Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend konjunkturelle Erholung greift – Einnahmen der Kommunen steigen! – Drucks. 16/6371 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. – Wer macht das? Der Kollege Rudolph ist so lieb und ergreift zuerst das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vom Grundsatz her bin ich schon lieb. Aber ob das bei diesem Tagesordnungspunkt möglich ist, daran habe ich meine Zweifel.

(Zuruf des Abg. Mark Weinmeister (CDU))

Keine Aufregung, Herr Kollege Weinmeister. In der Ruhe liegt die Kraft,und die Wahrheit werden Sie sich anhören müssen.

Meine Damen und Herren, Hessens Kommunen brauchen die Steuermehreinnahmen bereits im Haushaltsjahr 2007. Deswegen fordert die SPD-Landtagsfraktion diese Landesregierung und insbesondere Sie auf, Herr Finanzminister, den Anteil der Kommunen an den zu erwartenden Steuermehreinnahmen in Höhe von rund 100 Millionen c bereits für das Haushaltsjahr 2007 den Kommunen weiterzugeben und nicht erst zwei Jahre später im Rahmen der Spitzabrechnung.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben für das Jahr 2007 – Sie haben das in den letzten Wochen bekannt gegeben – Steuermehreinnahmen in Höhe von rund 1 Milliarde c in Hessen zu verzeichnen, ein Anstieg von rund 8 %. Das ist erfreulich. Gleichwohl legt diese Landesregierung erneut einen verfassungswidrigen Haushalt vor. Das wiederum ist nicht so erfreulich.

(Beifall bei der SPD)

Nun gibt es die Diskussion darüber, wer die steigenden Steuereinnahmen zu verantworten hat.Übrigens finde ich das bemerkenswert. In den letzten Jahren hatten wir kein Mehr an Steuern. Deswegen streiten wir darüber, wer jetzt den größeren Anteil daran hat. In aller Bescheidenheit: Sicherlich hat die derzeit amtierende Bundesregierung ihren Anteil daran.Aber ganz klar ist,dass auch RotGrün unter Gerhard Schröder die entscheidenden Voraussetzungen in Berlin geschaffen hat. Die Früchte können jetzt eingefahren werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, nun behaupten Sie laut einem Zitat aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 17.11. ernsthaft – –

(Michael Boddenberg (CDU): Schröder hat schon 1998 gesagt, das sei sein Aufschwung!)

Sehen Sie einmal, wie dieser Mann weitsichtig ist. Es ist eingetroffen, Herr Boddenberg. – Zitat aus der „FAZ“ vom 17.11. von Finanzminister Weimar zum Thema „Kommunen nehmen mehr Steuern ein“:

Für viele gehören ernsthafte Haushaltsprobleme schon wieder der Vergangenheit an

Herr Weimar, Ihre Behauptung ist ziemlich absurd.

(Beifall bei der SPD)

Zweifellos gibt es mehr Gewerbesteueraufkommen für viele Kommunen, aber nicht für alle.Wir haben für einige Kommunen drastische Rückgänge bei der Gewerbesteuer, weil große Konzerne keine Steuern zahlen. Das freut den Bürgermeister vor Ort immer sehr. Es gibt höhere Anteile an der Einkommensteuer. Aber es ist klar, die Mittel werden von der kommunalen Ebene dringend benötigt; denn in den letzten Jahren hat diese Landesregierung, haben Sie, Herr Finanzminister, zulasten der Gemeinden erheblich in den Kommunalen Finanzausgleich eingegriffen. Ich nenne einige Beispiele:

Solidaritätsbeitrag. Sie haben ab 2001 drei Jahre lang die Finanzausgleichsmasse um jeweils 51 Millionen c gekürzt mit der Begründung, das seien ungerechtfertigte Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer aus der Unternehmensteuerreform, obwohl auf der kommunalen Ebene die Gewerbesteuereinnahmen gesunken sind. – Fehlbetrag für die Kommunen: 153 Millionen c.

Betriebskostenzuschüsse für die Kindergärten. Im Kommunalen Finanzausgleich waren 51 Millionen c als Verstärkungsmittel für diesen Zweck vorgesehen. Seit dem Jahr 2000 gibt es diese Mittel nicht mehr. – Fehlbetrag bis 2007: 408 Millionen c.

Kommunaler Investitionsfonds. Herr Finanzminister, im Jahr 2003 haben Sie diesem Fonds 200 Millionen c entnommen und fügten 100 Millionen c dem Haushalt zur Schließung von Deckungslücken zu.Die zweite Hälfte haben Sie in den Kommunalen Finanzausgleich gegeben. Interessant dabei ist, dass die Kommunen 80 % dieses Fonds aufgefüllt haben.Von den entnommenen 200 Millionen c haben sie nur 50 Millionen c erhalten. – Fehlbetrag für die kommunale Seite: 100 Millionen c.

Das vierte Beispiel betrifft die Schlüsselzuweisungen. Seit 1999, seitdem Sie unglücklicherweise an die Regierung gekommen sind, Herr Finanzminister, wurden die Schlüsselzuweisungen in nie zuvor da gewesener Dramatik von Ihnen verändert. Negativrekord bei den Zuweisungen an die Kommunen war das Haushaltsjahr 2004 mit 18 % weniger.

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Das sind 280 Millionen c weniger für die kommunale Seite.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Ministers Karl- heinz Weimar)

Das ist von Ihnen zu verantworten. Herr Weimar, das Spiel ist relativ einfach. Für alle Wohltaten fühlen Sie sich persönlich verantwortlich. Das haben wir gehört. Dann

müssen Sie auch so fair sein und sich bei Veränderungen im Kommunalen Finanzausgleich die negativen Dinge anrechnen lassen. Das ist relativ einfach. Das wäre ein faires Miteinander.

(Beifall bei der SPD)

Beispiel: „Operation düstere Zukunft“. Durch die Reduzierung von Zuweisungen und freiwilligen Leistungen, Kostenverlagerungen vom Land auf die Kommunen, wurde ein dreistelliger Millionenbetrag zulasten der kommunalen Ebene verschoben. Hinzu kommen außerhalb des Kommunalen Finanzausgleichs den Kommunen aufgebürdete Ausgaben. Es gab tolle Modelle beim Straßenbau, das Kommunale-Interessen-Modell. Die Kommunen durften eine Straße vorfinanzieren und kriegten über 15 Jahre die Zuschüsse.Was ganz besonders toll war: Nullbescheide über Feuerwehrfahrzeuge und -gerätehäuser bis zum Jahr 2011. – Die Kommunen mussten das vorfinanzieren, oftmals über Kredite.

Alles das sind Leistungen, die die kommunale Ebene in den letzten Jahren erbracht hat.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein schönes Beispiel aus der letzten Zeit: das Abwassersonderprogramm der Landesregierung. Früher gab es Zuschüsse von 60 bis 65 % der zuwendungsfähigen Kosten. Unter Rot-Grün waren es in den letzten Jahren noch 30 bis 35 %. Sie geben nur noch Tilgungszuschüsse für in Anspruch genommene Kredite. Eine Kommune, die 7 oder 8 Millionen c in die Sanierung von Kanälen investieren muss, wird mit einigen Zehntausend Euro abgespeist. – Das ist eine Politik insbesondere zulasten der kreisangehörigen Gemeinden in der Fläche.Auch das hat diese Landesregierung zu verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Also haben Sie roundabout,gut und richtig gerechnet,seit Amtsantritt der Regierung Koch den hessischen Kommunen rund 1 Milliarde c entzogen. So weit zur Legende des verehrten Herrn Finanzministers, die kommunale Welt sei bei den Finanzen in Ordnung.

Deswegen die Steigerung im Kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2007. Die Zahlen sind so, wie sie sind. Sie sind richtig.Das ist aber nicht unbedingt Ihr Verdienst, Herr Finanzminister. Das ist Ausfluss der Steuersteigerungen.Aber die kommunale Ebene braucht dieses Geld.

Für den Haushalt 2007 kommt es teilweise zu dramatischen Umschichtungen im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs. Das eine waren die Ergebnisse der letzten Jahre. Aber Sie setzen diesen kommunalfeindlichen Kurs ganz konsequent im Jahre 2007 fort, Herr Finanzminister.

(Beifall bei der SPD)

Das Schlimme an dieser Geschichte: Es geht zulasten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Wir sehen die problematische Haushaltssituation der Landkreise. Von 21 Landkreisen in Hessen können 20 ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen. Das hat etwas mit der Finanzausstattung der hessischen Landkreise zu tun, die im bundesweiten Vergleich mit die schlechteste ist. Deswegen brauchen die Landkreise die finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben, aber nicht zulasten der 426 kreisangehörigen Städte und Gemeinden.

(Beifall bei der SPD)

So wollen Sie im Rahmen des Finanzausgleichsänderungsgesetzes die Gemeindeanteile an der Einkommen

und der Umsatzsteuer ebenso wie die Schlüsselzuweisungen bei den Kreisumlagegrundlagen künftig voll und nicht wie bisher zu 95 % anrechnen.

Man könnte sagen, die Veränderung der Zahl 95 auf 100 ist eine Petitesse. Aber in Wirklichkeit führt das zu einer extremen Verschärfung der Haushaltssituation kreisangehöriger Städte und Gemeinden. Landesweit macht diese Veränderung von 5 % 65 Millionen c aus, die Sie der einen kommunalen Ebene wegnehmen und der anderen zuschießen. Herr Innenminister, das macht z. B. für die Gemeinde Büttelborn im Landkreis Groß-Gerau eine Belastung von 300.000 c aus.

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Sie sagen, das sei nicht wahr. Das sind Zahlen, die der Bürgermeister der Gemeinde Büttelborn mitgeteilt hat. Aber Sie können das nachher darlegen und sagen, das sei falsch.

Das macht nach vorläufigen Berechnungen für die Gemeinde Friedrichsdorf im Hochtaunuskreis 581.000 c aus, für die Stadt Eltville im Rheingau-Taunus-Kreis 1,9 Millionen c und für die Stadt Geisenheim 1,4 Millionen c. So sind die Berechnungen der Kommunen und des Hessischen Städte- und Gemeindebundes.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Herr Finanzminister, Sie können doch nicht sagen, das stimmt nicht. Das Geld fehlt der kommunalen Ebene. Sie schüren damit auch einen Streit innerhalb der kommunalen Familie, eine Entsolidarisierung der Städte und Gemeinden gegen die Landkreise. Auch das ist ein falscher Ansatz Ihrer Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen eine Randbemerkung dazu, wie das gelaufen ist. Es wurde keinerlei Verhandlung mit dem Städte- und Gemeindebund darüber geführt.

Jetzt könnte man etwas unterstellen, weil wir einen anderen Fall haben,bei dem man gesagt hat:Es gibt Geld,dann macht ihr bestimmte Sachen nicht.– Der Landkreistag hat eine Klage wegen der Finanzausstattung angedroht. Die Klage wird jetzt nicht mehr eingereicht werden.Wenn ich bösartig wäre, was ich selten bin – aber in dem Fall bin ich es –, könnte ich schon einen Zusammenhang herstellen zwischen der angekündigten Klage und den Mehreinnahmen der Landkreise. Herr Finanzminister, das ist ein unmöglicher Vorgang.

(Beifall bei der SPD)