Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

(Beifall bei der SPD)

Also nehmen Sie das, was auf der einen Seite an Zuweisungen über höhere Steuereinnahmen erfolgt, den Kommunen auf der anderen Seite durch völlig falsche Weichenstellung weg. Die allgemein verbesserte Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte führt zu einer erheblichen Verbesserung der Kreisumlagegrundsätze und damit der Einnahmen der Landkreise. Deswegen kann ich feststellen: Die Entsolidarisierung der kommunalen Familie geht weiter.

Herr Weimar, Sie haben anlässlich der Kommunalkonferenz beim Hessentag in Hessisch Lichtenau eine grundlegende Strukturreform des hessischen Finanzausgleichs vorgestellt – der ist notwendig. Sie wollen die Verteilungswirkung des KFA optimieren und insbesondere finanzschwächere Städte und Gemeinden besserstellen.

Mit der nunmehr geplanten Gesetzesänderung machen Sie genau das Gegenteil. Gerade die strukturschwächeren

Kommunen, die in aller Regel über geringere Gewerbesteuereinnahmen verfügen, sind auf die guten und hohen Gemeindeanteile an der Einkommensteuer angewiesen. Deswegen trifft es diese Kommunen besonders hart, und deswegen ist der Betrag von 65 Millionen c zulasten dieser Kommunen der völlig falsche Ansatz zur Verteilung der Finanzmittel.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Maßnahme, die die kommunale Ebene betrifft, ist das so genannte BAMBINI-Programm. Dass gesellschaftspolitisch und familienpolitisch mehr Betreuung, bessere Angebote und mehr Geld für die frühkindliche Bildung nötig sind,das ist unbestritten.Aber hier werden der kommunalen Ebene vonseiten des Landes 100 Millionen c genommen, im Verhältnis zu 10 Millionen c originärer Landesmittel. Das ist eine unredliche Politik, eine unredliche Finanzierung, Gelder der Kommunen für ein kommunales Programm zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, auch das trifft wieder die Kommunen vor Ort; denn der Druck der Eltern in Richtung Kommunen, sie müssten bessere Angebote machen, ist doch richtig.Aber das Land kann sich aus dieser Aufgabe nicht einfach so en passant zurückziehen.

(Minister Karlheinz Weimar:Wieso?)

Wieso, fragen Sie, Herr Weimar.Weil wir gemeinsam – –

(Minister Karlheinz Weimar: Das ist eine kommu- nale Aufgabe!)

Ja, das ist eine kommunale Aufgabe. Aber ich habe Ihnen vorhin auch die Zahlen genannt. Es passt nicht zusammen, den Kommunen das Geld vorher wegzunehmen, anderweitige Zweckbindungen zu machen und ihnen dann nicht die finanziellen Möglichkeiten zu geben, ein solch sinnvolles Programm umzusetzen. Nein, in solche Programme gehört auch Landesgeld – eindeutig.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, entgegen Ihren Ankündigungen – –

(Zuruf des Abg. Mark Weinmeister (CDU))

Wissen Sie, Herr Finanzminister, ich bin wie Sie – –

(Minister Karlheinz Weimar: Sie hätten zu uns in den Haushaltsausschuss kommen sollen, wenn Sie so ein Zeug hier reden!)

Ja,Herr Finanzminister,Sie müssen nicht so überheblich sein, dazu neigen Sie gelegentlich.

(Heiterkeit)

Herr Finanzminister, ich bin im Gegensatz zu Ihnen – –

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt hast du aber untertrieben!)

Herr Schmitt, ich habe untertrieben. – Herr Finanzminister, Sie sind nach meinem Kenntnisstand im Kreistag, ich ebenfalls; ich bin aber auch noch in der Kommune tätig. Ich kriege im Gegensatz zu Ihnen schon die Veränderungen mit, insbesondere die Auswirkungen Ihrer Finanzpolitik auf der untersten Ebene,weil die kreisangehörigen Städte und Gemeinden von dieser Landesregierung noch anders gegängelt werden. Es gab in den letzten Jahren eine permanente Erhöhung der Kreisumlage. Wenn jetzt der Innenminister per Erlass sagt, zwei Jahre lang wird es ausgesetzt, dann machen Sie das erstens aufgrund des

Drucks der Kommunen und zweitens, weil Sie wegen der Landtagswahl negative Auswirkungen befürchten – doch nicht, weil Sie der Überzeugung sind. Deswegen ist klar: Die Kreisumlagenerhöhung muss endlich einmal gestoppt werden, weil die Kommunen die Gelder zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, entgegen Ihren Ankündigungen ist der Kommunale Finanzausgleich auch für das Jahr 2007 missraten. Die notwendigen strukturellen Veränderungen werden nicht vorgenommen, und das, was Sie machen, ist auch noch falsch. Die Streichung des Arbeitslosenansatzes trifft die Kommunen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit, und das BAMBINI-Programm müssen die Kommunen finanzieren. Die Erhöhung der Zuweisungen für die Kreise auf Kosten der kreisangehörigen Gemeinden ist ebenfalls nicht akzeptabel.

Wir halten es auch für falsch, dass die Wohngeldersparnisse des Landes aus Hartz IV zu einem beträchtlichen Teil – über 35 Millionen c – der kommunalen Seite erst nach zweijähriger Verzögerung überwiesen werden.

Meine Damen und Herren, warum ist das so? Die kommunale Ebene braucht auch im Jahr 2007 Mittel,um zu investieren.Wir haben in den letzten Jahren einen dramatischen Rückgang der Investitionstätigkeit auf der kommunalen Ebene, nahezu eine Halbierung der Mittel zum Investieren, insbesondere in die Infrastruktur. Diese brauchen wir aber.Es geht um Arbeitsplätze,es geht aber auch im Rahmen der Daseinsvorsorge um die Erhaltung und Aufrechterhaltung solcher wichtiger Maßnahmen – sei es der Straßenbau, die Wasserversorgung oder öffentliche Einrichtungen. Es gibt eine Halbierung öffentlicher Investitionen, weil den Kommunen schlicht und ergreifend das Geld fehlt. Deswegen ist es im Rahmen der Beschäftigungspolitik wichtig, dass in der Bauwirtschaft wieder Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen können. Deswegen muss wieder investiert werden, und die Kommunen brauchen dafür die entsprechenden Gelder.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, es ist daher nur folgerichtig, wenn wir sagen, die Steuermehreinnahmen sollen den Kommunen bereits im Jahre 2007 zur Verfügung stehen.Die Kommunen müssen zeitnah die Möglichkeit haben, wieder zu investieren. Wir haben in vielen Bereichen einen relativ hohen Investitionsstau. Wenn ich auf Kreisebene die Unterhaltung der Schulen anschaue, dann stelle ich fest: Wir brauchen nicht nur gute inhaltliche Programme, sondern wir brauchen natürlich auch eine Schule, in der Lernen Spaß macht. Also haben wir Bedarf. Wir haben auch Bedarf hinsichtlich der Sanierung von Kreis- und Gemeindestraßen. – Herr Finanzminister, deswegen ist das, was wir fordern, ein Antrag, der im Interesse der kommunalen Ebene ist. Er ist richtig, gut und folgerichtig.

Nun haben Sie einen Ergänzungsantrag vorgelegt – ich nehme an, er stammt aus Ihrem Hause –, in dem Sie die Zahlen entsprechend aufgelistet haben. Es ist aber relativ unstrittig, dass die Steuereinnahmen gestiegen sind. Wir diskutieren darüber, wer den größeren Anteil daran hat. Ist das der hessische Finanzminister in seiner Bescheidenheit alleine, oder haben ein paar andere Faktoren dazu beigetragen? Es ist aber bei allen Rechnereien hin und her oder her und hin relativ unstrittig, dass Sie der kommunalen Ebene in den letzten Jahren ein vernünftiges Wirtschaften sehr schwer bis nahezu unmöglich gemacht haben.

Herr Rudolph, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das passt auch, eine letzte Bemerkung. – Herr Finanzminister, auch Ihnen ist nicht entgangen, dass über 40 % der kreisangehörigen Gemeinden ihren Haushalt nicht mehr ausgleichen können. Wir haben ein strukturelles Defizit. Deswegen stimmt Ihr Finanzausgleich nicht, und deswegen stimmt die Finanzpolitik zugunsten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden nicht.Wir müssen mit der Entsolidarisierung der kommunalen Ebene aufhören, damit, die einen gegen die anderen auszuspielen. Deswegen ist unser Antrag gut und richtig, und man kann ihm eigentlich nur zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Rudolph. – Ich darf Herrn Williges zur Begründung des CDU-Antrages das Wort erteilen.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass der SPD-Antrag populistisch ist, konnte jeder von uns bei der Lektüre feststellen. Der Zeitpunkt der Antragstellung ist ein weiterer Beleg. Hätte es noch eines letzten Beweises bedurft, dann ist er heute durch die Auswahl des Redners erbracht worden. Man hat nämlich heute der Propagandaabteilung das Wort erteilt. Hätte man versucht, der ganzen Sache noch einen fachlichen Touch zu geben, dann wäre Herr Schmitt an das Rednerpult getreten.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vorsicht, Herr Kollege!)

Herr Kaufmann, über die mir eigene Bescheidenheit habe ich bereits gestern referiert,sie gilt am heutigen Tage ungebrochen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hintergrund ist – das war eines der wenigen Dinge, die Herr Kollege Rudolph hier zutreffend dargestellt hat – eine Veränderung der Bemessungsgrundlagen, die im Kommunalen Finanzausgleich zu einer Umschichtung zugunsten der Ebene der Landkreise führt, in einem Volumen von 65 Millionen c, das den kreisangehörigen Städten und Gemeinden entzogen wird, weil die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in einer besseren finanziellen Situation sind – beileibe nicht in einer komfortablen, aber in einer besseren Situation als die Kreise.

(Hildegard Pfaff (SPD): Deshalb spielt man die kommunale Familie gegeneinander aus!)

Herr Rudolph, ich widerspreche Ihnen hier, weil es durch Zahlen zu belegen ist: Bezüglich des Steueraufkommens pro Einwohner – dessen, was die Kommunen, Kreise und Gemeinden alle zusammen im Lande Hessen zur Verfügung haben – liegt unser Bundesland im oberen Drittel. Es stimmt nicht, dass die kommunale Finanzausstattung in Hessen signifikant schlechter ist als in anderen Bundesländern. Ich kenne aus den Reihen der SPD in Hessen keine Initiative, diese Situation zu verändern – zumindest keine aus Ihrer Regierungszeit, mit der Sie die Verbundmasse dahin gehend hätten verändern wollen, dass wei

tere Landesmittel an die Kommunen abgegeben werden. So viel gehört ja wohl mit dazu.

Nun schauen wir uns einmal die Zahlen an: Die kumulierten Defizite aller hessischen Landkreise liegen bei 1,29 Milliarden c. Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden dagegen haben kumulierte Defizite in einer Höhe von 743 Millionen c. Sie liegen also deutlich darunter.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, das ist aber unterschiedlich verteilt!)

In der prognostizierten Tendenz werden sie ihre Defizite aufgrund der Einnahmesituation wesentlich rascher abbauen können, als das bei den Landkreisen der Fall ist.

Über eines müssen wir uns im Klaren sein.Ich habe bisher nicht gehört, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises eine Resolution auf den Weg gebracht hätte oder irgendeinen Vorstoß unternehmen wollte, diese Änderung der Bemessungsgrundlage rückgängig zu machen.

(Zuruf von der CDU)

Herr Rudolph, Sie tragen hier keine Verantwortung, und dort, wo Sie Verantwortung haben, nehmen Sie sie nicht wahr. Sie agieren auf allen Ebenen populistisch. Dann hätten Sie im Schwalm-Eder-Kreis beantragen können, dass man das zugunsten der Städte und Gemeinden wieder rückgängig macht.Aber genau das ist nicht erfolgt.

(Zuruf von der CDU: Genau so ist es!)

Wir müssen uns über eines im Klaren sein: Die Alternative zur Änderung der Bemessungsgrundlage – –

(Norbert Schmitt (SPD): Dafür ist der Kreis doch gar nicht zuständig!)