Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

Aber – jetzt plaudere ich aus dem Innenleben der Opposition, die Sie selbst aus Ihren Oppositionszeiten kennen –: Wenn ich etwas über das wissen möchte, was die Landesregierung plant, frage ich bei bestimmten Themen die Lobbyverbände. Denn die, die für teures Geld Industrieinteressen vertreten, haben die Informationen über die Programme der Landesregierung in der Regel früher als jeder Oppositionsabgeordneter, manchmal auch früher, wie ich feststellen musste, als die Regierungsfraktion. Ich sage an der Stelle: Dieses Ungleichgewicht in der Gesellschaft, dass Menschen, die aufgrund ihrer Stellung z. B. als Wirtschaftsverbandsvertreter bevorzugt werden, während der einfache Bürger in der gleichen Situation mit weniger Informationen auskommen muss, ist langfristig demokratieschädlich. Deshalb ist diese Einschränkung falsch, auch wenn es ein Regierungsprivileg geben muss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die nächsten restriktiven Teile sind klar. Erster Punkt. Dort wird das rechtliche Interesse formuliert. Es gibt eine Richtlinie, die Grundlage ist, und überhaupt keine Einschränkung für das Interesse. Jeder Bürger, völlig gleich von welcher Ausgangsposition aus, hat ein Zugangsrecht zu Informationen.

Zweiter Punkt. Kontrolle privater Informationspflichtiger, eine administrative Kontrolle eingebaut.

Letzter Punkt. Keine Verpflichtung, die Öffentlichkeit zu informieren.

Ich will die Redezeit nicht verlängern, weil wir die Punkte schon einmal in der ersten Lesung diskutiert haben, sondern ich würde Sie bitten, nachdem eine dritte Lesung beantragt ist, in der Tat darüber nachzudenken, ob der mündige Bürger nicht auch ordentliche Informationen bekommen sollte. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Apel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Recht auf Informationen und die Möglichkeit, diese Informationen zu bekommen, sind wichtige Bestandteile unserer demokratischen Gesellschaft. Umfassende sachliche und zeitnahe Informationen über aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen im Umweltbereich bilden die Grundlage für eine objektive Meinungsbildung mündiger Bürgerinnen und Bürger. Das hessische Umweltinformationsgesetz, so, wie wir es heute in zweiter Lesung beraten, dient der Umsetzung der EU-Umweltinformationsrichtlinie und wird erforderlich, da das Umweltinformationsgesetz lediglich den Zugang zu Umweltinformationen gegenüber informationspflichtigen Stellen des Bundes regelt. Informationspflichtige Stellen des Landes werden vom Bundesgesetz hingegen nicht erfasst. Der Gesetzentwurf der Landesregierung setzt diesen Regelungsauftrag 1 : 1 um.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist doch gar nicht wahr!)

Dabei ruht die Umweltinformation auf zwei Säulen: einerseits dem Anspruch auf Zugang zu Informationen und andererseits der aktiven Informationspflicht der informationspflichtigen Stellen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Damit behindert man aber!)

Mit dem Gesetz wird erreicht, dass alle Bürgerinnen und Bürger umfassende Auskünfte zu Umweltfragen einholen können. Neben Landes- und Kommunalbehörden gilt dies auch für private Stellen, soweit diese der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Großer Wert wird im Gesetz auch darauf gelegt, die Umweltinformationen soweit wie möglich über öffentlich zugängliche Informationsnetze und Datenbanken bereitzuhalten und auf diese Weise aktiv zu unterstützen. Gleichzeitig hilft es, den zu erwartenden Verwaltungsmehraufwand zu begrenzen.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Erstellung von regionalen Umweltzustandsberichten halten wir, wie im Übrigen auch die SPD-geführte Landesregierung in Rheinland-Pfalz, für entbehrlich. Im Hinblick auf eine schlanke Umsetzung halten wir darüber hinaus auch die Einrichtung eines Landesbeauftragten für Umweltinformationen für entbehrlich.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Warum?)

Der Gesetzentwurf der Landesregierung leistet einen wichtigen Beitrag zu noch mehr Bürgerfreundlichkeit, zur Stärkung des Verbraucherschutzes und zur Transparenz im Umweltbereich. Wir werden diesem Gesetzentwurf der Landesregierung auch in dritter Lesung ohne Änderung in der vorliegenden Form zustimmen.– Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Ursula Hammann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz Anhörungskritik halten Sie an der falschen Linie fest!)

Nächster Redner ist Herr Heidel für die FDP.

(Beifall bei der FDP)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorgelegte Umweltinformationsgesetz,das wir in einer dritten Lesung bearbeiten werden, ermöglicht es uns, noch einmal deutlich zu machen – das will ich im Nachgang zur Kollegin Apel noch einmal ausdrücklich erwähnen –, dass hier europäisches Recht 1 : 1 umgesetzt wird.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist doch gar nicht wahr!)

Wer etwas anderes behauptet:

(Gernot Grumbach (SPD): Der hat die Richtlinie gelesen! – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann haben Sie es nicht gelesen!)

Das ist falsch. – Frau Kollegin, ausdrücklich werden in den Kreis der informationspflichtigen Stellen auch die Personen des privaten Rechts einbezogen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es geht um die Kontrolle!)

Das ist auch richtig.Aus unserer Sicht wird die Umweltinformation auf den Bereich der gentechnisch veränderten Organismen und auf die Lebensmittelketten erweitert. Die Informationspflicht gerade der öffentlichen Verwaltung des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände wird vor dem Hintergrund miteinbezogen, dass nicht mehr nachgewiesen werden muss, warum ich diese Informationen will, sondern diese Stellen haben voraussetzungslos Informationen zu geben.

Wir hatten nach der Anhörung einen Änderungsantrag eingebracht, der leider von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt wurde.

(Nicola Beer (FDP): Leider!)

Wir hatten auf eine stärkere Betonung der schutzwürdigen Vertraulichkeiten bei den Beratungen gesetzt. Da geht es darum, Betriebsgeheimnisse einzubeziehen. Das hat die Mehrheitsfraktion abgelehnt.

(Nicola Beer (FDP): Hört, hört!)

Wir hätten gerne gesehen, dass hier auch die Verwaltung kritisch hinterfragt wird und sich stärker in die Vereinbarung über die aktive Unterrichtung der Öffentlichkeit einbringen muss. Dies wurde leider abgelehnt.

Dennoch halten wir dieses Gesetz in den Grundzügen bei der Umsetzung des europäischen Rechts für zustimmungsfähig. Wir bedauern, dass unser Antrag abgelehnt worden ist, werden dem Gesetz aber letztendlich zustimmen. – Danke.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Dietzel das Wort.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Passen Sie bei dem Pult auf! – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorsicht, der Dübel ist nicht fest!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 1990 wird in der Europäischen Union über das Gemeinschaftsrecht der Umweltinformationen diskutiert. Es gab eine erste Richtlinie, die 1994 in Deutschland umgesetzt wurde. Heute ist durch eine Weiterentwicklung eine neue Umsetzung auf Landesebene notwendig gewesen.

Meine Damen und Herren, worum geht es inhaltlich? Es geht darum,dass die Richtlinie erweitert werden muss,um den Kreis der zugangsberechtigten Öffentlichkeit zu erweitern und ihr mehr Möglichkeiten zu geben. Im Gegensatz zum alten Recht sind nunmehr alle Behörden zur Herausgabe von vorliegenden Umweltinformationen verpflichtet, darüber hinaus auch die privaten Stellen, die in öffentlich-rechtlicher Kontrolle stehen, z. B. die kommunalen Entsorgungsunternehmen.

Zudem wird der Begriff der Umweltinformation erweitert auf den Bereich gentechnisch veränderter Organismen oder Kontamination der Lebensmittel.

Es sind Fristen eingesetzt worden, die in der Regel einen Monat nicht überschreiten sollten. Außerdem sind die

verantwortlichen Stellen gehalten, selbst, d. h. aktiv, die Öffentlichkeit zu informieren und damit zunehmend elektronische Medien zu nutzen.

Meine Damen und Herren,das geht deutlich über das hinaus, was wir bis jetzt als Umweltinformationsrecht hatten.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Aber immer noch unzureichend!)

Es war für uns wichtig – dazu stehen wir auch –, dass wir bei der Umsetzung der Richtlinie einen strengen 1 : 1Maßstab eingehalten haben. Uns geht es zum Teil auch um einen Abbau von Bürokratie, bzw. wir wollen Bürokratie erst gar nicht entstehen lassen.Wir haben uns auch entschieden, kein bloßes Verweisungsgesetz zu machen, weil wir glauben, dass die Bürger dieses Gesetz auch lesen können müssen. Das heißt, wir haben ein Volltextgesetz gemacht, das klarer, eindeutiger und transparenter ist.

Wie gesagt, auch die Anhörung hat nicht dazu geführt, dass wir Veränderungen vornehmen wollten, da wir an einer exakten 1 : 1-Umsetzung festhalten sollten. Es gab einige Kritikpunkte, keine Frage. Es ging z. B. um das fehlende Widerspruchverfahren.Aber dazu hat sich die Hessische Landesregierung eindeutig geäußert – 17. Oktober 2005,Verwaltungsstrukturreformgesetz:Dieses Verfahren wird bei uns in Hessen abgeschafft.

Auch die Forderung nach einem Informationsfreiheitsbeauftragten wollten wir nicht übernehmen. Wir wollen ein behördliches Überprüfungsverfahren und haben uns dafür entschieden. Wenn wir uns über Abbau von Bürokratie unterhalten, dann dürfen wir gewisse Verwaltungsverfahren gar nicht erst einführen.

Dann bestand die Forderung nach effektiver Umweltberichterstattung. Wir sind der Meinung, es greift zu weit, wenn wir aufgrund der Umweltinformationsrichtlinie regionale Umweltberichte erstellen und veröffentlichen sollen. Wir haben schon genügend Rechtsvorschriften, um die Öffentlichkeit aufzuklären, z. B. die Emissionserklärungsverordnung oder die Inspektionsrichtlinie.

Es wurde auch eine angeblich unzureichende Kostenregelung kritisiert. Wir sind der Meinung, dass die allgemeine Verwaltungskostenverordnung hier angemessen und richtig und eine zusätzliche Regelung über ein eigenes Kostengesetz nicht notwendig ist.

Wir sehen also keinen Grund, den Gesetzentwurf inhaltlich abzuändern.Das sieht die CDU-Fraktion auch so.Wir wollen den bürokratischen Aufwand begrenzen, bei vollständiger Umsetzung der Richtlinie. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist zur Umsetzung der europäischen Umweltinformationsrichtlinie der richtige Ansatz.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Umweltinformationsgesetz. Es ist von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt worden, eine dritte Lesung durchzuführen. Damit wird dieser Entwurf, zusammen mit dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/6363, dem Umweltausschuss überwiesen.