Protokoll der Sitzung vom 05.10.2006

Nein, das ist die Frauenbeauftragte, die das „Bild mit Dame“ stellt, um das zu kaschieren.

Da mir dazu nichts mehr einfällt, benutze ich das Wort einer frauenpolitischen Kabarettistin, die solche Bilder als „Männerfleischskandal“ bezeichnet.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Demonstrati- ver Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Frau Dr. Pauly-Bender, den letzten Satz bitte.

Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Satz. – Frau Lautenschläger, Sie sind nicht die Anwältin der Frauenförderung im Lande Hessen, sondern Sie versuchen, mit viel Lippenbekenntnis-Camouflage zu verdecken,dass Sie tatenlos sind und auch missvergnügt an dem Thema.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Bei- fall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Pauly-Bender. – Als nächster Rednerin erteile ich Frau Margaretha Hölldobler-Heumüller für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Bei einem Gesetzentwurf ist es manchmal hilfreich, sich den Kontext,die Historie und den Prozess des Ganzen an- zugucken. (Nicola Beer (FDP): Um Gottes willen! Das dauert!)

Der Kontext, in dem dieses Gesetz erstellt worden ist, ist: Wir haben eine Hessische Landesregierung.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Michael Bodden- berg (CDU))

Nach der „Wirtschaftswoche“, die ich wohl zitieren darf, nimmt diese Landesregierung Platz zwölf im Ranking der Bundesländer ein, was Frauen in Führungspositionen in Ministerien betrifft. Für diese Hessische Landesregierung will Ministerin Lautenschläger erklären, sie habe ein ernsthaftes Interesse an einem tragfähigen Gleichberechtigungsgesetz. – In diesem Fall kann man nur sagen: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da können Sie hier herrlich von Bottom-up-Prinzipien fabulieren – die Realität straft Ihre Schaufensterreden Lügen. Warum soll die Verwaltung tun, was die Regierung unterlässt? Diesen Widerspruch hätte ich gerne von Ihnen erklärt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Petra Fuhrmann (SPD): Zwei Ministerinnen und eine Staatssekretärin, trotz Quote!)

Nachdem wir drei Jahre Druck gemacht haben, haben Sie Gender-Mainstreaming in die Geschäftsordnung aufgenommen. Dazu sagen Sie dann – Zitat aus einem Brief Ihrerseits –, die Geschlechterperspektive werde bei allen Entscheidungen, die die Ministerien in ihren Zuständigkeiten treffen, einzubeziehen sein.

Das hört sich großartig an. Aber ich gucke mich um. Die Kollegen sind gerade wieder in wichtigen Dingen unterwegs,aber wenn ich mir vorstelle,ich frage Ihren Kollegen Dietzel, wie das Gender-Mainstreaming im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium aussieht,dann wäre ich ziemlich gespannt auf seine Antwort. Das Gleiche gilt für den Kollegen Banzer im Justizressort.Ich würde ihn gerne fragen: Wie sieht es mit Gender-Mainstreaming im Justizbereich aus, außer dass die Anzahl der Richterinnen sehr hoch ist?

(Nicola Beer (FDP):Aha!)

Woran liegt es? An den günstigen Arbeitsbedingungen, wie auch Sie wissen, Frau Kollegin.

(Nicola Beer (FDP): Sehen Sie einmal: familienfreundlicher Betrieb!)

Man könnte auch Frau Kollegin Wolff fragen, wie es im Kultusministerium aussieht. Bei dem einen oder anderen Kollegen meine ich, sie wüssten vielleicht eine Antwort. Aber ob sie Gender-Mainstreaming anwenden können, da bin ich mir sicher: Das können sie nicht, das tun sie nicht, und das wollen sie nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Manche wissen gar nicht, was es ist!)

Dann kommen wir zur Historie dieses Gesetzes. RotGrün brachte 1993 dieses Gesetz ein. Es wurde schon gesagt, es ist eines der ersten und fortschrittlichsten Frauenfördergesetze. CDU und FDP haben es abgelehnt. Die CDU hat es beklagt. Ja, vielleicht ist es so, dass Sie an diesem Punkt lernfähig waren. Allerdings fehlt mir der Glaube, dass Sie sich wirklich geändert haben. Wenn ich

mir den neuen Gesetzentwurf anschaue, dann glaube ich, Sie haben allenfalls die Taktik gewendet. Aber an ernsthafter Gleichberechtigung von Frauen in Hessen liegt Ihnen nicht wirklich etwas.

Zum Prozess dieses Gesetzes. Das Gesetz läuft Ende 2006 aus. Dieser Termin war 13 Jahre lang bekannt. Im Bericht des Jahres 2002 erklärte die Sozialministerin, dass die Instrumente dynamisiert werden müssten,weil der Weg,den wir in der Vergangenheit gewählt hatten, um die Frauenanteile insbesondere in Leitungspositionen und im gehobenen Dienst zu erhöhen, nicht so erfolgreich gewesen sei, wie es zu Beginn der Umsetzung des HGlG noch geschienen habe.

Frau Ministerin, Sie haben heute mit keinem Wort erwähnt, was sich zwischen 2002 und 2006 durch Ihre angekündigte Dynamisierung getan hat. Sie wollen diesen Bericht auch erst vorlegen, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist. Das lässt Böses ahnen, aber es lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass Ihnen Frauenförderung in Hessen am Herzen liegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Denn ein neues Gesetz zu machen und die Untersuchungen dazu erst danach durchzuführen, das ist hanebüchener Unsinn. Etwas anderes kann man dazu nicht sagen. Sie müssen mir erklären, welchen Sinn das hat.

Vor zwei Jahren hatten Sie den Frauenorganisationen noch zugesichert, sie würden in die Planungen einbezogen. Auf diese Einladung warten die Verbände heute noch.Ihren Worten sind keine Taten gefolgt.Sachverstand aus der Praxis war nicht gefragt.

Aber es wird noch toller. Ich komme zur Grundlage, auf der Sie dieses Gesetz gemacht haben. Eigentlich ist dieses Vorgehen an Stümperei nicht zu überbieten. Es gab eine Grundlage, eine Umfrage bei den Kommunalen Spitzenverbänden. Sie wurden am 02.06. gefragt, und bis Ende Juli sollte es beantwortet sein. Dazwischen liegen bekanntermaßen die Sommerferien. Es waren fünf hoch qualifizierte evaluierende Fragen zu beantworten:

Ist das Gesetz notwendig? Wenn ja, hat es sich bewährt? Welchen Änderungsbedarf sehen Sie? Gibt es Regelungen, die entfallen können? Gibt es zusätzliche Regelungen, die aufgenommen werden sollten?

Das sind die Fragen zur Evaluation des Gleichberechtigungsgesetzes in einem Zeitraum, von dem der Hessische Städtetag sagt:

Wir halten das Verfahren der Evaluation für derzeit nicht optimal. Aufgrund der Kürze der Zeit sind keine umfassenden Ergebnisse möglich. Die erste Einschätzung und die Position unseres Verbandes müssen daher offen bleiben.

Das ist offensichtlich Grundlage Nummer eins für die Erstellung des Gesetzentwurfs.

Dann gibt es natürlich noch den Hessischen Landkreistag, der ebenfalls hoffte, dass er zumindest später noch einbezogen würde, weil er am Schluss noch seine Bereitschaft ausspricht, am weiteren Evaluationsverfahren teilzunehmen. Ich will Ihnen aber eine Erkenntnis des Hessischen Landkreistags nicht vorenthalten:

Die Rückmeldungen ergaben: Die hälftige Besetzung mit Frauen konnte größtenteils erreicht werden.

Ich habe mich ernsthaft gefragt: Von welchem Stern haben die gesprochen? Aber gut, wahrscheinlich hat es die Landesregierung mit Freude gehört, nach dem Motto:Wir brauchen nichts mehr zu tun.

Der Städte- und Gemeindebund hat flugs eine Eilumfrage im Intranet durchgeführt. 20 % haben sich beteiligt. Von diesen 20 % haben sich 20 % ablehnend geäußert. Das heißt,insgesamt 4 % haben sich ablehnend geäußert,80% haben sich gar nicht geäußert.

Frau Ministerin, ich glaube, das Porto und die Arbeitszeit für diese Umfrage hätte man sich schenken können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich mir den Prozess, die Historie und den Kontext anschaue, dann kann das Ergebnis doch nur sein: Es gibt überhaupt keine ernsthaften Bemühungen. Sie wollen überhaupt keine Gleichberechtigung, keine Gleichstellung der Frauen in Hessen. Das brauchen Sie uns nicht mehr zu erklären; denn die Art und Weise, wie Sie diesen Prozess betrieben haben, ist selbst erklärend.

Man sieht es aber auch an der inhaltlichen Ausgestaltung des Gesetzes. Sie haben das größtmögliche Bemühen an den Tag gelegt, das HGlG einen zahnlosen Tiger sein zu lassen.Dem Gesetz,von dem Sie im Jahre 2002 erklärt haben,es wirke nicht so richtig,haben Sie flugs noch ein paar Zähne gezogen. Sie haben z. B. den Wegfall der Verpflichtung der öffentlichen Ausschreibung beschlossen. Das kann man nicht ernsthaft als Fortschritt präsentieren; denn es führt nur dazu, dass frei werdende Stellen fest in Männerhand bleiben, die Unterrepräsentation von Frauen zementiert wird und eine Bestenauslese vermieden wird.

Sie haben außerdem den Wegfall der Fortbildung weiblicher Beschäftigter beschlossen.Außerdem haben Sie die Passage zur sexuellen Belästigung gestrichen mit der Erklärung, das stehe im EU-Recht. – Frau Lautenschläger, dazu kann ich nur sagen: Gender-Mainstreaming steht auch im EU-Recht.Wir könnten uns das ganze Hessische Gleichberechtigungsgesetz sparen, wenn irgendjemand diese Vorschriften ernsthaft anwenden würde.

Sie haben erklärt, die bisherigen Frauenförderpläne würden nicht befriedigend erstellt und umgesetzt. – Das ist richtig, das sehen wir auch so. Bemerkenswert ist aber Ihre Schlussfolgerung. Die Schlussfolgerung ist: Sie vergrößern den Kreis derer, die keine Frauenförderpläne aufstellen müssen. Die Experimentierklausel wird ausgeweitet, wobei ich die Experimentierklausel inhaltlich begrüße; denn ich glaube, dass in diesem Bereich sicherlich Kreativität gefragt ist.

(Claudia Ravensburg (CDU): Na also, geht doch!)

Wo ich Lob anbringen kann, bringe ich es auch an.Aber Sie haben das Ende meines Satzes nicht abgewartet. – Denn im Grunde gehört beides zusammen.Warum macht man nicht die Frauenförderpläne zusammen mit der Experimentierklausel? Im Sinne einer normalen Personalentwicklung gehört es zusammen: Zielfestlegung sowie Beschreibung der Wege und Instrumente, wie man es erreichen kann. – Jetzt dürfen Sie mir gerne zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben eine lange Liste an Forderungen, wie man wieder Zähne implantieren könnte, damit dieser Tiger irgendwann einmal wieder zubeißen könnte. Erstens geht es um Sanktionen.Wenn es keine Sanktionen gäbe, würde nachts jeder über rote Ampeln fahren. Warum soll man also davon ausgehen, dass die Leute, wenn im Gesetz keine Sanktionen verankert sind, sich danach richten? Warum sollte es ausgerechnet beim Gleichberechtigungsgesetz der Fall sein? Das ist ein Punkt, der dringend vermisst wird. Denn die Frage ist:Was passiert mit denen, die die Frauenförderpläne nicht gescheit anwenden? Was passiert mit denen, die sich nicht nach dem Hessischen Gleichberechtigungsgesetz richten? – Es gibt durchaus Möglichkeiten, einzugreifen, und die sollten natürlich im Gesetz stehen.

Wir fordern ein Klagerecht für die Frauenbeauftragten. Oft ist es für Frauen, die sich an die Frauenbeauftragten wenden, ein wahres Spießrutenlaufen, und letztlich führt es nur zu weiteren Sanktionen und Diskriminierungen im Arbeitsleben. Von daher wäre es wichtig, die Frauenbeauftragten könnten selbst klagen.

Wir wünschen uns eine ganz andere Beschreibung der Ziele. Sie haben z. B. überhaupt nicht die Unterrepräsentanz auf allen Ebenen erwähnt. Seit Jahren ist jedem klar, der über dieses Thema spricht: In den unteren Lohngruppen hat sich das Ganze ausgeglichen. Aber wenn es um Führungspositionen geht, besteht nach wie vor ein eklatantes Ungleichgewicht.

(Petra Fuhrmann (SPD): Auch in die PVS wurden vorwiegend Frauen gemeldet!)