Herr Kollege Boddenberg, wir sind uns einig, dass das wünschenswert ist.Natürlich ist es wünschenswert,von einer Familie im klassischen Sinne auszugehen. Aber sie ist doch, weiß Gott, in vielen Bereichen nicht mehr vorhanden, und dann muss man das in einem Gesetzentwurf auch so formulieren.
Ich freue mich, dass ich heute zum ersten Mal eine sehr lebhafte Diskussion zu diesem Punkt erlebe. Dass Sie so engagiert diskutieren, zeigt, wie wichtig Ihnen das ist.
Ein weiterer Punkt im Zusammenhang mit Ihrem Gesetzentwurf ist die Sozialberichterstattung. Diese Debatte wiederholt sich mittlerweile bei jedem Gesetz.Wir wollen immer wissen, was mit den Gesetzen passiert. Inzwischen ist es quer durch alle Parteien Mainstream,zu fragen:Welche Wirkungen entfalten diese Gesetze? Deshalb wollen wir, dass die Träger, die beauftragt werden, mit dem Geld des Landes eine Maßnahme durchzuführen, berichten, was passiert ist, und dass sie rückkoppeln, welche Erfahrungen sie gesammelt haben.
Die Realität in diesem Bereich sieht anders aus. Die Realität ist, dass diese Berichte jahrzehntelang – das ist vielleicht etwas übertrieben, jedenfalls viele Jahre lang – abgeheftet wurden und in den Aktenschränken des Ministeriums verstaubt sind. Das ist keine moderne Evaluation, keine Wirksamkeitsforschung, wie wir sie uns eigentlich vorstellen.
Ich weiß, dass das Sozialministerium versucht, gerade in Bezug auf die Kommunalisierung neue Wege zu gehen und moderne Mechanismen zu nutzen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie weit das fortgeschritten ist. Frau Ministerin, wir müssen aber auch bei der Kinder- und Jugendhilfe mit modernen Mechanismen evaluieren, was vor Ort los ist.Wenn wir das nicht machen,bedeutet das nämlich,dass wir die Kommunen in diesem Bereich alleinlassen.
Wer wirklich wissen will, was hilft, muss sich damit auskennen. Das heißt, wir müssen uns anschauen, welche Maßnahmen und welche Best-Praktice-Beispiele auf kommunaler Ebene erfolgreich sind und welche gefördert werden sollten. Wir müssen aber auch wissen, welche nicht gefördert werden sollten. Natürlich muss das Land auch dahin gehend Einfluss nehmen, dass es Maßnahmen nicht mehr fördert, die nicht wirksam sind. Wir müssen dann konsequent sagen: Das ist eine Maßnahme, die wir nicht mehr unterstützen,weil nicht bewiesen ist,dass sie in der Praxis eine Wirkung entfaltet. – Meine Damen und Herren, wir wünschen uns, dass Sie in diesem Bereich in Zukunft mutiger sind.
Bei einem weiteren für mich wesentlichen Punkt geht es nur um einen Begriff. Ich glaube jedoch, dass dieser Begriff für die Debatte elementar ist. Wir haben einen Jugendhilfeausschuss. Dieser Ausschuss hat meiner Ansicht nach einen völlig falschen Namen. Es wäre besser, diesen Ausschuss „Kinder- und Jugendausschuss“ zu nennen und das Wort „Hilfe“ aus dem Namen zu streichen.
Frau Ministerin, das Wort „Hilfe“ suggeriert nämlich immer, dass es ein Überordnungs-Unterordnungs-Verhältnis gibt. Der Staat auf der einen Seite hilft dem Bedürftigen auf der anderen Seite. Ich glaube nicht, dass die „Bedürftigen“, also die Kinder und Jugendlichen, viel davon haben, wenn dieses Überordnungs-Unterordnungs-Verhältnis immer auf diese Weise ausgedrückt wird. Die dahintersteckende Ideologie nach dem Motto „Ich helfe dir, du musst mir vertrauen“ ist oft der falsche Weg; denn so kann man kein Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen aufbauen.
Diese Kinder und Jugendlichen brauchen eine Hilfe auf derselben Augenhöhe. Deshalb ist der Begriff „Hilfe“ falsch. Sie brauchen Unterstützung, und sie brauchen Angebote, die sie selbstständig wahrnehmen können. Es ist ein alter Vorschlag der FDP, diesen Begriff zu streichen.
Nein, das Bundesgesetz schreibt das nicht so vor. Es gibt sogar kommunale Ausschüsse, die ihren Namen schon geändert haben. Beispiele kann ich Ihnen nennen. Man kann sehen, dass das Land eine Initiative dazu starten könnte. Das Land hätte die Möglichkeit dazu.Wir würden uns das wünschen, weil wir glauben, dass sich eine grundsätzliche Ideologie auch in einem Begriff manifestieren kann. Diese Ideologie ist unserer Ansicht nach falsch.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Typische FDP-Politik! Auf das Etikett kommt es an! – Gegenruf der Abg. Nicola Beer (FDP): Er hat doch gerade von Inhalten gesprochen!)
Des Weiteren ist zu sagen, dass Sie den Landesjugendhilfeausschuss mit verschiedenen Mitgliedern beschicken. Unserer Ansicht nach sind diese Mitglieder aus vielen Bereichen bunt zusammengewürfelt. Das zeigt auch, dass nicht ganz klar ist, welche Aufgaben der Landesjugendhilfeausschuss Ihrer Meinung nach in der nächsten Zeit übernehmen soll.
Herr Präsident, ich werde mich kurz fassen. Lassen Sie mich noch einen Satz sagen. – Der Landesjugendhilfeausschuss ist, wenn man ihn richtig einsetzt, ein wichtiges Gremium. Durch ihn kann man nämlich zeigen, was für unterschiedliche Ansprüche und welche kreativen Ideen von den Trägern kommen. Frau Ministerin, er soll aber nicht zu einem Debattierklub werden, aus dem letztendlich keine Expertisen mehr kommen und in dem auch keine Beratungen mehr stattfinden.
Man muss sich entscheiden: Entweder man will alle beteiligen, macht aus diesem Ausschuss einen Debattierklub, oder man beschränkt sich auf wenige fachkundige Gre
mienvertreter. Dann hätte man in diesem Bereich viel erreicht. Sie sollten sich überlegen, ob der Landesjugendhilfeausschuss in der Form, wie Sie sie vorschlagen, zukunftsfähig ist. Unserer Ansicht nach ist er das nicht. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute beraten wir in erster Lesung über den Entwurf für ein Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch. In diesem Gesetz sollen sechs Einzelgesetze gebündelt werden. Im Einzelnen werden folgende Gesetze in das künftige hessische Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch aufgenommen: das Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, das Hessische Kindergartengesetz, das Jugendbildungsförderungsgesetz, das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes in der Jugendarbeit, das Ausführungsgesetz zum Jugendschutzgesetz und das Ausführungsgesetz zum Unterhaltsvorschussgesetz. Damit folgen wir Vorgaben des Bundes und auch des TAG.
Dies ist auch ein großer Beitrag zur Vermeidung von Bürokratie in diesem Bereich. Die CDU-Fraktion begrüßt das außerordentlich.
Gleich in § 1 gibt es eine Bestimmung über den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch und Gewalt. Auch damit werden bundesrechtliche Vorgaben umgesetzt. Hierzu gab es bereits eine sehr informative Anhörung. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den weiteren Beratungen sehr konstruktive und einvernehmliche Ergebnisse bekommen werden.
Neu an diesem Gesetzentwurf ist auch, dass der gesamte Bereich Kinderbetreuung sowie die frühkindliche Bildung zu einem Gesamtsystem zusammengefasst werden. Meine Damen und Herren, auch das beinhaltet Bildung von null bis zehn Jahren – das wurde hier von Ihnen eben kritisch angesprochen. Als CDU-Fraktion begrüßen wir dies außerordentlich.
Besonders erwähnen möchte ich im Teil des Kindergartengesetzes den § 28. Er regelt zum ersten Mal den finanziellen Ausgleich zwischen den Kommunen für den Fall, dass der Wohn- und der Betreuungsort des Kindes verschieden sind. Dies ist besonders wichtig, da das den Eltern erlaubt,die Kinderbetreuung flexibler zu handhaben. Sie können ihre Kinder nunmehr wesentlich leichter in der Nähe ihres Arbeitsplatzes betreuen lassen.Dies ist ein wesentlicher Fortschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine sehr praktische Regelung.
Unter anderem wird dieser Gesetzentwurf auch die rechtliche Grundlage für das BAMBINI-Programm schaffen, also den Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren sowie die Möglichkeit der Gebührenfreistellung des letzten Kindergartenjahres regeln.
Vor der Kommunalwahl gab es auf kommunaler Ebene intensive Überlegungen zur Reduzierung der Kindergartenbeiträge. Jenseits der Parteigrenzen kam es hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einige waren dafür, an
dere dagegen. Resultat war ein Flickenteppich unterschiedlicher Absichten in diesem Bereich. Daher ist es sinnvoll, jetzt eine einheitliche hessenweite Regelung zu finden. Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass die Sozialministerin ein derartiges Gesamtkonzept vorgelegt hat.
Durch das BAMBINI-Programm werden Familien finanziell spürbar entlastet, um jährlich bis zu 1.200 c. Dies ist für Familien auch notwendig, weil sie aufgrund ihrer besonderen Belastungen dieses Geld sehr nötig haben.Auch die schon von mir erwähnte Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird erleichtert.
Das Gesamtvolumen des BAMBINI-Programms beträgt 110 Millionen c. Die alte rot-grüne Bundesregierung hatte beschlossen, dass die Einsparungen der Kommunen im Zuge des Hartz-IV-Gesetzes für die Kinderbetreuung verwendet werden sollen.Dies setzen wir nun konsequent und einheitlich um.
65 Millionen c fließen in einen Fonds. Die Kommunen müssen das letzte Kindergartenjahr für die Eltern gebührenfrei stellen und erhalten nach entsprechender Antragstellung monatlich 100 c pro Kind. Das ist in jedem Falle mehr als derzeit, weil hessenweit keine Kommune derzeit einen Betrag von mehr als 100 c verlangt. Daher machen auch die Kommunen hier einen positiven Schnitt.Sie können diesen Beitrag in die Qualitätsverbesserung einfließen lassen, wie das hier oft besprochen wurde.
Insofern freue ich mich, dass Frau Eckhardt auch in ihrer Heimatzeitung neulich berichtet hat, dass Sie die Kommunen auffordern, dieses Geld abzurufen.
(Reinhard Kahl (SPD): Was denn sonst? – Petra Fuhrmann (SPD): Bitte? Das ist doch Geld der Kommunen! Das ist doch logisch!)
Ja, das ist natürlich auch möglich, das ist in Ordnung, hervorragend. – Es ist auch bemerkenswert, dass die grüne Kasseler Sozialdezernentin von einem richtigen Schub für neue Arbeitsplätze bei dem BAMBINI-Programm gesprochen hat. Es war die gleiche Zeitung, die das erwähnt hat.
Herr Rentsch, ich wollte noch einen Satz zu ihren Ausführungen zur Familie sagen. Ich halte Familien als Rückgrat der Gesellschaft für wichtig. Wir sollten alles tun, um Familien in dieser Weise zu unterstützen.
Für Eltern ist dieses Programm doppelt positiv. Denn auf der einen Seite werden sie finanziell entlastet, was notwendig ist; auf der anderen Seite werden geeignete Bildungsangebote in den Kindertagesstätten eingerichtet, um die Kinder auf die Schule vorzubereiten.
Gerade im letzten Kindergartenjahr ist das wichtig. Deswegen haben wir dort einen Schwerpunkt gesetzt.
(Petra Fuhrmann (SPD): Warum dann Ihre Ablehnung unserer Haushaltsanträge noch zum Haushalt dieses Jahres?)
Hier wird durch entsprechende Bildungsangebote im Kindergarten der Übergang in das Schulleben erleichtert und verbessert. Das ist auch notwendig.
Daher kann es nicht hoch genug eingeschätzt werden, dass die Kinder im letzten Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt werden, damit sie in diesem Jahr den Kindergarten auch besuchen. Denn es gibt bestimmte Gruppen, die das noch nicht tun, und die Kommune muss Wert darauf legen, dass alle dieses letzte Kindergartenjahr besuchen.
Die anderen 45 Millionen c werden für den Ausbau des Betreuungsangebotes für Kinder unter drei Jahren verwandt. Mit den rund 16.000 Plätzen, die wir im Moment bei den Kinderkrippen und Tagesmüttern und -vätern vorweisen können, haben wir derzeit einen Stand – die Ministerin sprach davon – eines Versorgungsgrades von ca.10 %.Mit den Mitteln des BAMBINI-Programms wollen wir einen großen Schritt in die Richtung tun, diese Betreuungsquote im Jahr 2010 auf 20 % zu erhöhen.