Dabei war das Hessische Gleichberechtigungsgesetz selbst Pionierbaustein für einen sich erneuernden, selbst reformierenden öffentlichen Dienst. Dieser sollte sich in vorbildlicher Weise selbst dazu verpflichten, die Frauenförderung zum Gegenstand einer modernen Personalentwicklung zu machen.Ziel war die qualitätsorientierte Personalentwicklung des hessischen öffentlichen Dienstes, die die tradierten Einstellungs- und Beförderungskartelle unter Männern aufbrechen sollte.
Frau Lautenschläger, Instrument war der für alle Fälle verbindliche Frauenförderplan. Er sollte sicherstellen, dass auch aus dem Bewerberinnenpotenzial gut ausgebildeter Frauen und Seiteneinsteigerinnen geschöpft wird.
Die damalige CDU dieses Hauses – die meisten noch im Amt, einige davon zwischenzeitlich Minister in der heutigen CDU-Alleinregierung – befand das HGlG als mit der Hessischen Verfassung in ihren Artikeln 3, 5, 7, 8 bis 10 und weiterhin 11, 14, 16 und 18 unvereinbar. Im Klartext: Ihr Vortrag war – ich zitiere aus der Klageschrift –,die verbindlichen Frauenförderpläne würden gegen den Verfassungsgrundsatz der Bestenauslese verstoßen, weil diese zur Folge hätten, dass Bewerber nicht aufgrund ihrer Verdienste, sondern aufgrund ihres Geschlechtes den Vorrang erhielten. Hierin erkannten Sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der Ihrer Ansicht zufolge nicht nur die Privilegierung einer bestimmten Gruppe verbiete, sondern auch ein Grundrecht jedes Einzelnen darstelle, das den Bürgern gleiche Ausgangschancen garantiere, und nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen zulasse, die für eine bestimmte Personengruppe vorteilhaft sei.
Meine Damen und Herren, einen besseren Beweis für Ihre Frontstellung gegen die positive Diskriminierung – den Begriff sollten Sie sich merken – zugunsten einer unbestreitbar noch benachteiligten Gruppe, in diesem Fall der Frauen, gibt es nicht und konnte es nicht geben. Nebenbei bemerkt: Dabei waren Sie in der eigenen Hessischen Verfassung nicht sattelfest. Diese hatte bereits im Jahre 1946 – Sie wollen sie am Verfassungstag ja feiern –
in ihrem Art. 30 vorweggenommen, was das Bundesverfassungsgericht Jahrzehnte später befand. Sie ist zu feiern. Darin steht ein Gebot zur Differenzierung zugunsten der Frau
eben nicht nur als Mutter, wie an vielen Stellen Ihrer Novelle jetzt zu lesen, sondern auch und gerade als Staatsbürgerin und Erwerbstätige.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Grundgesetz selbst, die Niederlegung unserer FDGO, deren Inhalte Sie bei Zuwanderern jetzt testen wollen, hat in dem später eingeführten Satz 2 seines Art. 3 Abs. 2 diese staatliche Pflicht zur kompensatorischen Frauenförderung noch einmal angepasst. Hier heißt es jetzt: Der Staat hat die Pflicht, effektive Maßnahmen der Frauenförderung zu ergreifen und durchzusetzen. – Frau Lautenschläger, die Durchsetzung wird durch Evaluation gemessen.
Dementsprechend ist auch Ihre Klage von 1994 erfolglos geblieben, was Ihnen der Europäische Gerichtshof im Jahre 2000 in aller Ausführlichkeit bescheinigt hat. Doch wir wissen, die CDU hat danach nur nach anderen Wegen gesucht, die gesetzliche Verbindlichkeit von Frauenförderplänen für alle Bereiche zu Fall zu bringen. Frau Lautenschläger, Sie denken, wir merken das nicht. Das wollen wir in Punkt drei festhalten. Schon im Jahr 2003 hat die CDU-Landesregierung bei der ersten Gelegenheit das für alle verbindliche Frauenfördergesetz durch die sogenannte Experimentierklausel gesprengt. Sie setzt die Regel des verbindlichen Förderplans fakultativ. Die Regel heißt nun: Verbindliche Förderpläne sind eine Möglichkeit neben sogenannten experimentellen Wegen, mit denen wir uns im Weiteren noch befassen werden.
Meine Damen und Herren, dies wäre gar nicht so uninteressant für den Fall, dass Sie sich wirklich um den besten Weg bemühen und für die größten Förderschritte interessieren würden, um diese dann ins Regelprogramm zu überführen. Das ist aber nicht der Fall. In drei denkwürdigen Ausschusssitzungen dieses Jahres wurde es erneut belegt: Sie interessieren sich in Wirklichkeit gar nicht für die konkreten Fortschritte. Vom systematischen Controlling der Experimentierklausel sind wir in Hessen Lichtjahre entfernt. Da reicht auch nicht eine knappe Abfrage kurz vor den Sommerferien. Sie hatten beim Thema Experimentierklausel nur eines im Sinn: den Gedanken der verbindlichen, kontrollierbaren, von der Spitze her zu verantwortenden und von den Betroffenen einklagbaren Frauenförderung zu schwächen.Es ging und es geht Ihnen um Deregulierung, so weit wie irgend möglich.
Sie wollen, dass sich die einklagbare Verbindlichkeit der Frauenförderung totläuft. Frau Lautenschläger, die jetzt vorgelegte Novelle – dünn, dünner gehts nicht. Statt vernünftiger Sanktionsregelungen nur schmallippige Bekenntnisse, wie eben auch in Ihrer Rede. Die Novelle kennt kein Klagerecht der Frauenbeauftragten, kennt auch kein Schlichtungssystem, kennt für den Bereich unterhalb der Landesverwaltung noch nicht einmal eine Anrufung, lässt offen, was die Anrufung innerhalb der Landesverwaltung bringen soll, kennt kein verbindliches Regularium für Gremienbesetzungen wie die Verpflich
tung zur paarweisen Benennung oder Zurückweisung, keine Regelung für Privatisierungsfälle und auch keine Regelung für öffentliche Vergaben.
Punkt vier. Die CDU/FDP-Koalition und danach die CDU-Alleinregierung üben sich frauenpolitisch in systematischer Verantwortungsverweigerung. Bewiesen hat dies spätestens Ihr skandalös unambitionierter Förderbericht von 2002, in dem Sie eine umfängliche Berichterstattung für den gesamten Geltungsbereich des HGlG schuldig geblieben sind. Die damaligen Kritikerinnen und Kritiker – Sie müssen das nachlesen, dann wissen Sie das wieder – haben Ihnen Ihr Motiv ins Gesicht gesagt. Sie wussten damals sehr gut,dass die Beachtung von verbindlichen Frauenförderplänen beispielsweise in der Personalentwicklung engagierter kommunaler Verwaltungen und für das Thema Aufstiege und Führungspositionen sehr erfolgreich gewesen ist.
Meine Damen und Herren, eben darüber sollte das hessische Parlament nicht beraten. Sie waren damals sogar ganz schlau: Sie haben die Veröffentlichung des Berichts – und das hatte damals auch die FDP mitzuverantworten – in die parlamentsfreie Zeit hineingeschoben, damit er nicht mehr vor der Landtagswahl beraten würde.
Meine Damen und Herren, heute möchte Frau Lautenschläger noch schlauer sein: Novelle ohne Datengrundlage. Sie wollen den Hessischen Landtag ganz und gar um die demokratische Würdigung der gesetzlich vorgeschriebenen Berichterstattung bringen. Normal verständige Menschen würden annehmen, die vierjährige Berichtspflicht habe den Zweck, in der demokratischen Auseinandersetzung im Parlament austarieren zu lassen, welche Konsequenzen die bisherigen Erfahrungen dem hessischen Gesetzgeber nahelegen.Wissen Sie eigentlich nicht, dass andere Gleichstellungsgesetze – angeblich haben Sie sich umgeschaut – sogar vorschreiben, dass dem Parlament zunächst das amtliche statistische Material und anschließend ein Förderbericht vorzulegen sind?
Punkt fünf. Wir bestehen auf unseren parlamentarischen Aufklärungsrechten. Frau Ravensburg, mich persönlich wundert, dass Sie da schmunzeln. Denn ich weiß aus Ihrer Frauenorganisation, dass auch sie das wissen will.
Wir verlangen die Beratung eines Regierungsberichts zur Frauenförderung zwischen 2002 und 2006. Deshalb fordern wir Sie auf, Ihre Novelle bis dahin zurückzuziehen.
Die Verweigerung Ihrer Förderbilanz ist gesetzeswidrig. Sie verkennen Ihren Verfassungsauftrag, der von einem verantwortlichen Controlling ausgeht. Lesen Sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Hier wird klar festgestellt, dass es die staatliche Schutzpflicht umfasst, ein staatliches Controlling durchzuführen, weil nur so nachgemessen werden kann, ob der staatliche ausführende Frauenförderer wirklich seinem Verfassungsauftrag entspricht und tatsächliche Förderschritte nachweisen kann.
Punkt sechs. Die CDU hat ein grundlegend gestörtes Verhältnis zum verfassungsrechtlichen Gebot der Frauenförderung.
(Heinrich Heidel (FDP): Oh! – Florian Rentsch (FDP): Zwischendurch Luft holen! Haben wir hier eigentlich ein Sauerstoffzelt?)
Deshalb fällt Ihnen mit Sicherheit selbst gar nicht auf – Herr Heidel, bevor Sie lachen: vielleicht ist das auch bei Ihnen so –, was an der Novelle falsch sein könnte. Sicherlich weiß auch die CDU-Fraktion nicht,was andere CDULänder in ihren Gesetzen besser machen.Ihre sogenannte Novelle ist ein unwürdiger Vorschlag für die Frauenförderung im öffentlichen Dienst eines der modernsten Wirtschaftsstandorte Deutschlands. Die SPD-Fraktion bleibt heute bei ihrer bereits im Jahr 2003 erhobenen Forderung nach einer grundlegenden Novellierung des HGlG. Der Frauenanteil in Leitungspositionen und in wichtigen Gremien muss in zügigen Schritten und in nennenswertem Umfang verbessert werden. Die Verwaltungsreform, die Personaleinsparung, die Privatisierung im Land und im kommunalen Bereich dürfen kein Hemmschuh sein. Das hat der Gesetzgeber durch geeignete Instrumente sicherzustellen und nicht, wie in Ihrer Novelle jetzt nahegelegt, in Experimenten bis 2011 dem Zufall zu überlassen.
An dieser Stelle nur einige kritische Notizen zu Ihren Novellierungsvorstellungen im Einzelnen. Frau Lautenschläger, ein Lippenbekenntnis zum Gender-Mainstreaming ohne gesetzliche Festschreibung der paritätischen Personalentwicklung akzeptieren wir nicht. Die europäischen Vorgaben sind kein Ringelpiez. Das jetzt vorgeschlagene Anrufungsrecht allein für die Frauenbeauftragten der Landesverwaltung kann nicht Ihr Ernst sein. Ebenso wenig nehmen wir hin, dass Sie im Falle von Privatisierungen die Rechte der Frauen preisgeben wollen. Gerade Ihnen können wir das nicht durchgehen lassen, da ja gerade Sie dem Privatisierungswahn verfallen sind.
Herr Boddenberg, wir müssen sogar annehmen, dass Sie in den Überleitungsverträgen an die weiblichen Beschäftigten und Ihre frauenpolitischen Fürsorgepflichten keine Sekunde gedacht haben. Oder sind Sie wenigstens darüber informiert, dass Ihr Vertragspartner soeben die Reauditierung für den familienfreundlichen Klinikbetrieb mit einem einfachen Schreiben an den Betriebsrat aufgekündigt hat?
Meine Damen und Herren, weiter zum Thema Gremienparität, das Sie in Hessen meiden wie der Teufel das Weihwasser. Diese CDU-Landesregierung verantwortet eine sage und schreibe 8-prozentige Frauenvertretung im Hessischen Rundfunkrat bei 30 Plätzen, genauso genommen eine weibliche Elternvertretung
Herr Minister, wir hatten früher welche, wir rotieren –, für Uneingeweihte: Vorsitzende der Hessischen FrauenUnion.
An dieser Stelle bitte drei Ausrufezeichen ins Protokoll. Meine Damen und Herren, dass das bei Ihnen System hat – damit komme ich zu meinem Beweismittel –, zeigt die Frauenrepräsentanz in den Verwaltungsräten der hessischen Sparkassen.