Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

Das Problem sitzt auf der Regierungsbank. Es ist der Minister, der keine Ideen und keine Substanz hat. Das ist das Problem der hessischen Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte jetzt wieder auf den Antrag der SPD-Fraktion zu sprechen kommen. Sie fordern die Rücknahme der Trennung der monetären und der nicht monetären Wirtschaftsförderung. Wenn die Wirtschaft und der Mittelstand momentan eines brauchen, dann ist das Ruhe. Sie brauchen klare Ansprechpartner und Hilfen, um sich in den schwierigen Strukturen zurechtzufinden. Hinsichtlich der Hessen-Agentur haben wir im Moment arge Zweifel, wie effektiv sie überhaupt arbeitet.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen, dass die Hessen-Agentur immer noch nicht wirklich arbeitsfähig ist. Meiner Ansicht nach würde mit einer erneuten radikalen Organisationsänderung das Chaos aber nur noch vergrößert werden. Deshalb glaube ich, wir sollten gemeinsam ein Interesse daran haben, dass die Hessen-Agentur wirklich arbeitsfähig wird.Die Strukturen, die es dort gibt, müssen durchsichtiger werden.Wir, die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben deshalb auch einen Antrag gestellt, der zum Ziel hat, dass die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und der Hessen-Agentur durchleuchtet werden.

Frau Tesch hat schon ausführlich auf die Aufgaben hingewiesen. Nichtsdestotrotz fragen wir uns, ob auch der Chef

der Hessen-Agentur angesichts der wirtschaftlichen Probleme, die das Land hat, nichts anderes zu tun hat, als noch alle möglichen ehrenamtlichen Pöstchen zu übernehmen, sich das also sozusagen an die Brust zu heften.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das erweckt den Eindruck, dass er die Kernaufgaben nicht ernst nimmt und die alarmierenden Zeichen aus diesem Land immer noch nicht erkannt hat.

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie in Moskau mit ihm darüber gesprochen?)

Meine Damen und Herren der SPD, Sie fordern die Einrichtung einer Verbindungsstelle, eines Mittelstandsbeirats, einer Projektgruppe und die Einführung eines Kompetenznetzwerks. Ich glaube, alle Mitglieder dieses Hauses teilen die Ziele, die diese Gremien verfolgen sollen. Ich frage Sie jetzt ganz im Ernst: Meinen Sie, bei uns mangelt es an Stellen, Beiräten, Gruppen und Netzwerken? – Ich glaube, jeder kleine und mittelständische Unternehmer wird Ihnen sagen, er habe kaum die Zeit, sich mit solchen Institutionen zu beschäftigen, er müsse sich um etwas anderes kümmern.

Wir sollten deshalb eher überlegen, welche der bestehenden Einrichtungen diese Aufgaben wahrnehmen kann. Wir sollten keine neuen Gremien und Netzwerke gründen.

Ich möchte das an einem Beispiel erläutern. Es gibt bereits zahlreiche lokale und regionale Einrichtungen zum Technologietransfer. Dazu herrscht ein reger Austausch der Hochschulen.Teilweise reicht das auch über die Grenzen der Länder hinaus. Die sind da sehr aktiv. Ich weiß aber nicht, was es noch bringen soll, dafür eine weitere Institution zu schaffen. Ich glaube, das wäre kontraproduktiv.

Genauso verhält es sich hinsichtlich des Vorschlags, einen Mittelstandsbeirat einzurichten. Es gibt sehr viele Vertretungen mittelständischer Unternehmen. Ich glaube, wir sollten mit denen weiterhin im Gespräch bleiben und keine neuen Institutionen schaffen.

Wichtig ist sicherlich auch, unnötige bürokratische Hemmnisse abzubauen. Ich möchte an dieser Stelle das Wort „unnötig“ gerne unterstreichen. Ich finde es sehr entlarvend, dass die CDU-Fraktion in ihrem Dringlichen Antrag nicht den Mut hatte, mitzuteilen, was Sie zum Abbau der Bürokratie an Gesetzen und Verordnungen gestrichen haben. Da ist es doch entlarvend, dass Sie nicht mitteilen, wie viele Gesetze und Verordnungen den Bereich der Wirtschaft betreffen. Vielmehr haben Sie die ganz allgemeine Zahl für Hessen genommen, die die Hessische Landesregierung mitgeteilt hat. Sie sagen aber nicht konkret, was Sie für die Wirtschaft gemacht haben.

Für uns GRÜNEN ist natürlich klar, dass wir immer sorgsam auf die umweltpolitisch und sozialpolitisch notwendigen Regelungen achten, darauf also ein Auge haben. Denn diese Regelungen müssen natürlich weiterhin Bestand haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessant ist der Vorschlag aus dem Antrag der SPDFraktion, eine Task-Force bei der Hessen-Agentur einzurichten, die Unternehmen unterstützen soll, denen eine Insolvenz droht. Diesen Vorschlag halten wir für sinnvoll und unterstützenswert. Das ist sozusagen eine Schuldnerberatung für Unternehmen.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, das gibt es alles schon!)

Ich bin gespannt, wie sich die Landesregierung dazu positionieren wird. Denn zur Schuldnerberatung haben Sie ein sehr gespaltenes Verhältnis, um nicht zu sagen: Sie haben sie rasiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen die Mittelstandspolitik aber auch in einem breiteren Zusammenhang diskutieren. Es gibt zahlreiche Engpassfaktoren, die die Entwicklung mittelständischer Unternehmen und auch diejenigen bremsen, die sich ihre Existenz aufbauen wollen.Solche Engpassfaktoren sind z. B. die Finanzierung, also die Beschaffung des Kapitals, die Personalgewinnung, also die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und, drittens, die Marktzutrittsbarrieren, also der Zugang zu den Absatzmärkten.

Natürlich bemühen sich die Förderbanken des Bundes und des Landes, also die Kreditanstalt für Wiederaufbau, mithin die Mittelstandsbank, und die Investitionsbank Hessen, darum, innovativen Unternehmen den Start neuer Produkte und Produktionstechniken zu finanzieren. Natürlich nehmen auch die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken ihre da bestehenden Aufgaben wahr.Trotz allem klagen viele,die sich eine Existenz gründen wollen, Freiberufler und Handwerker, darüber, dass ihnen die Banken Kredite in ausreichendem Umfang verwehren.In den vergangenen Jahren erschien es manchmal sogar so, dass bestimmte Banken ganze Branchen nicht mehr als kreditwürdig erachteten.

Es geht aber nicht nur um bestimmte Branchen.Auch das Geschlecht kann ein Hindernis für Kreditwürdigkeit sein. Gerade Frauen, die Unternehmen gründen wollen, bekommen oft Steine in den Weg gelegt. Nach allen Untersuchungen ist das aber völlig unbegründet. Denn Kredite werden von Frauen mit wesentlich größerer Zuverlässigkeit zurückgezahlt, als das bei Krediten der Fall ist, die an Männer vergeben werden. Also auch auf diesem Gebiet gibt es einiges zu tun.

Herr Kollege Hahn, da können Sie gerne lächeln. Dass es die FDP nicht so mit der Frauenförderung hat, wissen wir genau.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Silke Tesch (SPD))

Ich glaube aber, wir sind angesichts unserer Situation auf viele innovative Ideen angewiesen, um wirtschaftlich voranzukommen. Ich glaube, dass Frauen dazu einen wesentlichen Teil beitragen könnten. Herr Hahn, wenn die Mitglieder der FDP-Fraktion das anders sehen, können Sie es sagen.

Wir sollten die Gelegenheit nutzen, gegenzusteuern. Das sollte z. B. auch bei der Novellierung des Hessischen Sparkassengesetzes geschehen,indem wir den gemeinnützigen Auftrag der Sparkassen festschreiben. Wir müssen aber auch mehr Transparenz schaffen, sowohl hinsichtlich der Strukturen, die es bei den Sparkassen gibt, als auch beim regionalen Mittelstand. Wir sollten auch mehr Transparenz bei den Aufsichtsräten und Vorständen schaffen, damit dort jenseits der Notwendigkeiten der Parteien, Personen zu versorgen, mehr kompetente Personen sitzen. Das würde der Bereitschaft, innovationsfreudige Projekte zu unterstützen, sicherlich dienlich sein.

Zum Engpass Personal weise ich nur auf die hessische Bildungspolitik hin. Wir haben sie oft genug diskutiert. Wir haben zwar ein duales Ausbildungssystem, aber wir haben ein Schulsystem, das ganz stark aussortiert, und dadurch geht der hessischen Wirtschaft viel an Leistungskraft insgesamt verloren.

Wir haben hier schon oft über den Ausbildungspakt gesprochen. Dieser müsste dieses Jahr dringend inhaltlich verbessert werden. Wir erwarten dort einen substanziellen Beitrag der Landesregierung. Nachdem Sie immer erklärt haben, die Ausbildungsumlage sei des Teufels, erwarte ich von Ihnen endlich Vorschläge, wie Großunternehmen in die Ausbildung einbezogen werden können. Denn Sie schwächen den Mittelstand, der aus sozialer Verantwortung und mit dem nötigen Weitblick ausbildet, und das mit hohem finanziellen und personellen Aufwand. Die Großbetriebe übernehmen diese Investition gern. Das ist eine Schieflage, bei der jenseits der Appelle von Ihnen Engagement gefragt ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss.

Ich habe schon auf den Kollegen Williges hingewiesen, der begründet hat, warum Sie nichts tun und warum die kleinen und mittleren Unternehmen Ihrer Ansicht nach in Ruhe gelassen werden sollen.

Der CDU-Antrag ist eher peinlich; denn wenn das die Leistungsbilanz des hessischen Wirtschaftsministers ist, dann ist das äußerst dünn für die Zeit, die er schon hier an der Arbeit ist.Aber er wird sich gleich wieder hierhin stellen und erklären, was er heldenhaft tut.

(Michael Boddenberg (CDU):Was haben Sie denn erwartet?)

Denn das ist das, was wir momentan von der hessischen CDU kennen, sowohl von der Fraktion als auch von Regierungsseite: ein Hühnerhaufen, Hauptsache rauf auf den Mist, stets krähen, und die Himmelsrichtung ist egal. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Kollegin Ruth Wagner das Wort.

Frau Kollegin, ich habe mich gemeldet, weil Sie Museumsbesuche als „Damenprogramm“ diffamiert haben

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

und weil ich glaube, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, welche ökonomischen Wirkungen Kulturpolitik in einem Land hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Ich möchte zunächst sagen: Wer glaubt, eine Partei, die sich für beides einsetzt, zu diffamieren, indem er sagt, uns liege nichts an Frauenförderung, der sollte sich zunächst einmal darüber klar werden,was er eigentlich will.Wir haben seit vielen Jahren, und zwar exakt seit der Wirtschaftspolitik von Heinz Herbert Karry – 25 Jahre ist das her –, Außenwirtschaftspolitik, die er begründet hat, auf die Michael Denzin nachher im Einzelnen noch einmal eingehen wird und die dazu geführt hat, dass wir Verbindungen nach China, nach Russland, zu den arabischen Staaten, nach Südamerika hatten,

(Axel Wintermeyer (CDU): Sehr richtig!)

die andere Wirtschaftsminister vorher nie in Gang gesetzt hatten.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Dazu gehörte immer Kultur.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Sehr gut! – Gegenruf der Abg. Silke Tesch (SPD): Da waren Sie doch gar nicht an der Regierung!)

Jetzt will ich Sie fragen: Was ist daran falsch, wenn der Kasseler Kunstverein mit der Firma Wintershall eine große Ausstellung zu Katharina der Großen nach Kassel gebracht hat, mit Tausenden von Besuchern? Was ist daran falsch, dass wir im Jahr 2000 zur Zeitenwende die größte Ikonenausstellung Russlands in Europa in Kassel im Friedericianum gezeigt haben? Sie haben immer noch nicht verstanden, dass Kultur ein enormer Wirtschaftsfaktor ist.

Wir haben mit dem ersten Kulturbericht in der letzten Legislaturperiode und Herr Corts hat mit dem zweiten dargestellt, dass 1 c Investition 2,5 c auf Arbeitsplätzen in der Wirtschaft, in der Gastronomie, in der Werbung herbeiführt.