Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Umweltinformationsgesetz. Es ist von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt worden, eine dritte Lesung durchzuführen. Damit wird dieser Entwurf, zusammen mit dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/6363, dem Umweltausschuss überwiesen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Mittagspause gehen, möchte ich Ihnen die Übereinkunft der Geschäftsführer mitteilen:
Wir fangen nach der Mittagspause mit den Punkten 42 und 61 an. Danach rufen wir Punkt 17 auf. Danach folgt Punkt 10, die zweite Lesung des Einmalzahlungsgesetzes. Danach geht es weiter mit Punkt 13, Krebsregistergesetz.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Mittagspause. Wir machen jetzt mit der Tagesordnung weiter. Der Tagesordnungspunkt 42:
Antrag der Fraktion der FDP betreffend Hessen sagt Nein zur Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in Deutschland und zum Eintritt in die Staatsmedizin – Drucks. 16/6303 –
Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessen wehrt sich gegen die Gesundheitsreform 2006 – Drucks. 16/6364 –
Die Redezeit beträgt 15 Minuten. Die erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Hahn für die FDP-Fraktion. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag hat in dieser Woche sehr bewusst noch einmal das Thema Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in Deutschland durch den Kompromiss der Großen Koalition in Berlin auf die Tagesordnung der Plenarsitzung gesetzt. Wir sind der Auffassung, dass die Landesregierung in Hessen nun endlich das Wort gegen diesen Schritt in die Staatsmedizin hinein ergreifen muss, dass sie sich endlich aus der Deckung herausbegeben muss, wie es andere Landesregierungen, auch CDU-geführte, in den letzten Tagen getan haben.
Zukunftsweisend strukturiert,wirtschaftlich und systematisch, so ist die Gesundheitsreform angekündigt worden. Es wurde von Wahlmöglichkeiten, von Wettbewerb, von Transparenz und von finanzieller Stabilität und der Qualität der medizinischen Versorgung gesprochen. Noch heute können Sie diese Worte auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin nachlesen. All diese Worte müssen für Ärzte, für Pfleger, für Apotheker, für die Menschen, die in den vielen Berufen im Gesundheitswesen tätig sind, aber natürlich auch für die Patientinnen und Patienten wie Hohn klingen.
Nichts,aber auch nichts dergleichen ist umgesetzt worden; nichts, aber auch nichts dergleichen wird umgesetzt werden, wenn die geplante Gesundheitsreform verabschiedet wird. Deshalb fordern wir, die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, den Ministerpräsidenten und die fachlich zuständige Sozialministerin Silke Lautenschläger heute auf: Sagen Sie im Bundesrat Nein zu diesem Gesundheitsmurks.
Frau Sozialministerin, mit Ihrem Nein wären Sie nicht alleine. Die von der FDP mitregierten Bundesländer werden der Gesundheitsreform so nicht zustimmen. 90 % der Bevölkerung wären ebenfalls an Ihrer Seite, denn sie lehnen die Gesundheitsreform ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das dürfen Sie nicht ignorieren. Sogar die Widersacher der Vergangenheit scheinen sich zu verbünden: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, gesetzliche Krankenkassen und Privatversicherungen, Ärzte- und Patientenverbände – alle lehnen diese Gesundheitspolitik ab.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, gerade erst vorgestern gab es eine gemeinsame Presseerklärung von der Bundesärztekammer, von der Bundeszahnärztekammer, von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und einer Vielzahl von Gremien, die von diesen vertreten werden. Frau Sozialministerin, die Überschrift lautet: „Gesundheitsreform mit hoher Fehlerquote – handwerkliche Mängel, massive Umsetzungsschwierigkeiten und verfassungsrechtliche Probleme“.
Ich glaube, dass diese Äußerungen die Hessische Landesregierung nicht kalt lassen können. Ich glaube, dass insbesondere die Charakterisierung „nicht umsetzbar“, wie es von den Fachleuten auf allen Gebieten immer wieder zu hören ist, für das Verhalten der Landesregierung nun zwingend Maßstab werden muss.
Es ist ein Irrtum, zu glauben, man könne eine Ein-Klassen-Medizin dadurch erreichen, dass man sagt: Es gibt eine einzige Kasse, es gibt ein einziges ärztliches System, und es gibt ein einziges Niveau bei den Krankenhäusern, bei der Untersuchung und insbesondere bei der pharmakologischen Betreuung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer meint, mit einer Einheitlichkeit des Angebots auch eine Einheitlichkeit und damit eine Einheit der Versorgung zu erreichen, der geht an der Praxis vollkommen vorbei,
der will möglicherweise den Sozialismus, aber jedenfalls nicht eine qualifizierte und qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten in unserem Lande.
Lassen Sie mich insbesondere zwei Punkte herausgreifen. Zunächst zur Bezahlbarkeit. Unstreitig ist seit einigen Wochen, dass die Beiträge steigen werden, und zwar erheblich. Wenn man die Äußerungen der Bundesgesundheitsministerin oder auch anderer hört, so müsste man meinen, es sei schon ein Erfolg, dass durch die Gesundheitsreform die Beiträge nicht so hoch steigen würden. Darf ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der Unionsfraktion daran erinnern, dass Sie mit der Begründung angetreten sind: „Wir müssen eine Gesundheitsreform durchführen, weil wir die Kosten senken müssen“? Das war doch auch in der Regierungserklärung von Angela Merkel der Ansatz gewesen:
„Wir müssen etwas tun, damit die Beiträge sinken.“ – Heute sind Sie schon zufrieden, dass die Beiträge um 0,5 bis 0,7 Prozentpunkte steigen und nicht mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich innerhalb von einem Jahr derartig von seinen eigenen Zielen verabschiedet hat,den will ich nicht fragen,was er will.Ich will ihm nur zurufen: Qualität in der Versorgung der Patienten in Deutschland werden Sie damit nicht organisieren können.
Nun zum Wettbewerb.Wir hören mit Erstaunen,dass über einen Gesundheitsfonds, ein System, das man künftig die „Bundesagentur für Gesundheit“ nennen kann, eine riesige Geldverteilungsanlage aufgebaut werden soll. Dieses System soll dann ungefähr 140 Milliarden c Beiträge nach einem Funktionärssystem verteilen, nicht nach einem wettbewerblichen System oder nach Leistung bezahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hat das eigentlich mit Wettbewerb zu tun? Damit der Wettbewerb überhaupt ausgeschlossen wird,dürfen auch die Krankenkassen nur bedingt Zusatzbeiträge berechnen und Zusatzleistungen anbieten, damit auch tatsächlich ein einheitliches Angebot gemacht wird. Das wird aber nicht auf hohem Niveau sein, sondern das wird der kleinste gemeinsame Nenner auf niedrigem Niveau sein.
Wir möchten eine qualifizierte gesundheitliche und ärztliche Versorgung haben. Der Weg ist ganz eindeutig. Herr Spies hat es schon hereingerufen. Man kann sich in der Diskussion wehren, wie es Herr Spies eben getan hat, indem man den Kritikern sagt,sie hätten alle keine Ahnung.
Herr Spies, wenn Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Patientenverbände und Ärzteverbände, die gesetzlichen Krankenversicherungen und die privaten Krankenversicherungen sagen, dass das, was Sie machen, Murks sei, sollten Sie sich überlegen, ob Sie nicht vielleicht mit Ihrer Argumentation ein bisschen falsch liegen oder irgendetwas nicht verstanden haben.
Es ist klug, nicht ganz so überheblich zu sein, zu meinen: Auch wenn alle gegen mich sind, habe ich recht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist sicherlich nicht gut, wenn alle sagen, es sei gut. Dann hat man bestimmt einen Fehler gemacht. Verehrter Herr Dr. Spies, wenn aber alle dagegen sind, so kann es nicht an intellektuellen Defiziten derjenigen liegen, die die von Ihnen mit Vehemenz verteidigte Reform für falsch halten. Möglicherweise ist die ideologische Vernagelung bei Ihnen so groß,dass Sie nicht sehen,welche Probleme Sie damit hervorrufen.
Wir hören immer wieder, es sei eine Unverschämtheit, dass die Ärzte möglicherweise zwischen der Versorgung von privat und gesetzlich versicherten Patienten unterscheiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer so etwas sagt, hat offensichtlich noch nicht einmal in die Kalkulation einer durchschnittlichen hessischen Arztpraxis geschaut.
Wer schon einmal in eine solche geschaut hat – sei es als Freund, sei es in einem steuerberatenden Beruf, sei es als Rechtsanwalt –, der weiß, dass eine durchschnittliche hessische Praxis nur deshalb noch überleben kann, weil eine starke Quersubventionierung aus dem PKV-Bereich in den GKV-Bereich erfolgt.Ansonsten ist die Praxis pleite.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Vielzahl von Arztpraxen gerade im ländlichen Bereich ist bereits pleite. Ich war gerade in der vergangenen Woche in der Rhön. Dort ist es bereits ein Thema, dass sie eine ortsnahe Versorgung nicht mehr anbieten können, weil es aufgrund des derzeitigen Systems – und Sie wollen es ja noch verschlimmern – nicht mehr möglich ist, wenigstens so hohe Einnahmen zu generieren, dass man eine freiberufliche Arztpraxis vernünftig organisieren kann.