Anfang dieses Jahres – um einmal die tatsächliche Entwicklung der Nachfrage der Eltern darzustellen – hat das DJI eine Elternbefragung gemacht und festgestellt, dass im letzten Jahr die Nachfrage nach Plätzen bei den unter Dreijährigen angewachsen ist. Nach dieser Berechnung würden in Hessen 37.000 Plätze für die unter Dreijährigen fehlen. Dieses BAMBINI-Programm bringt uns an die Lösung der Probleme nicht heran. Es ist eine Riesenschaumschlägerei, mit der Sie versuchen, die Kommunen zu Sachen zu zwingen, die Sie mit einer vernünftigen Diskussion, mit einer vernünftigen Planung und mit einer vernünftigen Umverteilung im kommunalen Lastenausgleich durchaus herstellen könnten. Aber so, wie Sie es hier machen, sich hierhin zu stellen, das als Ihre eigenen Geschenke darzustellen und die Kommunen dafür zu beschimpfen, wenn sie die Regelungsart kritisieren, ist das Arroganz der Macht. Das hat mit Familienpolitik, wie wir sie uns vorstellen, überhaupt nichts mehr zu tun. – Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Als nächster Rednerin erteile ich Frau Fuhrmann von der SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Langsam ist das Klima hier ziemlich unerträglich. Das finde wahrscheinlich nicht nur ich.
Meine Damen und Herren, es freut mich sehr, dass die CDU zumindest Teile der politischen Forderungen der SPD-Fraktion aufgenommen hat. Das freut uns ausdrücklich.
Denn das Ganze, was Sie hier veranstalten, ist ein SPDBaby, aber Sie wickeln es an den Füßen statt am Popöchen. Das ist in dieser Geschichte leider der Fall.
Wir haben das Konzept lange vor der letzten Landtagswahl, im Jahre 2002 – der Kollege Bökel erinnert sich besonders daran, weil es auch sein Baby war –, erarbeitet, aus der Taufe gehoben und dabei vorgesehen, dass das letzte Kindergartenjahr quasi als Vorschuljahr zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung beitragen und damit selbstverständlich auch Freistellung der Eltern von den Gebühren erfolgen müsse. Aber da war der kleine Unterschied: Wir haben dafür Landesmittel vorgesehen, das war unser Programm.
Wir haben dazu in der jetzt laufenden Legislaturperiode mehrere Anträge gestellt: Antrag betreffend Konsequenzen aus dem Bildungs- und Erziehungsplan, Antrag betreffend Freistellung des letzten Kindergartenjahres, der heute als Beschlussempfehlung aufgerufen ist, und unseren Haushaltsantrag zur Freistellung von Gebühren zum letzten Landeshaushalt. All dies hat die CDU-Landtagsfraktion mit ihrer absoluten Mehrheit unisono abgelehnt, zuletzt letzte Woche im Ausschuss, nachdem Sie Ihr Programmchen verkündet hatten.
Jetzt gibt es nach über vier Jahren in der Frage eine Sturzgeburt, eine völlige Abkehr von Ihrer eigenen Argumentationslinie, die wir überall hören konnten.
Sie schmücken sich wieder einmal mit fremden Federn, denn nicht das Land macht die Mittel locker. Die finanzielle Last sollen die Kommunen tragen. Von den angekündigten 110 Millionen c sind gerade einmal 10 Millionen c aus dem Landeshaushalt. Die standen allerdings schon drin. Das war die Offensive für Kinderbetreuung. Insofern ist kein einziger Euro mehr Landesgeld in diesem Topf.
Es bleibt immer noch dabei,dass die Landesregierung nur noch bei einem Drittel der Mittel ist,die wir im hessischen Landeshaushalt unter rot-grüner Regierungszeit zum
Thema Kinderbetreuung hatten – keinen Cent mehr. Dieses Finanzierungskonzept hat zu Recht sofort zu größeren Protesten geführt. Ich kann ein paar zitieren. Die CDUBürgermeisterin Frau Brigitte Erb sagte: Das Land lässt sich feiern, aber wir bezahlen es. – Hünfelds Chef Dr. Fennel, ebenfalls CDU, findet Ihre Lösung – sprich: das Finanzierungskonzept – eine Mogelpackung.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darm- stadt) (FDP))
Das Land gebe mit der rechten Hand, was es den Kommunen mit der linken Hand nehme. – Dieter Schlempp, Direktor beim Hessischen Städtetag, ebenfalls CDU, spricht vom Angebot, „mit meinem Geld etwas zu machen, was man mir vorher weggenommen hat“. – Ich könnte eine Vielzahl ähnlicher Kommentare vorlesen. Ich möchte aber noch einen Kommentar zitieren, den ich beschämend für Sie – aber letztlich fällt alles auf uns Politikerinnen und Politiker zurück – finde.
Dass man vermeintliche Erfolgsmeldungen von Politikern mit Misstrauen begegnen sollte, ist ein ziemliches Vorurteil.
Schlimm ist aber auch, dass es immer wieder Politiker gibt, die dieses Vorurteil bestätigen. Jüngstes Beispiel ist Hessens Sozialministerin Lautenschläger (CDU).
Gemeint ist Ihre Mogelpackung, die vor allem zulasten der größeren Städte mit hoher Arbeitslosigkeit geht.
(Beifall bei der SPD Trotz solch deutlicher Worte stellt sich die Landesregie- rung hin und erklärt, dieses Geld würden die Kommunen schließlich bei der Sozialhilfe einsparen, da etliche Aufga- ben auf den Bund übergingen. Das stimmt zwar, hat aber völlig unterschiedliche Auswirkungen auf den unter- schiedlichen kommunalen Ebenen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)
Frau Lautenschläger, ich hätte gerne einmal eine Rechnung, wie hoch die Einsparungen sind, und vor allen Dingen, wo sie anfallen. Zum Teil haben Sie in letzter Zeit sogar behauptet, es gäbe gar keine Einsparungen. Was stimmt nun? Das ist aber nicht allein der Punkt. Der Vorwurf, den Ihnen die Vertreter der Kommunen und auch wir als SPD machen, sind die Rechen- und Verschleierungstricks, derer Sie sich bedienen und die nicht jeder durchschaut. Ich werfe Ihnen vor, dass Programm und Finanzierung nicht einmal mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt waren.
Das ist Politik nach Gutsfrauenart.Wir sind nicht im Feudalismus. Das habe ich an dieser Stelle vor kurzem schon einmal gesagt. Ich sage Ihnen: Sie tun so, als täten Sie etwas. In Wirklichkeit tun Sie aber absolut nichts. Die Idee ist nicht von Ihnen – das habe ich Ihnen vorhin dargestellt –, und das Geld ist auch nicht von Ihnen, also eine klassische Mogelpackung.
Herr Kollege Reißer hat das, was hier auf dem Tisch liegt, so nett begrüßt. Ich möchte gern zitieren, was Sie zu dem Antrag auf Gebührenfreiheit, den wir im Oktober 2005 vorgelegt haben, sagten. Damals waren Sie noch der Auffassung, dass man den Kommunen die Finanzierung unmöglich aufbürden könne,weil es diese vor gewaltige Probleme stellen würde und dazu – wörtliches Zitat – „ein massiver Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“ wäre. So etwas – wörtliches Zitat – „kann kein ernst gemeinter Beitrag sein“. Das waren Ihre Worte. Herr Kollege, heute erzählen Sie uns das genaue Gegenteil.
Es wäre in der Tat wesentlich glaubwürdiger, wenn das Land wenigstens zum Teil eigenes Geld für diesen Fonds zur Verfügung stellte, statt lediglich fremdes Geld umzuverteilen. Ich denke, das ist die übliche Pseudopolitik der Hessischen Landesregierung.
Die Finanzierung war aber nicht die einzige Begründung, die vorgetragen wurde, um unseren Antrag auf Gebührenfreiheit abzulehnen. In der Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses im November 2005 lehnten Sie die Einführung eines beitragsfreien Jahres vehement ab, weil, wie die Kollegin Ravensburg meinte, die CDU nicht erst beim letzten Kindergartenjahr, sondern schon früher ansetzen wolle. Frau Ministerin Wolff vertrat die Ansicht – wörtliches Zitat –, „damit würde aber dem letzten Kindergartenjahr bzw. dem Kinderschuljahr eine besondere Bedeutung und damit eine Abgrenzung zu den anderen widerfahren“.Das war eine Ablehnung auf der ganzen Linie.
Das war abwegig und an den Haaren herbeigezogen. Es sind Ihnen einfach keine Argumente eingefallen, mit denen Sie unseren Antrag hätten ablehnen können.
Jetzt erleben wir die völlige Umkehr aller Argumente; nun gut. Aber wir wollen uns das Programm BAMBINI noch ein bisschen genauer ansehen. Im Zusammenhang mit dem Bildungs- und Erziehungsplan und anderem hätten Sie die Gelegenheit zu einem großen Wurf gehabt. Aber es ist wieder nur ein Würfchen geworden. Sie zahlen den Kommunen 100 c für einen Halbtagsplatz – mit kommunalem Geld. Was die Krippen betrifft, so gibt es wenigstens 200 c für einen Ganztagsplatz. Warum sagen Sie das bei den Kindertagesstättenplätzen für Drei- bis Sechsjährige nicht? Sie wissen genau, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Eltern unmöglich wird, wenn es nur Halbtagsplätze gibt.
Sie nennen das Programm „BAMBINI“. „BA“ steht für „Betreuungsplätze ausbauen“.Aber Sie bleiben jede Antwort auf die Frage schuldig, woher ein Ausbau der Betreuungsplätze kommen soll. Sie fördern vorhandene Plätze und entlasten damit freundlicherweise die Eltern. Für die Eltern ist das ein hervorragender Plan. Aber welche Kommune wird zusätzliche Plätze schaffen, wenn sie ihr eigenes Geld verteilt hat? Ausbau der Betreuungsplätze,Ausweitung der Betreuungszeiten,Beitrag zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung, Verbesserung der Qualität – nichts davon ist mit diesem Programm verbunden.
„INI“ steht für „in Nachwuchs investieren“. Ihre Investition besteht allein darin, dass Sie die Eltern der Kinder entlasten. Das ist für die Eltern sehr schön, und wir freuen uns; aber es löst keine einzige Investition aus.Auch das ist eine Mogelpackung.
Unter Investitionen in den Nachwuchs verstehen wir etwas anderes: mehr Investitionen in das Personal, mehr Investitionen in die Ausstattung – Stichwort: PCs, Bildungsinitiative Schlaumäuse – und mehr Investitionen in die Aus- und Fortbildung der Erzieherinnen. All das ist notwendig, aber dazu braucht man zusätzliches Geld.
Kindertagesstätten sind nicht nur Betreuungsstätten, sondern auch Erziehungsstätten. Wir brauchen ausgefeilte Sprachprogramme, und wir können die Integration fördern. Das beitragsfreie letzte Jahr ist ein wichtiger Schritt, um alle Kinder in die Kindergärten zu bringen und dort fit zu machen.
Kindertagesstätten sind ein wichtiger Ort, um soziale Kompetenzen zu erlernen. Die Kinder sollen dort sprachlich gefördert werden. Die Kindertagesstätten sind auch ein Ort für die musikalische Früherziehung. All das sind wichtige Ziele.Wir sind uns einig, dass Kinder früher und besser gefördert sowie optimal auf die Schule vorbereitet werden müssen. Da muss mehr geschehen, als das bisher in Hessen der Fall ist.
Ich komme gleich zum Schluss. – Der Bildungs- und Erziehungsplan, der bereits erprobt wird, ist gut. Das haben wir an dieser Stelle mehrfach gesagt. Aber man hätte sowohl den Trägern als auch den Schulen zur Umsetzung finanziell unter die Arme greifen müssen.
Der Ansatz ist richtig. So, wie Sie es machen, ist es undurchführbar. Zum Nulltarif ist das nicht zu haben. Das Programm BAMBINI, das die Kommunen selbst finanzieren, ist eine landespolitische Mogelpackung. Die Ideen sind schlecht geklaut, und außer einer Entlastung für die Eltern ist kein einziger Fortschritt zu sehen. So wird Hessen nicht zum BAMBINI-Land. Es bleibt bei den Kinderschuhchen. – Vielen Dank.