Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Das hilft nichts, richtig. – Jetzt kommen wir zum Zweiten.Ich halte diese Entscheidung für falsch,damit es überhaupt keinen Zweifel gibt. Ich hatte eingangs gesagt, sie ist zu respektieren.

Jetzt kommt als Drittes die Frage: Gibt es Handlungsbedarf? – A la longue ja, im Moment gibt es keinen.Warum? Wenn Sie sich die Mühe machen,die Polizeigesetze durchzuschauen, dann werden Sie feststellen, dass nur im hessischen Polizeigesetz die Anwendung dieses polizeilichen Mittels ausdrücklich der vorherigen Zustimmung des Landespolizeipräsidiums bedarf. Dies wird letztlich nur mit Zustimmung des Ministers möglich sein. Da wir natürlich eine Sache, die uns generell eine Möglichkeit gibt, immer verfassungskonform einhalten müssen, und zwar ab sofort, wird es in Hessen aufgrund dieser Situation keine Maßnahme der Rasterfahndung wie die bisher durchgeführten geben. Damit ist ein eiliger Handlungsbedarf nicht gegeben.

Warum schlage ich Ihnen aber nicht vor, diesen einen Punkt zu ändern? Ich schlage Ihnen das deshalb nicht vor,

weil dies alle Länder betrifft und weil ich die Hoffnung habe, dass irgendjemandem einfällt, wie man es formulieren könnte, sodass vielleicht doch die Möglichkeit besteht, in verfassungskonformer Weise dieses Fahndungsmittel einzusetzen.

In der Abwägung zwischen informationellem Selbstbestimmungsrecht und Opferschutz halte ich die Überbetonung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes für bedauerlich. Ich halte es, ganz schlicht gesagt, für weniger schlimm, dass die Einwohnermeldedaten elektronisch abgeglichen werden, als dass irgendwo ein ganz schlimmes Unglück passiert.Deshalb sage ich ganz deutlich:Respekt natürlich, das gebietet die Verfassung. Aber Urteile, die nach meiner Überzeugung eine völlige Fehlbewertung und Fehlgewichtung vornehmen, muss man nicht begrüßen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Aber beachten!)

Herr Kollege, ich hatte Sie schon entschuldigt, Sie waren nicht da. Deshalb fasse ich das jetzt so zusammen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bitte für mich einmal wiederholen!)

Nein, das wäre unzulässig gegenüber den Kollegen. – Zur Wohnraumüberwachung und zur Telekommunikationsüberwachung gibt es in Hessen keinen Handlungsbedarf, weil das hessische Polizeigesetz verfassungskonform ist. Zur Rasterfahndung bedarf es derzeit keiner Lösung, weil das hessische Gesetz durch die Sicherungsmaßnahme, die wir darin haben, sicherstellt, dass sie derzeit nicht stattfindet, und weil ich die Chance nutzen will, mit anderen Ländern möglichst etwas Einheitliches zu finden, was der verfassungsrechtlichen Vorgabe entspricht, aber das Fahndungsmittel als solches nicht einfach wegnimmt. Denn wenn ich es einfach nur streiche, habe ich nichts davon.

Zum Letzten. Das mögen Sie mir bitte so abnehmen, Grundlage meiner Politik ist: Wenn es darum geht, was wichtiger ist, ob wir elektronisch Datensätze überprüfen oder ob wir jemanden davor schützen, dass er Opfer eines Verbrechens wird, dann, sage ich Ihnen, tue ich alles, damit das Zweite das Wichtigere ist. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Aber nicht mit untauglichen Mitteln!)

Meine Damen und Herren, damit ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), Drucks. 16/5773, abgeschlossen.

Es wird vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Innenausschuss zu überweisen.

Ich rufe nun Punkt 11 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des Disziplinarrechts – Drucks. 16/5781 zu Drucks. 16/5106 –

Darf ich bitten, dass auch auf der Regierungsbank ein bisschen Ruhe einkehrt, Herr Grüttner und die Kollegen? – Berichterstatter ist Herr Abg. Irmer. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags und damit in der aus der Anlage zur Beschlussempfehlung ersichtlichen Fassung in zweiter Lesung anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Rechtsausschuss, beteiligt, und dem Innenausschuss, federführend, in der 90. Plenarsitzung am 24. Januar 2006 zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat nach der schriftlichen Anhörung am 14. Juni 2006 eine öffentliche mündliche Anhörung durchgeführt.

Der Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung am 7. Juni 2006 einstimmig dem federführenden Innenausschuss die Formulierung einer Beschlussempfehlung an das Plenum überlassen.

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 5. Juli 2006 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die eben wiedergegebene Beschlussempfehlung gefasst. Zuvor hatte der Innenausschuss mit dem gleichen Stimmenverhältnis den Änderungsantrag Drucks. 16/5559 angenommen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Irmer. – Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Als Erster hat Herr Rudolph für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Innenminister, im Interesse der Arbeitsökonomie haben wir auf eine Erwiderung verzichtet. Denn Sie haben in der Ihnen eigenen Bescheidenheit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts fast ignoriert und dann versucht, in schon oberlehrerhafter Art etwas darzulegen. Aber wir sprechen darüber im Rahmen der Anhörung. Dazu ist eine Anhörung da.

(Zurufe von der CDU)

Sie teilen aus, und wenn es etwas zurückgibt, sind Sie die beleidigte Leberwurst. So einfach ist das.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,zum Disziplinarrecht.Es ist eine eher unspektakuläre rechtliche Angelegenheit, gleichwohl notwendig, um vieles zu regeln. Es geht darum, es soll eine Beschleunigung bei Disziplinarverfahren geben. Dazu ist zu sagen: Kein vernünftiger Mensch kann dagegen sein.

Dies soll insbesondere durch Aufgabe der Unterscheidung in förmliche und nicht förmliche Disziplinarverfahren geschehen sowie durch weitere Möglichkeiten, Disziplinarbefugnisse auf Vorgesetzte zu erweitern. Das ist in Ordnung.

Sowohl die schriftliche als auch die mündliche Anhörung haben ergeben: Gegen eine Beschleunigung des Disziplinarverfahrens ist nichts einzuwenden. Sie ist sogar sinn

voll; denn in der Tat gab es in der Vergangenheit Verfahren, die sich lange hingezogen haben, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.

Behördenleitungen haben manchmal auch nicht den Mut gehabt, Entscheidungen herbeizuführen. Insofern finden verfahrensverkürzende Vorschriften, wenn sie sachgerecht sind, die Zustimmung der SPD-Fraktion.

Bei der Einbringung sagte der Innenminister, man orientiere sich überwiegend am Bundesrecht. Gut, dass wir nicht nur eine schriftliche, sondern auch eine mündliche Anhörung gemacht haben. Denn, Herr Innenminister, die mündliche Anhörung hat insbesondere ergeben, dass Hessen in einigen Bereichen sehr deutlich über Bundesrecht und über die meisten länderrechtlichen Bestimmungen hinausgegangen ist. Das war bei der Einbringung des Gesetzentwurfs so nicht erkennbar. Insofern war die Anhörung notwendig und richtig.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Haben Sie ihn denn gelesen?)

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Klein, habe ich ihn gelesen.

Ich will zu drei Punkten Stellung nehmen. Erstens. Der § 17 Abs. 1 Nr. 2 ermöglicht die Kürzung – –

(Zuruf)

Herr Rhein, bereiten Sie sich auf die Diskussion heute Abend im Römer vor, da gibt es noch etwas zu sagen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Da ist er nur Zuschauer! Da hat er kein Rederecht!)

Er kann sich doch schon inhaltlich darauf vorbereiten. – § 17 ermöglicht die Kürzung von Dienstbezügen nach einem bereits durchgeführten Straf- oder Bußgeldverfahren, wenn dies „erforderlich ist, um die Beamtin oder den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten“. Eine solche Formulierung gibt es weder im Bundesrecht noch in den Regelungen der anderen 15 Länder. Damit verstößt Hessen nach unserer Auffassung gegen den Grundsatz des Verbots einer Doppelbestrafung in derselben Sache.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies gilt nicht nur nach einer verhängten Strafe, sondern auch nach einer Auflage im Sinne des § 153a StPO. Dort ist diese Auflage neuerdings der Strafe gleichgestellt. Wir wissen, dass in der Praxis solche Vergleiche oft geschlossen werden. Deswegen werden sie zunehmen. Es gibt daher keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass Hessen über die Regelungen aller anderen Länder und des Bundes hinausgeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Wir sehen den § 34 als sehr problematisch an. Danach kann die oberste Dienstbehörde „bei Vorliegen einer größeren Zahl gleichartiger Sachverhalte anordnen“, dass die betroffenen Personen sich nur schriftlich äußern können. Dies widerspricht dem Grundsatz, auch im Disziplinarverfahren die Möglichkeit der mündlichen Erörterung einzuräumen.Auch dies ist eine deutliche Abweichung gegenüber bundesrechtlichen Regelungen.

Schließlich möchte ich noch den § 43 Abs. 2 nennen, der die Einbehaltung von Dienstbezügen regelt. Nach dem Gesetzentwurf ist die Einbehaltung von bis zu 50 % der Dienstbezüge möglich, wenn ein Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Zurückstufung entschieden wird.

Auch diese Regelung geht weit über die bundesrechtlichen Regelungen hinaus. Dort ist die Kürzung auf 50 % nur für den Fall einer voraussichtlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, der schärfsten Waffe des Disziplinarrechts, vorgesehen. Dies ist sinnvoll, und deswegen ist die Regelung in Hessen falsch.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 2001 und 2002 ansprechen. Ob diese in Hessen eine Rolle spielen, weiß ich natürlich nicht. Danach darf allein die zu erwartende Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Grundlage dafür sein, jemanden vorläufig des Dienstes zu entheben und damit auch einen Teil seiner Dienstbezüge einzubehalten. Auch in diesem Beispiel gehen Sie weit über bundesrechtliche Regelungen hinaus.

Diese Landesregierung – und ihr Innenminister – geht konsequent den Weg, Mitwirkungsrechte und Einflussmöglichkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu beschränken. Das haben Sie bei der Änderung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes deutlich gemacht. Dies beabsichtigen Sie offensichtlich auch mit dem neuen Disziplinarrecht. Es gibt hierfür keine sachliche Notwendigkeit. Wenn es keine sachliche Notwendigkeit gibt, gibt es auch keine Zustimmung der SPD. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Das er- ste Mal!)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Rhein das Wort.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sind die jetzt froh, dass du gehst? – Weitere Zurufe)