Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Meine Damen und Herren, „der Gesetzgeber“ ist „immer dann zu ganz besonderer Sensibilität und Wachsamkeit aufgerufen“,

wenn es um die Empfindungen von Opfern und der Angehörigen von Opfern des grauenvollen Holocaust geht.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass es Einheiten der Ordnungspolizei waren, die sich im Gefolge der Kriegseinsätze der Wehrmacht an der Ostfront an Kriegsverbrechen beteiligt haben und sowohl an der gezielten Ermordung osteuropäischer Juden als auch an der unbarmherzigen Unterdrückung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten beteiligt gewesen sind. Es stimmt, dass es die Ordnungspolizisten waren, die zu Vollstreckern einer mörderischen Besatzungspolitik geworden sind. Es trifft auch zu, dass sich manche von ihnen zu furchtbaren Exzessen hinreißen ließen.Thomas Dodd, einer der US-Ankläger im Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg, gerade einmal 60 Jahre her, hat in einem bewegenden Plädoyer diese Truppen als „der Armee folgende Einsatzbanditen“ bezeichnet.

Ich verstehe gar nicht, warum die Kolleginnen und Kollegen von der CDU hier nicht Applaus spenden. Denn das ist genau die Begründung,die der Kollege Boris Rhein gebracht hat, als wir diesen Gesetzentwurf in der ersten Lesung beraten haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Der Kollege Boris Rhein führt weiter aus:

Die Männer und Frauen der kommunalen Ordnungsbehörden sind wichtige Organe des pluralistischen und demokratischen Rechtsstaates.

Wir brauchen diese Männer und Frauen in den kommunalen Ordnungsbehörden. Sie haben es nicht verdient, mit den Tätern des Dritten Reiches gleichgesetzt zu werden. Deshalb ist es richtig, dass wir so handeln, wie es hier vorgeschlagen wurde. Lassen Sie uns einen Weg finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das waren die Worte des ehemaligen Landtagsabgeordneten Boris Rhein, jetziger Ordnungsdezernent in der Stadt Frankfurt. Da verwundert es schon, dass Sie unseren Gesetzentwurf im Innenausschuss abgelehnt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie ziehen nach unserer Auffassung aus dem, was Herr Kollege Rhein in der ersten Lesung gesagt hat, aber auch aus dem, was wir in der Anhörung gehört haben, vollkommen falsche Schlüsse. Wir haben im Innenausschuss eine, wie ich meine, sehr umfangreiche inhaltliche Anhörung gehabt. Bis auf einen einzigen Anzuhörenden, der gesagt hat, man könne das auch so lassen, haben sich die anderen unisono dafür ausgesprochen, diesen Begriff der Ordnungspolizei nicht mehr zu verwenden und dafür zu sorgen, dass man einen anderen Begriff findet.

Meine Damen und Herren, wir haben in der Beratung einen mündlichen Änderungsantrag eingebracht und gesagt: Wir wollen den Begriff der Ordnungspolizei streichen; wir schlagen Ihnen vor, sie Ordnungsbehörde zu nennen und diejenigen, die den Dienst verrichten, als Ordnungsbeamtin oder Ordnungsbeamten zu bezeichnen. – Ich glaube, das ist ein Vorschlag, der auch weiterhin trägt. Er trägt vor allen Dingen deswegen, weil diese Begrifflichkeiten z. B. in Nordrhein-Westfalen im Gesetz stehen und benutzt werden. Ich kann nicht verstehen, warum Sie unseren Antrag abgelehnt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dazu kann man noch sagen, man wolle den Begriff der Ordnungsbehörde, des Ordnungsbeamten oder der Ordnungsbeamtin nicht haben. Wir haben auch über Ihren Vorschlag diskutiert, den Begriff der Kommunalpolizei einzuführen. Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, wenn ich auf das eingehe, was der Kollege Rhein hier vorgetragen hat, dann wäre es von Ihrer Seite wenigstens notwendig gewesen, im Gesetzgebungsverfahren einen eigenen Vorschlag vorzulegen. Das haben Sie nicht getan. Sie haben nur das abgelehnt, was wir vorgeschlagen haben. Sie haben keinen eigenen Vorschlag gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rhein hat gesagt: Die Männer und Frauen, die diesen Dienst ausführen, haben es nicht verdient, weiterhin mit einem solch belasteten Begriff leben zu müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fordern Sie noch einmal auf, sich zu besinnen und unserem Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben.Wir haben eigene Vorschläge gemacht. Ich glaube, dass diese Vorschläge auch tragen, und ich glaube auch, dass wir in Anbetracht der Anhörung, die wir durchgeführt haben, und der inhaltlich sehr guten Diskussion, die wir geführt haben, jetzt eine Änderung im HSOG vornehmen sollten. Wir haben Vorschläge gemacht. Sie sind am Zuge, eigene Vorschläge zu machen. Es trägt auf keinen Fall, einfach nur das abzulehnen, was wir eingebracht haben. Das passt vor allen Dingen nicht zu dem, was Herr Kollege Rhein bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfes im Hessischen Landtag gesagt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Das Wort hat Frau Abg. Zeimetz-Lorz für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Männer und Frauen, die bei den Ordnungsbehörden ihren Dienst versehen, haben viele Jahre darum gebeten, nicht mehr als Hilfspolizeibeamte bezeichnet zu werden. Diesem Wunsch sind wir bei der letzten Novelle des HSOG nachgekommen. Wir haben uns damals entschieden, es den Kommunen zu überlassen, ihre Ordnungsbehörden oder ihre Ordnungsamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter als Hilfspolizeibeamte oder Ordnungspolizeibeamte zu bezeichnen.

Im vergangenen Jahr gab es eine Diskussion in Frankfurt, die SPD und GRÜNE in diesem Hause veranlasst hat, diesen Gesetzentwurf einzureichen. – Herr Frömmrich, ich stimme Ihnen in einem Punkt zu: Die Anhörung, die wir nach der ersten Lesung durchgeführt haben, war hochinteressant und gehörte sicherlich zu den spannenden Anhörungen in diesem Hause. Aber die Schlüsse, die Sie aus dieser Anhörung ziehen, weichen in der Tat etwas ab. Sie haben gesagt, alle Anzuhörenden hätten empfohlen, den Begriff „Ordnungspolizei“ aus dem Gesetz herauszunehmen, weil er – was unbestritten ist – aus der Zeit des Naziregimes belastet ist. Wir haben in der Anhörung aber auch gehört, dass der Begriff „Ordnungspolizei“ keine Erfindung des Naziregimes gewesen ist. Wenn Sie behaupten, alle hätten gesagt, wir sollten den Begriff herausnehmen, so liegen Sie falsch. Ich darf nur daran erinnern, dass sämtliche Kommunale Spitzenverbände – –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nur einer hat kein Problem damit gehabt! Der Einzige war Herr Krause-Vilmar! Sie werden mich nicht überzeugen!)

Herr Frömmrich, wenn Sie mich einen Augenblick weiterreden lassen, werde ich Sie vom Gegenteil überzeugen. Die Kommunalen Spitzenverbände haben unisono den Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, abgelehnt. Der Hessische Städte- und Gemeindebund schreibt in seiner Stellungnahme:

Bereits damals

also zur Novelle des HSOG –

hatten wir darauf hingewiesen, dass der Begriff „Ordnungspolizeibeamter“ im Hinblick auf den Bezug zur kommunalen Tätigkeit auch geeignet ist, da er den Begriff des Ordnungsrechts mit polizeilicher Kompetenz verbindet...

Neben Herrn Krause-Vilmar, den Sie zu Recht benannt haben, hat sich auch das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in diesem Sinne geäußert. Daniell Bastian schreibt in seiner Stellungnahme:

Einheiten der Ordnungspolizei haben in der Zeit des Dritten Reichs furchtbare Verbrechen verübt. Festzuhalten ist jedoch, dass der Begriff keine Wortschöpfung nationalsozialistischer Machthaber ist. Vielmehr existiert das Begriffspaar „Polizei“ und „Ordnung“, seitdem im deutschsprachigen Raum überhaupt von Polizei gesprochen werden kann. Als Bezeichnung spezieller Polizeieinheiten taucht der Begriff nachweislich ab 1919 auf. Insoweit steht der Begriff in einer Reihe mit Begriffen wie Kriminalpolizei oder Hilfspolizei, die ebenfalls im Dritten Reich gebräuchlich waren.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die haben wir aber nicht erst vor ein paar Wochen ins Gesetz geschrieben!)

Herr Krause-Vilmar ist in diesem Hause bereits mehrfach zitiert worden. Deshalb nur der Hinweis auf Herrn Krause-Vilmar vom Fritz-Bauer-Institut.

Wenn Sie sagen, wir hätten einfach nur Ihren Gesetzentwurf abgelehnt, so liegen Sie auch da falsch.Wir haben einen Vorschlag gemacht – das haben Sie richtig zitiert –, und dem hätten wir wirklich gerne näher treten wollen, nämlich den Begriff der „Kommunalpolizei“. Wenn wir uns darauf hätten verständigen können, hätten wir auch

einen entsprechenden Antrag eingereicht. Aber allein wollten wir das nicht tun, und Sie haben es abgelehnt.

Ich will Ihnen auch die Gründe nennen. Der Begriff „Kommunalpolizei“ steht im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in guter Tradition. Wir haben mittlerweile die Bundespolizei. Nur eines wollten wir nicht, wir wollten keine Diskussion unter dem Stichwort „Rekommunalisierung der Polizei“ entfachen.Aus diesem Grunde wollten wir gern die anderen Fraktionen mit ins Boot nehmen. Das war leider nicht möglich.

Ich darf darauf hinweisen, auch dieser Vorschlag wurde in der Anhörung vorgetragen. Ich erinnere an die IPA, die International Police Association, die seit vielen Jahren eine Arbeitsgruppe hat, die sich „Arbeitskreis Kommunalpolizei“ nennt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Warum hat sie es nicht eingebracht?)

Aber auch Herr Prof. Dingeldein von der Universität Marburg hat in seiner Stellungnahme den Vorschlag „Kommunalpolizei“ oder „Stadt- und Gemeindepolizei“ verwandt.Tun Sie also nicht so, als ob wir einfach nur Ihre Gesetzesinitiative ablehnen wollten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich habe nur das vorgelesen, was Boris Rhein gesagt hat!)

Ja, das weiß ich. Das kam mir sehr bekannt vor, eine Lesestunde.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das habe ich befürchtet. – Sehr geehrter Herr Kollege, da wir uns nicht verständigen konnten, lehnen wir Ihren Gesetzentwurf in der Tat ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Rudolph für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Änderung des HSOG im Jahre 2005 wurde die Möglichkeit geschaffen, Hilfspolizeibeamte als „Ordnungspolizei“ zu bezeichnen. Daraufhin gab es eine öffentliche Diskussion, begonnen in der Stadt Frankfurt, mit dem allgemeinen Tenor, man müsse darüber reden, etwas zu verändern. Wir, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben im Landtag einen Gesetzentwurf eingebracht, und ich erinnere mich sehr wohl, dass der damalige Kollege Boris Rhein eine bemerkenswert engagierte Rede zu diesem Thema gehalten hat, mit dem Tenor, da müsse man etwas ändern.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Reden wir jetzt über den Gesetzentwurf?)

Frau Kollegin, wir reden über den Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben und der Grundlage der parlamentarischen Beratung war.

Daraufhin gab es eine schriftliche und eine mündliche Anhörung. Das Ergebnis war: Der Terminus „Ordnungspolizei“ ist in der Tat historisch belastet.Wenn Sie sich das einmal in den Stellungnahmen anschauen: Die deutsche Ordnungspolizei wurde zu Zeiten des Dritten Reiches dem damaligen SS-Führer Himmler unterstellt. Die deutsche Ordnungspolizei war beispielsweise an der Deportation von Juden beteiligt. Deswegen ist dieser Begriff, auch wenn er aus der Weimarer Republik stammt, belastet.Wir sollten Begriffe, die mit der Schreckensherrschaft der Nazis zusammenhängen, im 21. Jahrhundert nicht mehr verwenden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das können Sie nicht negieren, und Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass der Begriff „Hilfspolizeibeamter“ genauso belastet war. Das haben die Anzuhörenden genauso klar und deutlich gemacht.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Deswegen haben wir gesagt, beide Verwendungen sind nicht mehr möglich, und unser Vorschlag war, den Begriff „Bedienstete der allgemeinen Ordnungsbehörden“ einzuführen.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))