Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Frau Beer, die Reform kann zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in Kraft gesetzt wird, logischerweise noch nicht die Einsparpotenziale aufweisen, die sie später erzielen soll. Das ist wirklich eine Logik, die Sie eigentlich verstehen müssten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt haben Sie uns intellektuell getroffen!)

Ihr nächster Punkt ist: „keine Entbürokratisierung“, und dass mit dem Fonds „ein weiteres bürokratisches Instrument“ hinzukäme. – Ich weiß nicht, ob der Gesundheitsfonds ein solch bürokratischer Mehraufwand sein muss.

(Zurufe von der FDP)

Dieser Fonds soll ab 01.01.2009 die Beiträge der Arbeitgeber, der anderen Sozialversicherungsträger und der Mitglieder der Krankenkassen bündeln.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich wäre da gerne Präsident!)

Ich glaube auch, dass das Fondsmodell die Position der Versicherten stärkt.

(Lachen der Abg. Nicola Beer (FDP))

und sich Krankenkassen in Zukunft im Wettbewerb – das ist ein zentrales Ziel des Fonds – darauf konzentrieren müssen, ihren Versicherten zielgenaue, qualitätsgestützte

(Nicola Beer (FDP): Wettbewerb zum Einheitspreis!)

und effiziente Versorgung anzubieten.

(Nicola Beer (FDP):Auf niedrigstem Niveau!)

Meine Damen und Herren, der Versicherte wird in Zukunft in der Lage sein, das Angebot seiner Kasse nach Leistung und Preis zu beurteilen. Die Krankenkassen erhalten aus diesem Fonds Zusätzliches.

(Heinrich Heidel (FDP): Sozialistische Planwirtschaft!)

Neben der Grundpauschale wird es alters- und risikoadjustierte Zuschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen geben. Derzeit sind es 50 bis 80 Erkrankungen

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Von 10.000!)

es ist nach meinem Kenntnisstand nicht abschließend und noch im Detail zu klären,ob es 50 bis 80 Gruppen sein werden –,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): 40 reichen!)

die dann den sogenannten Morbi-RSA abbilden würden. Ich will an dieser Stelle das Thema Risikostrukturausgleich

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Schulz-Asche – nicht intensivieren. Ebenso wie der Risikostrukturausgleich ist auch der morbiditätsorientierte Strukturausgleich, also der MorbiRSA, etwas für Feinschmecker.

(Lachen der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das würde ich auch sagen!)

Aber uns Gesundheitspolitikern ist doch klar, dass beim RSA schon eine ziemliche Menge Geld hin- und herge

schoben wird. Ich sage für die Nichtgesundheitspolitiker in diesem Hause: Der RSA ist so etwas wie der Finanzausgleich unter den Ländern – damit Sie wissen, über was wir hier reden.

Benötigt die Kasse mehr Geld, muss sie es sich von ihren Versicherten holen. Aber bis maximal 1 % des beitragspflichtigen Einkommens und bis zu einem Betrag von 8 c wird dies ohne Einkommensüberprüfung erhoben. Benötigt sie weniger Geld, kann sie den Versicherten einen Bonus auszahlen. An der Höhe des Bonus oder des Zusatzbeitrages kann der Versicherte sehen, wie wirtschaftlich seine Kasse mit seinen Beiträgen umgeht. Es ist schon ein Unterschied, ob jemand 8 c mehr bezahlen muss oder 10 c herausbekommt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja, das stimmt!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, bei keiner anderen Gesundheitsreform in den vergangenen Jahren wurden so viele Wahlmöglichkeiten für die Versicherten eingeführt. Kostenerstattungstarife,wie sie bei der privaten Krankenversicherung üblich sind und bei der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem letzten GMG für freiwillig Versicherte in der GKV möglich sind, werden jetzt für alle eingeführt. Selbstbehalttarife und Hausarzttarife wird es künftig ebenso wie Wahlmöglichkeiten bei Vorsorge- und Reha-Einrichtungen geben. Dies ist ein wichtiger Schritt zu mehr Eigenverantwortung und zu mehr Wettbewerb.

Meine Damen und Herren, wir wollen weiterhin, dass alle unabhängig von ihrem Einkommen und unabhängig von der Schwere ihrer Erkrankung Zugang zu allen medizinisch notwendigen Leistungen auf der Höhe des wissenschaftlichen Fortschritts haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der CDU/CSU ist es gelungen, die private Krankenversicherung als Vollversicherung zu erhalten.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Leider!)

Gleichwohl – Herr Kollege Spies, das war der Kompromiss mit der SPD – wird sie künftig einige neue Solidarleistungen tragen. Nehmen wir beispielsweise einen Handwerker, der wegen Insolvenz seinen Beitrag nicht mehr bezahlen konnte. Er fiel bisher aus der PKV heraus. Jetzt werden nicht Versicherte zu bezahlbaren Prämien mit dem Basistarif wieder aufgenommen.

Meine Damen und Herren, mit dieser Gesundheitsreform werden erstmalig alle krankenversichert. Immerhin gibt es in Deutschland ca. 200.000 Menschen, die bisher ohne Krankenversicherungsschutz sind. Absolut vernünftig in diesem Gesetzentwurf ist, dass die Folgekosten einer Schönheitsoperation oder von Tätowierungen zukünftig nicht mehr der Solidargemeinschaft auferlegt werden.

Bei aller Kritik an Detailfragen lassen Sie uns nicht vergessen, welche Leistungsausweitungen diese Reform haben wird. Frau Kollegin Schulz-Asche hat freundlicherweise schon darauf hingewiesen. Die Impfungen und Mutter-Vater-Kind-Kuren werden Regelleistungen. Sie bleiben nicht mehr dem Ermessen der einzelnen Krankenkassen vorbehalten. Vorsorgelücken werden zum Wohle der Versicherten geschlossen. Oder nehmen wir den Ausbau der Rehabilitation oder der Palliativversorgung. Es wird zukünftig einen Rechtsanspruch für ältere und pflegebedürftige Menschen auf Rehabilitation geben. Rehabilitation kann danach wohnortnah oder durch mobile Reha-Teams durchgeführt werden. Schwerstkranke

erhalten spezialisierte Betreuung, die palliative Versorgung in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung.

Die Leistungen für Heimbewohner werden verbessert. Es werden Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Heimbewohner mit einem besonders hohen behandlungspflegerischen Bedarf – z. B.Wachkomapatienten – den Anspruch auf häusliche Krankenpflege erhalten. Es wird klargestellt, dass auch geistig und körperlich schwerstbetroffene Heimbewohner von den Krankenkassen mit Mitteln versorgt werden.

Mitglieder von Wohngemeinschaften und anderen neuen Wohnformen erhalten einen Rechtsanspruch auf häusliche Krankenpflege wie Patienten in normalen privaten Haushalten. Ich begrüße es, dass die Ärzte ab 2009 mit echten Eurobeträgen bezahlt werden und die floatenden Punktewerte abgelöst werden.

(Beifall bei der CDU)

Es ist ebenso zu begrüßen, dass Ärzte, die sich in unterversorgten Gebieten niederlassen, einen finanziellen Anreiz bekommen. Positiv ist auch, dass die Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung verlängert wird. Auch dass die Pflegeversicherung an der integrierten Versorgung beteiligt wird, ist außerordentlich zu begrüßen. Die Möglichkeiten der Krankenkassen, mit den Herstellern günstigere Preise zu verhandeln,führen auch zu mehr Wettbewerb.

Zum Thema Erleichterung der Kassenfusion. Wenn ich die Presse zur Anhörung in der vergangenen Woche richtig verfolgt habe, hatten die Vertreter der Kassen keine Einwände gegen diese geplanten Neuregelungen.

Abschließend. Die Gesundheitsreform ist der richtige Weg in die richtige Richtung.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie selber nicht! – Nicola Beer (FDP): Jetzt wird es dreist!)

Doch, Herr Kollege Kaufmann, das glaube ich. – Detailfragen sind noch zu klären. Im Hinblick auf den rasant voranschreitenden medizinischen Fortschritt, aber auch die demografische Entwicklung wird dies nicht die letzte Reform sein. Aber diese Reform ist – ich wiederhole es – ein Schritt in die richtige Richtung. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Oppermann. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Spies für die SPD-Fraktion das Wort.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bravo, bravo, bravo!)

Na ja, das ist ein bisschen nett zu der Reform – dreimal bravo?

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hahn, Sie wussten heute im Unterschied zu allen anderen offenkundig alles. Ich habe mit Interesse die Aufzählung der Leute gehört, die Sie uns geboten haben, die alle diese Reform kritisieren. Herr Hahn, was Sie bei der Gelegenheit völlig übersehen haben – vielleicht hätten Sie sich einfach in der Sache einmal kundig machen sollen –,

ist, dass diese Leute völlig gegensätzliche Dinge kritisieren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das musste doch kommen!)