten Lesung angelangt.
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Weiterbildungsgesetzes und des Hessischen Gesetzes über den Anspruch auf Bildungsurlaub – Drucks. 16/5659 zu Drucks. 16/5276 –
Hierzu wird aufgerufen: Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 16/5685, und der Änderungsantrag der Fraktion der FDP – –
Die sind zurückgezogen? – Es sind alle zurückgezogen außer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP, Drucks. 16/5725.
Dann rufe ich den Gesetzentwurf und diesen einen Änderungsantrag auf. Zur Berichterstattung hat zunächst Herr Kollege Klein das Wort. Fünf Minuten Redezeit – das gilt aber nicht für den Berichterstatter, hoffe ich.