Protokoll der Sitzung vom 05.10.2006

(Petra Fuhrmann (SPD): Auch in die PVS wurden vorwiegend Frauen gemeldet!)

Genau, auch beim Stellenabbau wird Gender-Mainstreaming nicht angewendet.

Wir würden uns dort konkreter formulierte Ziele wünschen. Das Wort „Diskriminierung“ wird nirgends erwähnt. Das finde ich schon ziemlich erstaunlich. Sie kommen dann immer ganz schnell gern auf die Familien zu sprechen. Aber Diskriminierung von Frauen bedeutet, dass Frauen benachteiligt werden, weil sie Frauen sind. Die Tatsache, dass sie dann auch noch Mütter sind, führt zu schwierigen Bedingungen, die sie unter Umständen zusätzlich benachteiligen. Aber das Grundübel ist, dass Frauen diskriminiert werden, weil sie Frauen sind. Das kommt in Ihrem Gesetz überhaupt nicht vor.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gender-Mainstreaming haben Sie übersetzt.Das finde ich zwar sehr lobenswert, aber auf der anderen Seite denke ich,wir kennen so viele englische Worte,dass wir auch dieses dem Plenum gerade noch zumuten können. Sie haben das Gender-Mainstreaming immer nur als Leitprinzip hineingeschrieben. Was soll denn das bitte heißen, und was ist das für ein Verständnis von Gender-Mainstreaming? Gender-Mainstreaming ist ein Instrument, ein Prüf- und Kontrollinstrument. Es nur als Leitprinzip irgendwo an die Wand zu hängen, führt wirklich nicht dazu, dass es auch Wirkung erzielt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben bei den Änderungen angesprochen, dass das HGlG in den Betrieben, die in Privatrecht überführt werden, nicht mehr gilt. Warum eigentlich nicht? Denn ansonsten ist es ein Weg, auf dem sich der Staat seinem ver

fassungsrechtlichen Auftrag der Gleichberechtigung durch eine Übertragung auf andere Ebenen entzieht.

Desgleichen stellt sich die Frage:Warum kann man nicht, wenn im Betrieb unter 50 Beschäftigte sind, eine Frauenbeauftragte in einem Verbund bestellen? Es kann doch nicht sein, dass sich die Frage der Chancengleichheit von Frauen an der Beschäftigtenzahl eines Unternehmens festmacht.

Weiter geht es mit unseren Forderungen bei der Gewährung der freiwilligen Leistungen.Auch hier ist es möglich, eine strikte Anwendung von Gender-Mainstreaming zu fordern.Andere Bundesländer machen das längst vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die paritätische Besetzung von Gremien und Kommissionen ist angesprochen worden. Da wird immer das Argument vorgebracht, dahin würden ja andere entsenden. Aber auch dafür kann man Quoten festlegen. Das wird z. B. in Frankreich praktiziert.Wenn dort jemand aus dem Gremium ausscheidet, rückt eine Person des anderen Geschlechts nach. Dadurch erhält man automatisch eine Durchmischung von Gremien und Kommissionen.

Gender-Mainstreaming als Evaluations- und Kontrollinstrument habe ich schon angesprochen.

Interessant wird es auch beim Thema Leitung in Teilzeit. Das ist wirklich ein großes Thema. Sie sprechen ja die Familien an.Aber wenn es um die Frage von Leitung in Teilzeit geht, steht dort die etwas gewundene Formulierung: „... steht... grundsätzlich nicht entgegen“. Da hört man doch schon das Zähneknirschen im Gesetz. Warum steht nicht drin, dass das möglich gemacht werden muss? Das wäre wirklich familienfreundlich. Das wäre frauenfreundlich, und das würde dazu beitragen, dass auch mehr Frauen in Führungspositionen wären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Fazit bleibt: Die Frauenverbände unterstützen den Großteil unserer Forderungen. Der hessische Frauenrat, in dem alle hessischen Frauenorganisationen vertreten sind, von den Kirchen über die Landfrauen, über Verbraucher- und Sportverbände, pro familia bis zu Unternehmerinnen – sie alle sind vertreten –, unterstützt die Forderungen und hat sich sehr deutlich dazu geäußert, was er von diesem neuen Gesetz erwartet. Das hat bei Ihnen offenbar keinerlei Wirkung.

Mein Fazit dieses Gesetzes ist: Sie hatten den Auftrag Ihres Kabinetts, ein zahnloses HGlG auf den Weg zu bringen, das garantiert, dass Frauen in Hessen nicht das bekommen, was ihnen zusteht, nämlich gleiche Rechte, gleiche Chancen und Gerechtigkeit. Dem haben Sie sich mit diesem Gesetzentwurf gefügt. Eine solche Ministerin haben Hessens Frauen wahrlich nicht verdient.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Hölldobler-Heumüller. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Rentsch für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Gesetzentwurf Stellung nehme, möchte ich für meine Fraktion zwei Vorbemerkungen machen.

Frau Pauly-Bender, ich habe Sie selten so engagiert hier vorne reden sehen – fast schon ohne Punkt und Komma. Ich hatte mir schon etwas Sorgen gemacht, dass der Sauerstoff möglicherweise nicht ausreicht. Aber Ihre Fraktion hat mehrfach versichert, das sei bei diesem Thema normal.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sagen Sie ruhig, dass es Ihnen gefallen hat!)

Es war auf jeden Fall eindrucksvoll. Man könnte es auch Männervendetta nennen. Dafür gibt es mehrere Formulierungen. Auf jeden Fall war es sehr engagiert. Das lässt sich nicht bestreiten. – Bestreiten lässt sich auch nicht, Frau Pauly-Bender, dass das, was die Frauenbewegung in den Sechziger- und Siebzigerjahren erreicht hat,sicherlich sehr wesentlich war, auch für die Entwicklung, die wir heute haben. Aber ich glaube, dass das, was junge Frauen heute brauchen,möglicherweise nicht mehr ganz von dem repräsentiert wird,was Sie hier vorgetragen haben.Jedenfalls merke ich das in meiner Umgebung.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Petra Fuhr- mann (SPD): Da spricht der Fachmann!)

Diese Frauen fühlen sich von diesen politischen Inhalten nicht mehr ganz angesprochen. Auch das sollte der SPD vielleicht einmal zu denken geben.

Ich habe gemerkt, dass in Ihrer Fraktion während Ihrer Rede auch gelegentlich die Konzentration nicht ganz so hoch war. Ich meine, wir haben in unseren Fraktionen alle das Problem mit Machos – mehr oder weniger. Ich will jetzt gar nicht auf aktuellere Fälle eingehen. Aber jede Fraktion hat erst einmal an sich zu arbeiten.

(Zuruf von der SPD: Das ist eine gute Idee!)

Ich glaube, da haben wir noch viel zu bewegen.

Zum Zweiten, Frau Ministerin, möchte ich eine Vorbemerkung zu dem Antrag machen, den die SPD gestellt hat und der fordert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Ich glaube,dass es ein grundsätzliches Problem im Hessischen Landtag ist, dass wir Gesetze befristen und letztendlich versuchen, über eine Evaluation der Wirkung des Gesetzes dazu zu kommen, dass wir überlegen, ob dieses Gesetz fortgesetzt werden soll oder nicht. Das ist mittlerweile zu einer reinen Formalie geworden.

(Dr. Judith Pauly-Bender (SPD): Alle 13 Jahre sollte das möglich sein!)

Frau Pauly-Bender, wir können uns gern noch zu einem Kaffee draußen treffen. Ich freue mich sehr. Aber jetzt würde ich gern diesen Gedanken ausführen. Ich bin während Ihrer Rede relativ ruhig gewesen. Das war nicht immer einfach. Lassen Sie mich doch vielleicht auch diesen Gedanken kurz zu Ende ausführen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin, ich glaube, dass wir aufpassen müssen, dass wir aus dieser Frage nicht eine reine Formalie machen. Natürlich wäre es gut und richtig gewesen, wenn Sie diesen Gesetzentwurf evaluiert hätten und den Bericht dem Parlament vorgelegt hätten, wie es auch vorgesehen war. Denn es ist doch klar, Frau Ministerin, wenn es um

die Fortschreibung geht, dass es notwendig ist, zu wissen, ob dieses Gesetz Wirkung entfaltet hat oder nicht. So ehrlich muss man in dieser Diskussion sein. Sie haben gesagt – ich habe leider den genauen Wortlaut nicht mehr im Kopf –, dieser Bericht werde jetzt von Ihnen eingebracht. Frau Ministerin, es ist doch klar, dass wir spätestens zur zweiten Lesung diesen Bericht vorliegen haben müssen

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist richtig!)

und dass wir dann auch eine dritte Lesung machen müssen, wenn wir den Bericht wirklich noch in die Gesetzgebung einbauen wollen. Da werden wir nicht drum herumkommen. Ich sage Ihnen: Sie sollten sich jetzt beeilen. Denn wenn Sie das jetzt ankündigen, dann nehmen wir Sie dieses Mal auch beim Wort. Sie haben das hier gesagt, und ich denke, dann müssen Sie der ganzen Sache auch Taten folgen lassen.

Das waren die zwei Vorbemerkungen. Ich denke, wir werden den Antrag der SPD letztendlich erst dann entsprechend beschließen können, wenn wir wissen, ob der Bericht der Landesregierung vorgelegt wird. Ich hoffe, dass die Landesregierung das macht. Denn er ist, wie gesagt, eine wichtige Grundlage für die Beratung des Gesetzes.

Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist für Liberale eine Selbstverständlichkeit. Sie war in dieser Gesellschaft nicht immer eine Selbstverständlichkeit – wohlweislich.Das,was die Kollegin Hölldobler-Heumüller hier gesagt hat, ist heute immer noch Realität. Frauen sind, gerade was hoch qualifizierte Tätigkeiten und hoch qualifizierte Stellungen angeht, entweder schlechter bezahlt, oder sie haben diese gar nicht inne. Ich teile das, was die Vorrednerin gesagt hat.Ich glaube schon,dass wir hier immer noch ein Problem haben.

Ich glaube aber auch, Frau Hölldobler-Heumüller, dass Gender-Mainstreaming eben nicht das ist, was Sie gerade versucht haben, in diesem Begriff hineinzuinterpretieren. Das ist ein Hauptproblem, dass Gender-Mainstreaming relativ viel offen lässt. Zwar beziehen wir uns alle relativ regelmäßig darauf und tragen diesen Begriff immer wie eine Monstranz vor uns her, aber dieser Begriff und das Prinzip, das dahinter steckt, lassen gerade Mittel und Instrumentarien offen. Gender-Mainstreaming sagt, man muss die Menschen, Frauen und Männer, in ihrer Situation unterschiedlich beurteilen. Man muss akzeptieren, dass das unterschiedliche Situationen sind. Aber man muss letztendlich auch verschiedene Möglichkeiten finden, um diese Probleme anzugehen und zu lösen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin, das, was Sie hier hineininterpretieren, ist meines Erachtens die alte Frauenförderung nach Frauenförderplänen, wie wir sie 20 Jahre hatten. Sie haben gerade versucht, das mit dem modernen Begriff zu umschiffen.Aber letztendlich steckt das doch hinter dem, was Sie wollen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, wie man heutzutage das Prinzip von Gender-Mainstreaming umsetzen sollte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die gleichberechtigte Förderung von Frauen und eine tatsächliche selbstverständliche Berücksichtigung ihrer besonderen Belange, wie sie das Gender-Mainstreaming eigentlich vorsieht, kann unseres Erachtens mit der soge

nannten Experimentierklausel gut angegangen werden. Ich teile nicht das, was Sie gesagt haben, Frau Pauly-Bender. Sie haben das relativ stark kritisiert. Ich glaube, dass die Experimentierklausel deutlich mehr Möglichkeiten bietet, als Sie das gerade hier dargestellt haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das kann man aber erst mit Bericht nachvollziehen, nicht vorher!)

Sie werden auch Gespräche führen, Frau Fuhrmann und Frau Pauly-Bender. Davon gehe ich aus. Sie hören auch aus der Praxis, wie diese Möglichkeit umgesetzt wird.

Was z. B. die Landesarbeitsgemeinschaft der hessischen Frauenbüros gesagt hat, finde ich eine sehr gute Stellungnahme. Sie sagen, der Gesetzentwurf ist von seiner Richtung her für sie in Ordnung, der strukturelle Ansatz ist okay.Aber sie sehen gerade bei der Frage der Modellversuche und der Umsetzung der Experimentierklausel häufig Probleme, und sie sehen auch bei der qualitativen Auswertung der Modellprojekte große Probleme. Was können wir also aus diesen Modellprojekten letztendlich lernen? Welche Best-Practice-Beispiele gibt es?

(Dr. Judith Pauly-Bender (SPD): Das hätte ja evaluiert werden müssen! Das wollten wir ja wissen!)

Ja, da sind wir uns doch einig. Das ist heute doch eine etwas emotionale Debatte geworden.

Es geht doch gerade darum, hier Best-Practice-Beispiele herauszustellen und auch die Frauen in der Landesverwaltung zu animieren, die Möglichkeiten des Gesetzes wahrzunehmen.

(Beifall bei der FDP)