Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

(Beifall bei der CDU – Hildegard Pfaff (SPD): Das ist purer Unsinn!)

Die Debatte über ein Projekt wie Ticona muss niemanden freuen. Wir werden das, wie alle anderen Projekte auch, im Planungsverfahren lösen. Das ist nicht das Problem. Bei der Debatte, die momentan darüber geführt wird, wie schwierig das mit einem Chemiewerk ist, muss bedacht werden,dass Sie in den Neunzigerjahren dafür gesorgt ha

ben, dass jede Alternative zu dem Überflug des Chemiewerks mit immer mehr Belastung von Bürgern verbunden ist, weil Sie eben so haben bauen lassen. Deswegen gab es diese Blockaden.

Wer heute sagt, es sei unverantwortlich, über ein Chemiewerk zu fliegen, weil das möglicherweise gefährlich sei, lädt die Flugzeuge ein, über Wohngebiete zu fliegen, oder ist gegen die Entwicklung auf dem Frankfurter Flughafen.

(Beifall bei der CDU)

Ich regele lieber ein Problem mit einem Chemiewerk, als die Flugzeuge mehr als nötig über Wohnbebauung zu jagen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Hessische Landesregierung hat in der rechtlichen Auseinandersetzung mit Ihnen als Opposition und mit anderen eine hinreichende Erfahrung. Der Auseinandersetzung vor einem Gericht, wer immer sie führen wollte, ob die Abwägung eines Planungsministers sein muss, lieber über Wohngebiete oder lieber über Industriegebiete fliegen zu lassen, sehe ich relativ gelassen entgegen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Völlig unsinniger Ansatz! In schwerer Not sind Sie!)

Herr Kollege Kaufmann, es ist gut, dass Sie sagen, es sei der falsche Ansatz. Lieber verzichten Sie auf 40.000 Arbeitsplätze, als diesen Konflikt zu lösen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 400.000!)

Ich sage Ihnen:Wir lösen lieber diesen Konflikt und schaffen in diesem Land Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viele Leute sind dann ohne Arbeitsplatz bei Ticona? Mein lieber Mann, ihr habt Probleme!)

Wir sehen als Landesregierung natürlich mit Interesse, wie sich die sozialdemokratische Fraktion am Ende zu diesem Projekt einlassen wird.

(Jürgen Walter (SPD): Sie lösen den Konflikt nicht!)

Wir haben hier dem Landtag erstmals die Möglichkeit gegeben, darüber zu entscheiden, ob die Planung prinzipiell aus öffentlichem Interesse notwendig ist und nicht mehr nur eine Entscheidung der Regierung ist, sondern auch eine Entscheidung, die in der Verantwortung des Parlaments liegt. Bei dieser Frage, ob es die Verantwortung des Parlaments wird oder nicht,werden die Sozialdemokraten Farbe bekennen müssen.Wenn Herr Walter vorsichtig andeutet, man könne sich vorstellen, die Nordwestbahn zu nehmen, wird er von Frau Ypsilanti gleich wieder zurückgepfiffen.Wir wollen jetzt einmal sehen, wer da wie pfeift. Das wollen Sie ja in den nächsten Wochen klären.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das werden wir sehen!)

Frau Ypsilanti, das werden wir sehen. Ich bin da völlig unbesorgt. Ich bin in jeder Hinsicht völlig unbesorgt, das ist überhaupt keine Frage. Das ist nicht mein Thema.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine Entscheidung, die Ihre Partei zu treffen hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Wir pfeifen noch lange nicht aus dem letzten Loch wie Sie!)

Meine Damen und Herren, eines ist doch klar. Sie werden an dieser Stelle aufhören müssen, Ihre Taktik fortzusetzen, die Sie jetzt hier seit Jahren machen: immer mit verschränkten Armen hämisch neben dem Genehmigungsverfahren zu stehen und zu hoffen, dass etwas schiefgeht, damit Sie sich profilieren können. – Das war nie loyal zu dieser Region. Das war nie loyal zu den Menschen, die in Zukunft Arbeit brauchen. Aber jetzt sind Sie im Parlament mit gefragt.Sie können mit Ja,Nein oder Enthaltung stimmen.Sie werden aber bis zur nächsten Wahl den Menschen nichts mehr vormachen können. Sie wollten es so hinstellen, als sei die Regierung zu dumm dafür. Sie werden sich selbst eine Meinung bilden müssen und in der Öffentlichkeit dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Das ist eine sehr gute und richtige Entscheidung, die wir dabei haben.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir hier über diese Fragen reden, die wir bei diesen wichtigen und spannenden Themen mit durchaus kontroversen Entscheidungen haben, wird das sicherlich auch in Zukunft nur gehen, wenn auf der anderen Seite die Art und Weise, wie es gemacht wird, und die Bilanz dessen, was wir bisher getan haben, in dem Zusammenhang auch stimmen.

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Sie haben gesagt, die Regierung sei juristisch auf dem Holzweg beim Ballungsraumgesetz – das dank Ihrer sozialdemokratischen Initiativen jahrelang verzögert wurde. Das ist okay, das ist legitim. Sie haben vor dem Staatsgerichtshof verloren.

Sie haben anschließend gesagt, die Haushaltspolitik von Karlheinz Weimar sei verfassungswidrig. Sie haben vor dem Staatsgerichtshof verloren.

Sie haben gerade in letzter Zeit gesagt, die Maßnahmen des Personalmanagements, Personalvermittlung, „Operation sichere Zukunft“, seien verfassungswidrig. Sie haben vor dem Staatsgerichtshof verloren.

Viele andere haben es versucht, etwa in der Frage des Frankfurter Flughafens. Ihr bis vor kurzem gewünschter Spitzenkandidat Gerhard Grandke hat sogar einmal versucht, den gesamten Flughafen mit seiner jetzigen Betriebsgenehmigung vor dem Verwaltungsgerichtshof infrage zu stellen. Er hat damit verloren.

Ticona hat versucht, gegen den Überflug zu klagen. Sie haben vor dem Verwaltungsgericht verloren.

Wir haben einen Weg vor uns, auf dem wir Stück für Stück über viele Hürden und Hindernisse gehen müssen. Aber wir haben eine Autorität mit uns:Wir konnten in den letzten Jahren zeigen, dass wir auch in schwierigen Fragen nicht nur mutig entschieden haben, sondern auch so entschieden haben, dass es allen Überprüfungen, die es von außen gegeben hat, standhält. Das soll auch in Zukunft unser Markenzeichen sein.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Ministerpräsident, wieso gibt es die Abstimmung über den Landesentwicklungsplan? Weil Sie verloren haben! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das hat nichts miteinander zu tun!)

Nein, es ist nicht, weil wir verloren haben, sondern die Landesentwicklungsplanung ist ähnlich:Wir haben in der

Tat eine Veränderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von früher zur Kenntnis zu nehmen. Das alte Urteil wird überarbeitet, entsprechend muss das angepasst werden. Das wird es auch immer geben, aber das hat keine Zeit gekostet.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben alle wichtigen Entscheidungen, auch im Bereich des Flughafens, Gott sei Dank und glücklicherweise, gewonnen. Es wird aber nicht nur darum gehen, dies mit den zukünftigen Themen zu machen. Es wird natürlich auch darum gehen, jetzt langsam, Stück für Stück mehr, sich die Frage zu stellen, ob die Leistungsbilanz denn tatsächlich mit dem übereinstimmt, was wir angekündigt haben.

Ich will ein Thema ansprechen, das Sie nicht erwähnt haben. Wir waren ein bisschen erwartungsfroh, ob Sie sich als neuer Protagonist für den Straßenbau in Zukunft auch für die Härte der inneren Sicherheit im Justizvollzug einsetzen wollen. Das Thema haben Sie aber dann ausgelassen. In der Justizpolitik und in der inneren Sicherheit haben wir in den letzten Jahren sehr viel verändert. Wir haben debattiert, was mit den Strafgefangenen passiert, wenn wir den Strafvollzug mit Klarheit und Härte versehen.

In der Tat,ich räume ein,dass man sehen muss,wie viel offenen Strafvollzug es in Hessen während der rot-grünen Zeit gab. In den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren gab es einmal 686 Strafgefangene im offenen Vollzug. Sie sind 1998 mit dem Doppelten, bis 1.200 und 1.300 pro Jahr, gekommen.Wir sind heute bei weniger.Wir sind bei 380. Das ist richtig. Aus unserer Sicht ist diese Veränderung ein Signal, das politisch gewollt war und bei dem wir den Bürgerinnen und Bürgern am Ende auch sagen, dass wir, wie an vielen anderen Stellen auch, schlicht und ergreifend das gemacht haben, was wir versprochen haben.

Aber, meine Damen und Herren, das hat natürlich auch Folgen. Stellen Sie sich einmal die Frage, wie viele Missbräuche es bei Hafturlauben etwa zu Ihrer Zeit gegeben hat und wie viele heute. Da muss ich feststellen, dass wir im Jahr 1998 bei 261 im Jahr waren.Heute sind wir bei drei im Jahr. Das ist eine Veränderung der Arbeit. Ich will gar nicht fragen, wie viele Leute Ihnen davongelaufen sind. Sie wissen, dazu konnten wir damals wöchentliche Festivals feiern.Im Jahr 1999 waren wir noch bei 26.Heute sind wir bei einem, zwei oder drei Fällen. Wir haben mit dem, was wir gemacht haben, das getan, was wir versprochen haben. Wir haben es aber handwerklich so gemacht, dass es auch funktioniert. Das ist etwas, was die Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten und von dem ich glaube, dass es eine Chance hat, so gesehen und geachtet zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir werden das für die Zukunft nur gestalten können, wenn wir zweierlei machen, wenn wir nämlich die Kräfte der Menschen herausfordern und nicht davon ausgehen, dass der Staat alles regeln kann. Die Kräfte der Menschen herauszufordern und nicht davon auszugehen, dass der Staat alles machen kann, hat eine Menge von verschiedenen Konsequenzen. Das beginnt bei der Ausbildung junger Menschen, bei Ausbildungsprogrammen, die damit zusammenhängen, wo wir viel mehr tun, als wir in der Vergangenheit getan haben. Das geht weiter mit der Frage, dass wir älteren Menschen – nicht nur jungen, sondern auch älteren – als

erstes Bundesland mit einem eigenen Programm „Erfahrung hat Zukunft“, das in diesem Haushalt eine Rolle spielen wird,die Chance geben,durch die Vorbildfunktion des Landes wieder in Arbeit und Beschäftigung hineinzukommen, aber in einer Weise, dass es sich dauerhaft im Bereich der privaten Wirtschaft abspielen muss.

Wir haben für das Ehrenamt mehr getan als je zuvor. Die Ehrenamtscharta ist nur ein äußeres Symbol und Beispiel dafür, dass jeder, der uns in dieser Gesellschaft hilft, auch ein Stück Anerkennung und Wertschätzung persönlich dafür verspüren kann. Wir sind inzwischen das Stiftungsland Nummer eins in der Bundesrepublik Deutschland mit weitem Vorsprung vor denen, die früher dort an der Spitze waren.

Meine Damen und Herren,wenn Sie wieder über Hessens Frauen reden oder wenn es um die Frage der Integration ausländischer Mitbürger geht, ist kein anderes Bundesland mit seinen Modellen so gefragt wie Hessen.Wir sind das Vorbildland für Integration bis hin nach Berlin zum dortigen Senat, der das kopiert, was wir machen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben einen sehr starken Sinn dafür, dass auch in Zukunft alles getan werden muss,damit möglichst viele Menschen gemeinsam an diesem Erfolg des Wachstums eines Landes teilnehmen.Wir haben nach wie vor einen großen Sinn dafür, zu sehen, in welcher Weise wir Innovationen brauchen, und wir leisten unseren Beitrag dazu. Schauen Sie in die Universitätslandschaft hinein. Sie haben in den Neunzigerjahren jahrelang den Hochschulhaushalt als Steinbruch für Ihre Haushaltskürzungsmaßnahmen benutzt, während wir seit Jahren darangehen, diesen Haushalt Stück für Stück nach oben zu führen. Sie müssen sehen, was im Augenblick an der Frankfurter Universität neu entsteht und wie sich die rechtlichen Verhältnisse in Darmstadt gewandelt haben, welche Erfolge die Medizin zwischen Gießen und Frankfurt gemeinsam in einem Netzwerk mit dem Max-Planck-Institut hat, das es so nirgends gibt. Sie müssen sehen, welche Vorstellungen wir für die Entwicklung der Hochschulen und auch der Hochschulbauten in Nordhessen haben.Die Universitäten werden im Augenblick runderneuert.

Wir machen aber nicht nur das, sondern auch etwas, was Sozialdemokraten nie wollten: Die Brücke zwischen dem, was die Wissenschaft kann, einerseits und dem, was die Wirtschaft daraus macht, andererseits wird erstmals gezielt und organisiert nach vorn getrieben. Heute gibt es eben die Pläne für das Anwenderzentrum in Kassel. Heute gibt es die konkreten Projekte für ein Nanotechnologiezentrum in Mittelhessen. Heute gibt es bereits den Gesellschaftsvertrag und den Beginn der Arbeit des Galileo-Zentrums in Darmstadt. Es gibt den Vertrag mit Lufthansa und der Flugsicherung zu ECAD, um uns zu einem der großen Zentren für Luftfahrtforschung zu machen.

(Norbert Schmitt (SPD): Da haben Sie gerade gekürzt!)

Es gibt das Frankfurter Innovationszentrum für Biotechnologie, während Sie die Insulinproduktion aus Deutschland vertrieben haben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist schlicht und ergreifend der Unterschied zu dem, wie wir es machen.

Herr Kollege Walter, Sie erlauben, dass ich die Detaildiskussion des ersten Teils Ihrer Rede in den Fachausschuss verweise.