Meine Damen und Herren, wir kommen zur Aussprache. Als erster Redner hat Herr Dr. Spies für die SPD-Fraktion das Wort. Fünf Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit Mühe widerstehe ich dem Versuch eines textexegetischen Vergleichs des Gesetzentwurfs der Landesregierung mit dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom Mai 2000.
Aber man kommt doch zu interessanten Erkenntnissen. Ganz offenkundig war es weise Voraussicht, die die seinerzeitige Mehrheit aus CDU und FDP und die jetzige absolute Mehrheit der CDU dazu brachten, in Kenntnis der Geschwindigkeit mancher Erkenntnisfortschritte Gesetze zu befristen. Deshalb wollen wir das Thema nicht weiter vertiefen. Es ist ja schön, dass es angekommen ist.
Meine Damen und Herren, bei einem Thema wie der Organtransplantation kann man sich über den Zweck der Organspende, über ihre Notwendigkeit, ihre Funktion, ihr Erfordernis unterhalten. Das haben wir in diesem Hause ziemlich oft gemacht. Aber wenn es darum geht, was der Auftrag des Gesetzgebers ist, was die Regelungszielrichtung ist,sollte man vielleicht einen kurzen Blick auf genau diese Aufgabe werfen.
Sie besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil ist es, potenziellen Konflikten, Schwierigkeiten, Irritationen vorzugreifen und sie zu lösen. Der zweite ist es, Ängste zu vermeiden, Sicherheit zu schaffen, das Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Gerade im Bereich der Organspende löst ein Transplantationsgesetz die Konflikte ob der Frage: Wer, wann, unter welchen Bedingungen? Sie steigert – das hat die Frau Ministerin angesprochen – das Sicherheitsgefühl der Gesunden, die Organempfänger werden könnten, weil die Chance besteht.Und sie steigert das Sicherheitsgefühl der
Gesunden, die Organspender werden könnten, weil ein solches Gesetz sicherstellt, dass dies nicht willkürlich, nicht ohne Not, nicht zur falschen Zeit und nicht zu was auch immer passiert. Sie steigert die Sicherheit der Akteure, die Regeln haben, nach denen sie agieren können.
Es ist damit nicht getan, Regeln zu haben, die Konflikte lösen. Man muss es noch technisch gut machen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass offenkundig auch die Hessische Landesregierung zu dem Schluss gekommen ist, die Aufgabe der Aufklärung der Bevölkerung durch Gesetz allein den Gesundheitsämtern zuzuweisen, war nicht ausreichend. Es sollte alle, die sich mit diesem Thema befassen, einschließen. Da hat die Landesregierung recht – spät, aber sie hat recht.
In der Frage der Transplantationsbeauftragten – wer das tun soll – finden sich ebenfalls Fortschritte, sogar einige sehr sinnvolle Vorschläge zur Frage der inneren Organisation der Krankenhäuser. Aber gerade an der Stelle, an der bei einem so sensiblen Thema die Konfliktlösung im Vordergrund stehen sollte, weicht das Gesetz zurück. Natürlich können erfahrene Pfleger und Schwestern die Aufgaben des Transplantationsbeauftragten übernehmen. Kein Mensch stellt infrage, dass die das können.
Es ist allerdings die Frage, ob der, der diese Aufgabe zuweist, es deshalb tut, weil er die Organspende fest in seinem Haus etabliert weiß, weil es ein klares Bewusstsein in die richtige Richtung gibt und man deshalb schauen kann, wer die Aufgabe erfüllt, oder weil die Aufgabe jemandem übertragen werden soll, dessen Durchsetzungsfähigkeit im Hause gerade nicht so groß ist. Genau deshalb hat die SPD-Fraktion immer wieder – das wird sie weiterhin tun – darauf bestanden, dass der Transplantationsbeauftragte zwingend auf einer Ebene hoher Unabhängigkeit und hohen persönlichen Gewichts im Krankenhaus angesiedelt ist, weil es um die Frage der konflikthaften Situationen geht.
Ein Weiteres. Ich nehme mit großem Interesse zur Kenntnis, dass die Landesregierung nun anfängt, eine Berichtspflicht mit dem Ziel einzuführen, die Qualität der Entscheidung, die Qualität der Entdeckung potenzieller Organspender zu verbessern, weil wir mit den kleinen Krankenhäusern, die mögliche Organspender niemals melden, ein Problem haben.
Frau Ministerin, allein da ist der Ansatz technisch unzureichend, weil er zu einem Zeitpunkt einsetzt, in dem bereits Diagnostik stattgefunden hat, um deren Einleitung es gehen müsste. Wir werden diese Fragen ausführlich im Ausschuss diskutieren können.Wir werden zu den beiden Gesetzentwürfen, die vorliegen, eine Anhörung machen. Wir werden das in Ruhe diskutieren. Das Thema verdient von jeher größte gemeinsame Anstrengungen, aber auch sachliche Qualität.
Ich würde mir wünschen, dass die zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Hessischen Ausfüh
rungsgesetzes zum Transplantationsgesetz von allen Seiten so beschworene Gemeinsamkeit, das Ziel, am Ende einstimmig ein Gesetz zu beschließen, sich in den Debatten um die sachliche Qualität – politischen Streit gibt es da nicht – des Gesetzes wiederfinden wird. Ich bin gespannt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als langjährige Besitzerin eines Organspendeausweises aufgrund meiner eigenen Biographie denke ich, dass einerseits mir und uns allen klar ist, dass wir über ein sehr sensibles Thema sprechen. Auf der anderen Seite können wir froh sein, dass es inzwischen unbestritten ist, dass vielen Menschen mit erkrankten Organen die Implantation eines gesunden Organs die Lebensqualität erheblich verbessert oder in vielen Fällen den tödlichen Verlauf einer Krankheit verhindert.Wir wissen, dass es illegalen Organhandel gibt. Ich denke, dass wir alle einer Meinung sind, dass illegaler Organhandel ethisch geächtet und verfolgt gehört. Wir bleiben dabei: Menschliche Organe sind keine Handelsware, und es gibt keinen Rechtsanspruch auf die Organe eines anderen Menschen. – So viel zur Vorbemerkung.
Es gibt bei einem solchen Thema ein Recht auf Information. Zu dieser Information gehören die Risiken und die Chancen einer Organtransplantation. Das ist für uns ein ganz zentraler Bereich.
Die meisten Menschen setzen sich mit dem Thema Krankheit und Tod erst dann auseinander, wenn sie selbst oder ihre Angehörigen davon betroffen sind. Gerade bei Organspenden handelt es sich oft um eine akute Situation. So kommt es immer wieder vor, dass Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger sowie Angehörige am Bett eines Sterbenden Entscheidungen zu treffen haben, obwohl sie nicht ausreichend vorbereitet sind und ihnen viele grundsätzliche Informationen fehlen.
Ich habe deshalb bereits bei der Lesung des SPD-Entwurfs gesagt,dass wir die Vorschläge bezüglich der Stellen und Institutionen, die für Aufklärung und Information zuständig sind, durchaus begrüßen. Nur wer ausreichend informiert ist, ist auch in der Lage, frei zu entscheiden. Das gilt für alle menschlichen Belange, insbesondere aber für die Gesundheit.
Deshalb wäre es wünschenswert, wenn sich die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf dem Vorschlag der SPD anschließen würde,wonach auch die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung und die Patientenselbsthilfegruppen für zuständig erklärt werden, die Menschen zu informieren. Herr Spies hat das gerade ausgeführt.
Natürlich spielen auch Öffentlichkeitskampagnen – Kampagnen, die sich an die gesamte Bevölkerung richten – eine wichtige Rolle. Gleichzeitig muss es aber eine konkrete Beratung geben. Die Erfahrung der Landesregie
rung mit ihren Kampagnen hat gezeigt, dass diese allein nicht ausreichend sind. Hessen ist, was die Zahl der Organtransplantationen betrifft, im Vergleich der Bundesländer zurückgefallen. Es befindet sich auf Platz 13.
Deswegen spricht meiner Ansicht nach nichts dagegen, dass dieses Thema in Schulen und anderen Bildungsinstitutionen stärker als bisher berücksichtigt wird. Auch in dieser Hinsicht finde ich den Vorschlag der SPD sehr gut; denn, wie gesagt, mehr Information gibt mehr Entscheidungssicherheit.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der meiner Meinung nach eine sehr wichtige Rolle spielt. Dabei geht es um die Ärzte und das Pflegepersonal sowie um die Rolle des Transplantationsbeauftragten in einer Klinik. Es ist richtig, dass dieser Transplantationsbeauftragte in ausreichendem Maß mit Kompetenzen ausgestattet sein muss.Aber er muss auch in der Lage sein, das andere Klinikpersonal mitzunehmen.Das heißt,dass man auch in den Kliniken in der Lage sein muss, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und organisatorische Lösungen zu finden.
In beiden Gesetzentwürfen ist eine Stärkung der Position des Transplantationsbeauftragten vorgesehen. Ich glaube, dass man in den Beratungen durchaus zu einer Einigung kommen kann.
Die Diskussion über das Für und Wider von Organspenden ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche.Von daher ist es geboten, für Rechtssicherheit zu sorgen. Die Bürger und Bürgerinnen müssen durch Information und Aufklärung in die Lage versetzt werden, frei zu entscheiden. Dafür muss in Hessen noch einiges geschehen.
Ich finde, dass es auch ein Signal an die Menschen in Hessen sein kann, wenn wir bei der Beratung über diesen Gesetzentwurf nicht in parteipolitisches Gezänk verfallen, sondern versuchen, Rechtssicherheit für die Menschen zu schaffen, wodurch die Situation bei den Organtransplantationen tatsächlich verbessert wird.– Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken. Im Vergleich zu dem, was wir heute sonst erlebt haben, finde ich die Debatte nämlich relativ sachlich, was dem Thema auch angemessen ist.
Frau Kollegin Schulz-Asche, ich kann vieles von dem teilen, was Sie eben gesagt haben. Auch ich glaube nämlich, dass es verschiedene Punkte gibt, bei denen wir uns aufeinander zubewegen sollten – weniger wir, sondern die beiden anderen Fraktionen. Ich bin der Auffassung, dass dies möglich ist.
Die Landesregierung hat einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Transplantationsgesetz vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf ist meines Erachtens eine folgerichtige Weiterentwicklung dessen, was wir bisher haben.
Die SPD hat einen eigenen Entwurf vorgelegt, und ich sage ganz offen, dass Teile dieses SPD-Entwurfs durchaus nachvollziehbar sind. Insofern sollte man schauen, dass man daraus möglicherweise Punkte übernimmt. Das werden wir in der Fachdiskussion und nach der Anhörung klären müssen.
Wenn man jetzt liest, was die potenziellen Anzuhörenden – z. B. die Selbsthilfegruppe – schreiben, stellt man fest, dass dort auch Punkte erwähnt sind, die der Kollege Dr. Spies vorgetragen hat.Ich glaube,man sollte in dieser Diskussion sehr genau auf die Betroffenen eingehen, weil dieses Gesetz wirklich für eine bestimmte Gruppe gemacht wird, die eine große Erfahrung in der Praxis gesammelt hat und weiß, welche Probleme es in diesem Bereich gibt. Insofern handelt es sich bei den Betroffenen um Fachkundige, und man sollte diese Anhörung wirklich ernst nehmen.
Frau Ministerin, ich will einen Punkt herausgreifen, den Sie angesprochen haben und den ich in der letzten Debatte genannt habe. Dabei geht es um das Thema „ÜberKreuz-Spenden“ und um das Gewebegesetz,das jetzt vorliegt. Ich muss sagen, dass von ärztlicher Seite daran zurzeit viel Kritik geübt wird.
Ich denke, wir werden noch einmal darüber diskutieren müssen, wie sich das Land Hessen in diesem Bereich beteiligen kann. Ich bin der Auffassung, dass dies zwar ein Bundesgesetz ist, es aber das Land Hessen ganz unmittelbar betrifft, letztendlich auch den Bereich Transplantation. Wir müssen an diesem Punkt über eine Bundesratsinitiative nachdenken, wenn wir der Meinung sind, dass dies nicht richtig ist.
Das Problem der Über-Kreuz-Spenden, das ich letztes Mal angesprochen habe, will ich noch einmal konkret erwähnen.Wie auch die Selbsthilfegruppe sagt,kommen wir zurzeit in vielen Bereichen nicht an Organe heran, weil wir prinzipiell auf die nicht mehr Lebenden rekurrieren. Das ist ein ethisch sehr schwieriger Punkt; das ist unbestritten.
Wenn man also sagt, man erwarte auch von lebenden Menschen, dass sie sich an Organspenden beteiligten, muss man ganz klar aufpassen, dass man nicht in die Nähe des Organhandels gerät – eine Gefahr, die die Kollegin Schulz-Asche eben erwähnt hat. Wenn man sich ein bisschen umtut und recherchiert, stellt man fest, dass es diesen Organhandel gibt und dass er sogar floriert. Für viele Betroffene ist der Organhandel oft der letzte Ausweg. Auch das will ich sagen.
Diese Frage hat zwei Seiten. Einerseits ist es sicherlich nicht in Ordnung, wenn Menschen aus finanziellen Gründen Organe verkaufen müssen, andererseits helfen sie vielen anderen Menschen damit, weil deren letzte Chance ein neues Organ ist.
Deshalb sind die in den USA gemachten Vorschläge,nämlich einen sogenannten Organpool zu schaffen, in den anonyme Lebendspender sozusagen hineinspenden können, eine sehr gute Möglichkeit, um diese Frage zu regeln.
Zurzeit gibt es im Bundestag solche Initiativen. Aber ich glaube, dass diese Frage von Hessen aus unterstützt werden sollte. Hier sollte ein klares Signal gegeben werden; denn das ist eine Möglichkeit, um gerade die ethischen Gefahren einzugrenzen, d. h. eine Kommerzialisierung zu verhindern, und die Zahl der von Lebendspendern kommenden Organe deutlich zu erhöhen.
Insofern will ich sagen: Wir freuen uns auf eine lebhafte Beratung im Ausschuss. Hoffentlich wird es zu einem gemeinsamen Entwurf kommen. Das war immer das Ziel der Kolleginnen und Kollegen. Nach dem, was ich gerade von der Frau Ministerin und auch von Herrn Dr. Spies gehört habe, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir zu einem gemeinsamen Entwurf kommen. Es geht in Hessen um eine sehr große Anzahl von Betroffenen, die von diesem Gesetz abhängig sind. Ich glaube, wir sollten unserer Arbeit verantwortungsvoll nachkommen. – Vielen Dank.