Zur Einbringung des Gesetzentwurfes darf ich Herrn Dr. Wagner, Fraktionsvorsitzender der CDU, das Wort erteilen.Vereinbarte Redezeit: 15 Minuten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für jeden, der verantwortungsbewusst für unsere hessischen Hochschulen denkt und handelt, steht fest: Kein Weg führt an der Erhebung von Studienbeiträgen vorbei.
Erstens. Studienbeiträge kommen zum ganz überwiegenden Teil den Hochschulen unmittelbar zugute. Das bedeutet nachhaltige Verbesserung der Lehre und der Betreuungsintensität der Studenten, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeiten der hessischen Hochschulen im nationalen und internationalen Vergleich.
Zweitens.Wir wenden durch die Einführung von Studienbeiträgen den Schaden von den hessischen Hochschulen ab, der entstehen würde, wenn wir im Gegensatz zu anderen Bundesländern in Hessen keine Studienbeiträge erheben würden.
Drittens. Es ist eine gesellschaftspolitisch notwendige Gerechtigkeit, dass sich der Student an den Kosten seines Studiums beteiligt – gerade angesichts der hohen Summen, die der Steuerzahler für jedes einzelne Studium aufwendet.
Viertens. Die Erhebung von Studienbeiträgen hindert keinen Studenten daran,auch nicht aus materiellen Gründen, zu studieren.
Lassen Sie mich das im Einzelnen ausführen. Was geschähe, wenn wir nicht handeln würden? Wir wissen alle, dass es inzwischen eine große Anzahl von Bundesländern gibt, die Studienbeiträge einführen werden, schon längst geplant haben, teilweise schon beschlossen haben. Ich nenne die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Saarland. Was würde geschehen, wenn wir auf diese Entwicklung nicht reagieren würden? – Unsere Hochschulen in Hessen würden vor Studenten aus anderen Bundesländern überlaufen.
(Petra Fuhrmann (SPD): Ihr wollt doch die Attraktivität der Hochschulen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Wir würden eine Sogwirkung ausüben, weil das Studium in Hessen im Gegensatz zu anderen Bundesländern beitragsfrei wäre. Das würde – das will ich klar und deutlich sagen, und das vergessen Sie in Ihrer Argumentation immer wieder – zu einer Benachteilung der in Hessen studierenden Studenten führen.
(Petra Fuhrmann (SPD): Nicht zu fassen! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach, du ahnst es nicht!)
Es würde entweder zu einer Verschlechterung der Studienbedingungen führen, oder wir wären gezwungen, einen Numerus clausus einzuführen. Beides können wir nicht wollen. Das sieht der Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck, ganz genauso.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung will von 2007 an Studiengebühren für Studenten ohne Hauptwohnsitz in dem Bundesland einführen,
falls es nicht zu einem neuen Lastenausgleich der Länder in der Studienfinanzierung kommt. Demnach sollen alle Studienanfänger, die ihren ersten Wohnsitz in einem anderen Bundesland haben, 500 c pro Semester an die Hochschulen zahlen.
Meine Damen und Herren, ich prophezeie Ihnen jetzt schon, dass dieser Weg, dass nur Rheinland-Pfälzer frei bleiben, verfassungsrechtlich nicht gehen wird.
Ich prophezeie, dass in den nächsten Monaten RheinlandPfalz genau denselben Weg gehen wird, den wir jetzt in Hessen gehen.
Ich füge hinzu: Studienbeiträge sind im internationalen Vergleich seit langem üblich. Das ist in vielen Ländern überhaupt kein Thema. Ich nenne die Schweiz, Italien, die Niederlande, England,Australien, Japan, die USA
ich könnte beliebig fortfahren – mit Studiengebühren, die teilweise erheblich höher als das liegen, was wir vorschlagen.
Meine Damen und Herren, deshalb ein klares Fazit: Sowohl national als auch international führt kein Weg an der Einführung von Studienbeiträgen vorbei. Ich füge hinzu – ich habe es bereits vorhin in einem ersten Stichwort gesagt –: Es ist auch ein Akt der gesellschaftspolitischen Gerechtigkeit.
Das werde ich Ihnen auch begründen. Studienbeiträge sind aus gesellschaftspolitischer Perspektive nicht nur zumutbar, sondern wünschenswert.Wir wissen, was ein Studienplatz kostet: bei den Sozialwissenschaften etwa 25.000 c, bei den Ingenieurwissenschaften etwa 80.000 c, in der Zahnmedizin etwa 150.000 c. Deshalb finde ich es sozial gerecht, wenn wir von den Studenten, die anschließend mithilfe ihres Studiums auch mehr Geld verdienen,
Die Summe, um die es geht, steht in keinem Verhältnis zu den Kosten, die der Steuerzahler für einen Studienplatz aufbringt. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang an den Handwerksmeister erinnern, der seine Ausbildung selbst hat bezahlen müssen – bis zu 10.000 c.
Lassen Sie mich an die Krankenschwester erinnern, die ihre eigene Ausbildung bezahlen muss und anschließend mit ihren Steuern den Medizinstudenten finanziert, der als Arzt wesentlich mehr als die Krankenschwester verdient.
Meine Damen und Herren, das ist so sinnfällig, so zwingend, dass ich überhaupt nicht verstehen kann, wie Sie sich unserer Argumentation entziehen wollen.
Ich will klar und deutlich sagen: Jeder junge Mensch – ich werde es immer wiederholen, weil Sie das Gegenteil von dem behaupten – kann studieren, wenn er es will. Es gibt mit unserem Konzept keine soziale Auslese oder soziale Ausgrenzung.
Ich wiederhole es: Jeder junge Mensch kann unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ein Studium aufnehmen.
(Beifall bei der CDU – Andrea Ypsilanti (SPD): Dann fragen Sie doch einmal die jungen Menschen! – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Keine Ahnung!)
Deshalb ist es geradezu Unsinn, zu behaupten, Studienbeiträge schreckten von der Aufnahme eines Studiums ab.
Lassen Sie mich Ihnen mit wenigen Sätzen meine eigene Situation vortragen. Ich habe einen großen Teil meines Studiums als Hilfsarbeiter auf dem Bau und als Briefträger verdient. Als ich anschließend im Examenssemester nicht mehr in der Lage war, Geld zu verdienen, bin ich zum Staat gegangen und habe dort – das hieß damals „Honnefer Modell“ – ein Darlehen bekommen. Ich habe dieses Darlehen nach dem Examen und nach Aufnahme meines Berufes in kleinen Schritten zurückgezahlt.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mussten Sie Studiengebühren zahlen? – Zurufe von der SPD)