Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

Aber dieser Regierung fehlt auch das Konzept zu solider Haushaltspolitik. Das muss geändert werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Milde für die CDU- Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem Glas hat der Kollege Schmitt schon getrunken – ich wäre dankbar, wenn ich stattdessen ein neues bekäme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wende in Hessen – lieber Kollege Schmitt, das ist ja eine Drohung. Wenn man noch nicht einmal die Redezeit berechnen kann, dann sollte man auch bei den Haushaltszahlen nicht so vorlaut sein.

(Zurufe der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) und Jürgen Walter (SPD))

Meine Damen und Herren, das Land Hessen hat im Vergleich zu anderen Bundesländern und vor allen Dingen im Vergleich zum Bund niedrigere Steuern als fast alle anderen. Dies gilt auch für die Nettoneuverschuldung. Darauf werde ich zurückkommen. Zu dieser Legendenbildung, wir befänden uns in Hessen auf einer Insel der Schuldenmacher, werde ich schon ein paar Zahlen sagen müssen.

Wir können auch feststellen, dass das Land Hessen seine Ausgaben im Griff hat und wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Vorgaben des Finanzplanungsrates – man höre und staune – in diesem Jahr erfüllen werden,die Ausgaben um nicht mehr als 1 % steigen zu lassen.

Lassen Sie mich daher in aller Ruhe auf die vorliegenden Anträge eingehen. Dabei weise ich den Antrag zur Arbeitsverweigerung des Finanzministers pauschal zurück. Das ist dummes Zeug. Fragen Sie einmal einen Finanzminister aus Ihren Reihen, welche Zahlen er Ihnen zu einem solchen Zeitpunkt nennen könnte.

(Norbert Schmitt (SPD): Für einen Nachtrag!)

Dann werden Sie sich glücklich schätzen, dass Sie von unserem Finanzminister zum gegenwärtigen Zeitpunkt so viele Zahlen bekommen haben.

Deswegen beginne ich mit dem Antrag der FDP. Der ist der eindeutig vernünftigere – Herr Kollege von Hunnius, Hut ab.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Er geht auch von einer realistischen Schätzung der Steuereinnahmen – nämlich von um 500 Millionen bis zu einer Milliarde c niedrigeren Werten – aus als die ursprünglichen Steuerschätzungen. Ich will aber auch hier klar sagen: Heute weiß niemand hier im Raum, wie hoch die Einnahmen im Jahr 2003 wirklich sein werden.

(Reinhard Kahl (SPD):Das ist bei Haushaltsplänen immer so!)

Die konjunkturelle Entwicklung hinkt immer hinter den Erwartungen zurück, die Grundlage der Steuerschätzung waren. Darauf werde ich zurückkommen.

Die Notbremse, die Roland Koch und der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Steinbrück wegen der katastrophalen Wirkung der Reform der Körperschaftsteuer gezogen haben, wirkt leider noch nicht in vollem Umfang in diesem Jahr, sodass auch hier noch erhebliche Haushaltsrisiken bestehen. Die Einnahmenseite bei der Körperschaftsteuer ist im Moment sehr schwer kalkulierbar. Das wird im nächsten Jahr besser. – Herr Kollege Kahl nickt.Aber für dieses Jahr müssen wir noch mit Restanten rechnen, die schwer einzukalkulieren sind.

Dennoch wird spätestens bei der Beratung des Antrags der FDP im Ausschuss die Frage zum Haushaltsvollzug 2003 teilweise erledigt sein – was Gesellschaften angeht und diese Themen, die teilweise bereits vom Finanzminister angekündigt wurden.

Der zweite Teil des Antrags,den die FDP hier vorgetragen hat, der sich mit künftigen Haushalten beschäftigt, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aus einer vierjährigen gemeinsamen Regierungszeit weiß die FDP am besten, dass spätestens seit 1999 CDU und FDP immer sämtliche vom Land zu erbringenden Leistungen überprüft haben. – Oder haben wir das nicht getan? Das haben wir getan.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Landesvermögen aktivieren, die Verwaltungsreform vorantreiben,Personalkosten abbauen,und die notwendigen Standards wurden überprüft.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und immer mehr Schulden gemacht!)

Herr Kollege von Hunnius, wollen Sie mir da widersprechen? – Nein, das war so, und das werden wir natürlich auch in der Zukunft so machen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und immer mehr Schulden haben Sie gemacht!)

Aber gerade was den Haushalt 2004 betrifft: Bei den vom Land zu erbringenden Leistungen werden wir härtere Auseinandersetzungen haben, als das bisher in Hessen der Fall war.

Wir wollen heute nicht den Haushaltsberatungen vorgreifen.Das ist auch eine gute Überleitung zu dem Antrag der SPD.Aber dann, wenn wir wirklich darüber reden, was im Land in den nächsten Jahren eingespart werden muss – wir reden ja die ganze Zeit von der Ausgabenseite –, wird sich insbesondere bei der Opposition zeigen, inwieweit notwendige Haushaltskürzungen gemeinsam getragen werden.

In Einzelfragen kann man da unterschiedlicher Meinung sein, aber bei dem Volumen, das wir – im Jahr 2004 beginnend – aus dem Haushalt herausstreichen müssen, sage ich voraus: Das ist nur zu leisten, wenn auch die Opposition einigermaßen vernünftig ist und sich nicht ständig auf den Standpunkt stellt, Ausgaben an bestimmten Stellen seien zwingend notwendig. Ob bei der Reduzierung von Personalausgaben oder bei anderen Leistungen, die heute noch Standard in Hessen sind – die Entwicklung des Steueraufkommens in Hessen zwingt uns zu dramatischen Maßnahmen, die Hessen so bisher nicht gekannt hat.

Hier möchte ich noch einmal auf die Diskussion von gestern über das Vorziehen der Steuerreform eingehen. Wir bezahlen die erste Stufe der rot-grünen Steuerreform schon heute auf Pump. Was wollen Sie eigentlich? Ich habe schon gestern versucht, das einmal deutlich zu machen.

(Reinhard Kahl (SPD): Es gab noch nie so hohe Steuereinnahmen wie im Jahr 2000! Das ist falsch!)

Die erste Stufe der Steuerreform mit den Ausfällen bei den Einnahmen in der Körperschaftsteuer – ich habe die Zahlen hier dabei, schauen Sie sich die an –, finanzieren wir in Hessen wie alle anderen Bundesländer auf Pump.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie haben mehr Geld gehabt!)

Das ist das Problem der ersten Stufe der Steuerreform. Der erste Teil dieser Steuerreform war – und da zitiere ich einmal unseren Finanzminister Karlheinz Weimar – so „grottenschlecht“, dass das Vorziehen der dritten Stufe ein und derselben Steuerreform bei den Menschen in Deutschland eher als eine Drohung denn als ein Signal zum notwendigen Aufbruch ankommt. Dass hier mehr zu tun ist, das ist wohl eindeutig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Reinhard Kahl (SPD) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

An dieser Stelle zeigt sich auch die Unsinnigkeit des Antrags der SPD. Sie reden von einer Wende, ich komme darauf zurück.

Erst einmal möchte ich meinem Kollegen Schmitt hier ein Kompliment machen. – Kollege Schmitt, zuhören, ich möchte ein Kompliment machen. Er spielt nämlich ganz gut Fußball, aber er kann nicht so gut rechnen. Warum er sich dann ausgerechnet der Finanzpolitik verschrieben hat, das weiß ich nicht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege!)

Allerdings müssen Sie sich bei der SPD schon entscheiden – ich gehe jetzt konkret auf Ihren Antrag ein –:Wollen Sie eine Steuerreform, auf Pump finanziert, vorziehen, oder soll die Nettoneuverschuldung um 100 Millionen c unter der verfassungsgemäßen Grenze bleiben, wie von Ihnen gefordert? Hier ist gefragt, was Sie wollen.

(Norbert Schmitt (SPD): Wir wollen, dass Sie die Schulden begrenzen!)

Steuerreform vorziehen oder mit der Verschuldung unter der verfassungsgemäßen Grenze bleiben? Wenn Sie beides wollen, dann frage ich Sie: Wie wollen Sie dann den Haushalt finanzieren – wenn Sie die Gesamtausgaben nicht senken, sondern auf dem von Ihnen so kritisierten Sollstand 2003 einfrieren, gleichzeitig die Personalausgaben um 0,5 % erhöhen

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

und zusätzlich noch die Investitionsquote erhöhen? Geradezu rührselig ist Ihre Forderung, unseren Ministerpräsidenten dabei zu unterstützen,

(Norbert Schmitt (SPD): Das haben andere auch geschafft!)

die Subventionen in Deutschland, aufgeteilt auf drei Jahre, pauschal um 10 % zu kürzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, die Zahl der wirklich großspurig angekündigten Eckwerte des Haushalts 2004 im SPD-Antrag passen vorne und hinten nicht zusammen und werden den Herausforderungen, vor denen wir stehen, bei weitem nicht gerecht.

Ein Eckwert,der dem Haushalt 2004 wirklich einmal hilft, ist die Aussage von Ministerpräsident Koch von gestern, von den Vorgaben des Bundesfinanzministers Hans Eichel abzuweichen und als Grundlage für die erwarteten Steuereinnahmen nicht von einem Wirtschaftswachstum von 2 %, sondern von eher realistischen 1 % auszugehen. Das ist ein Eckwert,von dem man sagen kann,damit kann man an eine transparente Haushaltsberatung 2004 herangehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das hält sich auch in Grenzen! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das hat doch keiner bei der CDU verstanden!)

Mit diesem Schritt weicht erstmals eine Landesregierung von den Vorgaben des Bundes ab. Dadurch hat Hessen wieder einmal eine Führungsrolle übernommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Vor allem beim Haushalt!)

Dies zeigt auch das ganze Dilemma der Politik in Deutschland. Die Bundesregierung hat jedes Mal an politischem Realitätssinn verloren.

(Beifall des Abg. Rüdiger Hermanns (CDU))

Wir haben diese Diskussion über die Grundlagen der Steuerschätzung schon einige Male geführt.