Jetzt wird von Ihrer Seite eingewandt, das sei ein starker Satz gleich am Anfang. Herr Milde, Sie erwarten, dass ich das, was ich jetzt gesagt habe, auch belege. Da wir in einer Haushaltsdebatte sind, macht man so etwas sinnvollerweise anhand des konkret vorgelegten Haushalts. Ich würde dies auch gerne tun und mich mit dem vorgelegten Haushaltsplanentwurf auseinandersetzen. Aber dies ist nur sehr eingeschränkt möglich, weil dieser vorliegende Haushaltsplanentwurf eigentlich nicht beratungsfähig ist.
Was ich jetzt vorhabe, ist gewagt, nämlich in einer Generaldebatte über unsere Haushaltssystematik zu reden. Aber es gibt so einen Punkt, wo wir als Gesamtparlament ein Interesse daran haben, dass das eigentlichste Recht eines Parlaments, nämlich einen Haushalt ordentlich beraten zu können, also das Budgetrecht, eingehalten wird. Bei dem, was wir hier tendenziell vorgelegt bekommen haben, sehe ich die Gefahr, dass das Budgetrecht des Haushaltsgesetzgebers dauerhaft verletzt wird.
Dieser Haushalt ist nämlich vollständig intransparent. Er ist nicht steuerungsfähig. Ob dieser Haushalt in der vorgelegten Form dem Grundsatz der Haushaltsklarheit entspricht oder ob hier nicht die verfassungsmäßig verbürgten Rechte des Parlaments verletzt werden, ist mehr als fraglich. – Ich bitte um Entschuldigung, es dürfte jetzt etwas trocken werden.
Herr Kollege Milde, einiges von dem, was ich hier sage, mag in Ihrem Bereich auch eine Rolle spielen. Nur, es geht hier um das grundlegende Recht unseres Parlaments, deshalb möchte ich das ansprechen.
Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten meinen, alles, was in einem Haushalt veranschlagt ist, muss auch vom Parlament geändert werden können. Das heißt konkret: Ziele, Produktdesign, Bezugsgrößen, Kennzahlen zur Produktqualität, Kosten und schließlich die Produktabgeltung müssen veränderbar sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren,dazu muss das Parlament aber auch befähigt sein. Das heißt, wenn das Parlament das Produktdesign ändern will, muss es über die Kosten der Teilleistungen informiert sein. Nur dann hat das Parlament ein echtes Leistungscontrolling in der Hand, und dies ist momentan nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir als Haushaltsgesetzgeber momentan dabei sind, diese ureigenste Kompetenz des Budgetrechts über SAP an die Landesregierung abzutreten – und dafür bezahlen wir noch 29 Millionen c im Jahr.
Damit es nicht ganz so trocken wird, will ich es an einigen Beispielen deutlich machen. Sie kennen die Systematik: Produkt, Leistungsbeschreibung und dann die Abgeltung. Paradebeispiel für ein vollkommen heterogenes Produkt ist das ministerielle Standardprodukt. Jeder von Ihnen, der sich den neuen Produkthaushalt einmal angesehen hat, wird an irgendeiner Stelle auf das ministerielle Standardprodukt gestoßen sein. Es heißt: „Politikgestaltung und -vermittlung sowie Beratung und Unterstützung der Landesregierung“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Produkt ist so grob definiert, dass man theoretisch ein ganzes Ministerium unter dieser Bezeichnung budgetieren könnte. Kein Mensch weiß, was mit den Mitteln dieses Produktes geschehen soll. Kein Mensch weiß, was mit diesen teilweise
zweistelligen Millionenbeträgen tatsächlich geschieht. Wenn man das so heterogen veranschlagt, brauchen wir als Parlament uns eigentlich nicht mehr mit diesem Haushalt auseinanderzusetzen.
Aus der kursorischen Lesung wurde berichtet, dass mittlerweile auch der Landesregierung klar geworden ist, dass diese Produktmonster nicht mehr handhabbar sind. Um es ein bisschen aufzulockern, will ich das an ein paar Beispielen verdeutlichen. Ich ziehe immer den Einzelplan 04 heran, weil er komplett umgestellt ist. Wir haben in dem Einzelplan 04 unter dem Produkt „Weiterbildung von Lehrkräften“ eine Zählgröße, die heißt: „Menge: 330 durchgeführte Prüfungen pro weitergebildeter Lehrkraft“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, 330 Prüfungen pro weitergebildeter Lehrkraft – das ist völlig gaga.
Sie sind kein Freund der Lehrer unseres Landes, und Sie tun ihnen nichts Gutes. Aber wenn Sie Lehrer weiterbilden, fordern Sie von ihnen doch keine 330 Prüfungen. Es steht aber im Haushalt. Was soll man mit so etwas anfangen?
Sehr schön auch das Produkt „Service Medien Land“, ebenfalls im Einzelplan 04. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist „Service Medien Land“? Das ist die Bezeichnung des Produkts. Dann gibt es die Leistungsbeschreibung. – Frau Wolff ist anwesend. Frau Wolff, das ist Ihr Haushalt, vielleicht hören Sie einen Augenblick zu. Herr Kollege Wagner, ich spreche gerade Frau Wolff direkt an.
In Ihrem Haushalt steht das Produkt „Service Medien Land“. Dann folgt die Leistungsbeschreibung dieses Produktes „Service Medien Land“. Diese lautet: „Service Medien Land“.
Das heißt also: Das Produkt „Service Medien Land“ wird beschrieben mit der Formulierung „Service Medien Land“. Das wäre alles wirklich lustig, wenn hier nicht bei der Abgeltung 2,24 Millionen c stünden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, 2,24 Millionen c, von denen wahrscheinlich kein Mensch, noch nicht einmal Sie, auch nur ahnt, was damit passiert – so einen Haushalt legt der Finanzminister vor.
Lieber Herr Milde, dass ich mit meinen Ausführungen nicht ganz falsch liege, wird dadurch bestätigt, dass Sie bzw. die Landesregierung selbst eingeräumt haben, dass es nun Zeit wird, sich mit den Kennzahlen zu befassen. Das zeigt, dass die Landesregierung ihr eigenes System nicht verstanden hat. Hätte sie das System nämlich verstanden, hätte sie nach allen rationalen und betriebswirtschaftlichen Kriterien die Definition von Verwaltungsprodukten, Bezugsgrößen und Kennzahlen für die Qualitätsmessung in einem Guss mit den Produkten entwickelt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dabei wäre Ihnen aufgefallen, dass das, was Sie bis jetzt definiert haben, überwiegend Unsinn ist.
Ich habe ja gesagt, was ich hier in der Generaldebatte sage,ist alles gefahrgeneigt.Herr Kollege Boddenberg,ich will Ihnen noch ein paar weitere schöne Blumen aus dem Haushalt Ihrer Landesregierung darstellen. Ich bleibe immer im Einzelplan 04. So gibt das Land für die Fortbildung von Lehrkräften an Grund-, Haupt-, Real- und Förderschulen im nächsten Jahr 89 Cent pro Lehrer aus.
Das heißt, Sie gehen von rund einer Million Lehrkräften aus und bezahlen für jede von ihnen 89 Cent.Völliger Unsinn, was in diesem Haushalt steht.
Wir haben das gegliederte Schulsystem, und deshalb muss das alles sehr genau gemacht werden. Da wird auch sehr genau unterschieden zwischen Hauptschulen und Gymnasien. Frau Wolff ist immer sehr genau bei der Gliederung. Deshalb haben wir einen Einzelplan mit dem Produkt „Fortbildung Studienseminare Gymnasien“. Dafür steht im Schnitt weniger Geld zur Verfügung, nämlich nur 0,13 c.Allerdings geht Frau Wolff in ihrem Haushalt von 659.208 Gymnasiallehrern aus.
Nur um die Absurdität noch auf die Spitze zu treiben: Es gibt da noch ein Produkt „Verpflegung“ im Amt für Lehrerbildung. Bei der Verpflegung im Amt für Lehrerbildung wird Wiedergutmachung für die Beschimpfung der Lehrerinnen und Lehrer in den letzten Jahren geleistet. Es werden nämlich 31.900 Mahlzeiten zu einem Preis von je 29,89 c, also rund 30 c pro Mahlzeit, veranschlagt. Na dann: den Lehrern eine gute Mahlzeit.
Wieder ernsthaft: Der Rechnungshof in Baden-Württemberg hat das dortige neue Steuerungsinstrument evaluiert und kommt zu verheerenden Ergebnissen. Die Kosten sind nach Ansicht des Rechnungshofs exorbitant, Einführung und Betrieb der neuen Systeme sehr, sehr teuer und Effizienzgewinne bislang nicht ersichtlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,ich bin davon überzeugt,dass,wenn unser Rechnungshof die bisherigen Ergebnisse, Kosten und Effizienzgewinne der neuen Steuerung in unserem Landeshaushalt überprüfen würde, die Ergebnisse noch verheerender wären. Denn bei uns ist es noch teurer, und es kommt noch weniger dabei heraus. Das Parlament wird in seinem Recht der Budgetkontrolle letztlich ausgeschaltet.
Um es deutlich zu machen: Wir bekennen uns zur Notwendigkeit einer Verwaltungsmodernisierung. Aber das, was hier unter dem Schlagwort „neue Verwaltungssteue
rung“ vorgelegt wird, ist nichts anderes als ein absoluter Etikettenschwindel. Sie verkaufen uns ein pseudo-betriebswirtschaftlich-wissenschaftliches Blendwerk als eine Optimierung von Verwaltungsabläufen, und dabei verwechseln Sie permanent Input und Output.
Herr Boddenberg, eigentlich wäre die CDU-Fraktion zufrieden, wenn nur die Gesamteinnahmen und die Gesamtausgaben aufgeführt würden. Das wäre auf einem Blatt zu verankern. Das würde Ihre Fraktion einstimmig beschließen, und die Landesregierung könnte dann machen,was sie wollte.Das,was momentan vorliegt,ist nichts anderes.