Das eigentliche Problem ist aber doch, dass in unserem Lande nach wie vor viel zu viele Kinder eingeschult werden, ohne ausreichende Sprachkenntnisse zu haben.
Um das plastisch zu machen, damit selbst Sie das verstehen, Herr Kollege – es ist relativ schwer, das Ihnen beizubringen, aber hören Sie doch meinem Satz zu; Herr Kollege, man muss Argumenten auch einmal zuhören, man muss doch auch lernen wollen –:
Ein Kind kann ein Mathematikgenie sein. Wenn dieses Kind ohne ausreichende Sprachkenntnisse eingeschult wird, wird es den Text nicht verstehen, und dann kann es die Aufgabe nicht lösen. Deshalb kommt es darauf an, bereits in den frühen Jahren in die Kinder zu investieren. Schauen wir uns jetzt an, was Ihre Landesregierung macht.
Wir sollten einmal genau betrachten, was dieses BAMBINI-Programm heißt. Das Ziel ist, das letzte Kindergartenjahr für die Eltern beitragsfrei zustellen.Wir Sozialdemokraten finden dieses Ziel gut und teilen es.
Ich sage Ihnen aber auch: Es hat nicht oberste Priorität. Denn, wenn man es genau betrachtet: Was wird denn mit dem BAMBINI-Programm gemacht?
Lieber Herr Kollege, da muss man doch feststellen, dass mit dem BAMBINI-Programm Elterngeld durch kommunales Geld ersetzt wird. Es geht kein einziger Euro mehr in die Kindergärten und in die Betreuungseinrichtungen, sondern lediglich die Gelder,die die Eltern bislang für das dritte Kindergartenjahr gezahlt haben, werden ersetzt – im Übrigen nicht einmal durch Landesgeld; es sind 110 Millionen c, davon geben Sie 10 Millionen c, aber 100 Millionen c sind Geld der Kommunen.
Das heißt, wir ersetzen Geld, das bislang Eltern gezahlt haben, durch öffentliches Geld, nämlich das der Kommunen. Das ist gut für die Eltern.Wenn wir uns aber das Ergebnis betrachten,dann kommen wir allerdings dazu – das können Sie nicht mathematisch bestreiten –,dass kein einziger zusätzlicher Euro für die Qualität der Kindereinrichtungen und für die Quantität der unheimlich notwendigen U3-Betreuung eingesetzt wird. Meine Damen und Herren, das ist kein Schritt nach vorne.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Gottfried Milde (Griesheim) und Michael Boddenberg (CDU))
Herr Kollege, Sie sind doch bei der Bank.Wenn ich den Geldbetrag nicht erhöhe, sondern ihn nur von anderen bezahlen lasse, dann habe ich nicht mehr Geld. Das Einzige, was hier geschieht, ist: Das Geld zahlen andere.
Es wird nichts, aber auch gar nichts für die dringend notwendige Steigerung der Qualität in diesen Einrichtungen geschehen.
Eine Aussage, die möglicherweise nicht populär ist: Was machen wir in der Zukunft? Das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr wird niemand zurücknehmen. Aber die Priorität bei dem, was dann kommen wird, liegt nicht darauf, auch die ersten Kindergartenjahre freizustellen. Dieses Ziel kann man als Fernziel haben. Aber wir sind der Auffassung, dass wir als Allererstes die Qualität in den Kindergärten erhöhen müssen und ebenso die Quantität der Betreuungseinrichtungen.
Wenn wir dies geschafft haben und in diesem Land anständige Kinderbetreuungseinrichtungen haben, dann können wir als nächsten Schritt auch die anderen Kindergartenjahre bei den Eltern beitragsfrei stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unsere Reihenfolge.
(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist grünes Programm!)
Zweiter Themenkreis: die Schulen. Frau Kultusministerin, es war doch schon etwas verräterisch, dass Sie heute den schönen Ausdruck „Unterrichtsgarantie plus“ nicht mehr erwähnt haben.
Denn Sie haben gemerkt, dass das eigentliche Problem Ihrer Unterrichtsgarantie plus darin besteht, dass Sie die Betreuung durch Fachfremde als „Unterricht“ bezeichnet haben. Dieses Problem ist Ihnen jetzt auf die Füße gefallen. Jeder sagt Ihnen nämlich, es ist Käse, wenn man sagt, ein Sportstudent gibt auf einmal Deutschunterricht. Das haben die Leute draußen gemerkt.Das ist ein Problem Ihrer Bezeichnung. Bei Ihnen ist die lyrische Abteilung wichtiger als die politische – weil die Begriffe wichtiger sind.
Ich will Ihnen einmal sagen: Beim Einsatz von Nicht-Lehrern in der Schule sind wir möglicherweise gar nicht weit auseinander.Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist, dass wir sagen, wir wollen Schulhelfer – als untechnischen Begriff – neben den Lehrerinnen und Lehrern in einer Schule haben. Wir wollen, dass Schulhelfer verstärkt eingesetzt werden, insbesondere in den Grundschulen, aber nicht anstelle des Lehrpersonals, sondern mit dem Lehrpersonal.
Im Übrigen gibt es dafür Beispiele.Als jemand, der als Jurist – wie Sie wissen – etwas bildungsfern ist, habe ich mit großen objektiven Augen das System in Finnland betrachtet.Liebe Kolleginnen und Kollegen,das finnische System ist nicht eines, das irgendwo in Voodoo-Bereichen zu guten Ergebnissen kommt, sondern es gibt relativ einfache Antworten auf die Fragen, die wir uns hier stellen.Wir haben Schulen besucht, in denen die Schwachen, über die wir hier reden,ganz gezielt gefördert wurden:in ganz kleinen Gruppen, sechs, sieben der Lernschwachen in einer Gruppe. Dazu kamen ein Lehrer und ein Schulhelfer oder eine Schulhelferin. Die sind auch keine hundertprozentig ausgebildeten Sozialpädagogen, und ich sage, das muss
auch gar nicht sein. Ihr Preis ist auch nicht ganz besonders hoch. Diese Personen kümmern sich dann um die Sozialkompetenz in den Klassen.
Das Bild von Physiotherapeuten in den Grundschulen, die sich um Sport, Bewegung und Ernährung kümmern – darüber kann man reden. Übrigens halte ich die auch für den Schlüssel, wenn wir die Lernschwachen an die Besseren heranführen wollen.
Die Freunde in Finnland haben uns relativ trocken gesagt: Unsere Ergebnisse bei der PISA-Studie sind nicht deshalb besser als in den anderen überprüften OECD-Ländern, weil unsere Starken sehr viel stärker als in anderen Ländern sind. Die Tatsache, dass wir in allen Tests besser als andere abgeschnitten haben, hängt ausschließlich damit zusammen, dass unsere Schwachen Gute sind. Unsere Lernschwachen werden so gefördert, dass sie im internationalen Vergleich auf der mittleren Ebene angesiedelt werden können.
Meine Damen und Herren, es ist unser Ziel, die Lernschwachen,die heute die Schule verlassen,auf die mittlere Ebene zu bringen, damit sie eine Ausbildung machen und ihr Leben mit selbst verdientem Geld meistern können. Nichts anderes ist unser Ziel.
Was ist Ihre Antwort? Bei dieser Antwort stimmen unsere Meinungen nicht überein, Frau Henzler. Ihre Antwort ist, in dieser Situation müsse die Hauptschule gestärkt werden. An dieser Stelle wird wieder einmal der zentrale Unterschied zwischen Ihnen, Frau Kultusministerin, und denjenigen deutlich, die einen eher unideologischen Ansatz wählen. Sie kämpfen um die Schulform.Wir kämpfen um die Schülerinnen und Schüler und deren Lebensperspektive.
Zu meinem letzten Punkt, zu den Hochschulen: Gestern ist uns wieder attestiert worden, dass der Bundesrepublik Deutschland die Spitzenkräfte ausgehen.Im internationalen Vergleich haben wir eine erschreckend niedrige Akademikerquote, wobei uns jeder eine Akademisierung des Berufslebens voraussagt.
Meine Damen und Herren,die Antwort der CDU im Hinblick auf das Ziel der Erhöhung der Studienanfängerzahlen ist die Schaffung von Gebühren als Einstiegsvoraussetzung. Gebühren zu schaffen, um die Anzahl von Studierenden zu erhöhen, ist genauso intelligent wie die Aussage: Ich wähle die CDU für eine gerechtere Gesellschaft. – Es ist völlig abstrus, was Sie machen.
Herr Kollege Walter, ich muss mich entschuldigen. Ich habe vorhin eine falsche Redezeit genannt. Die Redezeit für die Oppositionsfraktionen beträgt je 22 Minuten. Deshalb bitte ich Sie, langsam zum Schluss zu kommen.
Frau Kultusministerin, Ihre Rede war ein reines Beschönigen. Sie sind nicht auf die Probleme in unserem Land eingegangen. Gleich hören wir wieder den fleischgewordenen Oberlehrer aus Mittelhessen, der seit dem Jahr 1996 unverändert seine Rede gegen Hartmut Holzapfel hält. Das wird wahrscheinlich auch kein Beitrag zur Problemlösung in diesem Land sein. Realitätsverweigerung ist nicht der richtige Weg in der jetzigen Situation.
Frau Ministerin, ich will keine falsche Attitüde setzen. Im nächsten Jahr befinden wir uns in einem Wahlkampfjahr.
In diesem Wahlkampfjahr nutzen Sie der Opposition. Es gibt die Möglichkeit, festzustellen, dass wir bundesweit die schlechtesten Ergebnisse haben, über die eigene politische Verantwortung nachzudenken und zurückzutreten. Frau Ministerin, würden Sie zurücktreten, dann würden Sie der Opposition einen schlechten Dienst erweisen; denn die Tatsache,dass Sie im Amt sind,wird dazu führen, dass zumindest die Eltern von schulpflichtigen Kindern die Union in diesem Land nicht mehr wählen werden. Die Tatsache, dass Sie im Amt bleiben, wird dazu beitragen, dass sich im Jahr 2008 ein Regierungswechsel vollziehen wird. Der Regierungswechsel ist die Voraussetzung dafür, dass in diesem Land Bildungspolitik wieder nach vorn kommt.