Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Landesregierung tut schon viel. Wir begrüßen das ausdrücklich. Wir sollten aber alle gemeinsam überlegen, was noch zu tun ist und was noch mehr zu tun ist,um diese Phänomene wirksam zu bekämpfen.
Wir müssen auf die Veränderung des Bewusstseins potenzieller Täter zielen, und wir müssen die Mitläufer erreichen. Der Bereich Bildung und Aufklärung von Kindern und Jugendlichen muss dabei hohe Priorität haben. Wir müssen um jeden Jugendlichen kämpfen. Wir müssen demokratisches Denken bei Jugendlichen wesentlich mehr fördern.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Landesregierung der Bekämpfung des Rechtsextremismus und der politisch motivierten Gewalt einen hohen Stellenwert einräumt. Die Aussage,dass sie dies als zentrale Aufgabe ansieht,begrüßen wir sehr. Alle Mitglieder dieses Hauses unterstützen die Feststellung der Landesregierung, dass Rassismus, Fremdenhass, menschenverachtende Vorurteile und Gewalt gegen Andersdenkende in diesem Lande keine Chance haben dürfen.
Umso wichtiger ist es, dass wir alle gemeinsam dafür kämpfen, dass rechtsextremistische Kräfte bei Wahlen in Hessen keine Chance haben. Wir haben in Deutschland durch unsere Geschichte den besonderen Auftrag, diesen menschenverachtenden Ideologien keinen Raum zu geben.
Nachholbedarf beim Kampf gegen Rechtsextremismus sehen wir im Bereich der Erwachsenenbildung. Hier gab es in der Vergangenheit zu wenig und auch zu wenige Instrumente; denn Rechtsextremismus ist kein reines Jugendproblem. Daher müssen wir in Zukunft noch mehr versuchen, auch erwachsene Menschen anzusprechen. Das bedeutet keinesfalls eine Rücknahme des Engagements im Jugendbereich. Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen.
Denn wer heute die Jungwählerinnen und Jungwähler anspricht, kann auf lange Zeit mit einem gesicherten Stimmenpotenzial rechnen, und genau das ist die Strategie der Rechten. Dazu sagt die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage ganz klar, dass die Rechtsextreme über Junge Nationale, über Kameradschaften, über Neonazis ihren Werbeschwerpunkt setzen wird.
Aus der Antwort auf die Große Anfrage geht auch hervor, wie wichtig die außerschulische Jugendarbeit ist, wenn es darum geht, rechtsextremistische Menschen anzusprechen, zu verorten und Aufklärungsarbeit gegen rechts zu betreiben. Es muss unser Interesse sein, dass diese freien Zusammenschlüsse ehrenamtlich tätiger Jugendlicher,die sich sehr engagieren, weiterhin unterstützt werden. Das schafft nicht zuletzt Identifikation mit unserem demokratischen Gemeinwesen und mit dessen Pluralität.
Neben der repressiven Seite – ich sagte bereits,das betrifft die Polizei, den Verfassungsschutz und die Justiz – trägt der Staat auch die Verantwortung für die Bildung. Hier gilt es, die eingesetzten Instrumente zu evaluieren und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Die Rechtsextremen versuchen immer wieder, neue Zugänge zu den Jugendlichen zu schaffen. Wir müssen hier mindestens ebenso
schnell handeln und arbeiten wie diese. So stellen die sogenannten neuen Medien beispielsweise durchaus eine Gefahr dar. Diese Medien sind im Übrigen überhaupt nicht so neu. Für Jugendliche sind sie es schon einmal gar nicht. Sie gehören inzwischen zur ganz normalen Sozialisation. Deshalb müssen wir die Medienkompetenz junger Menschen stärken, damit sie erkennen, dass es sich um rechtsextreme Inhalte handelt, und damit sie erkennen, wer sie z. B. im Internet anspricht.
Wie Sie sehen, teilen wir die Auffassung der Landesregierung, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus gleichermaßen über die von mir geschilderten Säulen getragen werden muss. Wir brauchen die Repression, wir brauchen die Prävention, und wir brauchen die Investition in die Bildung.
Es wäre deshalb folgerichtig, wenn dies unter einem gemeinsamen Dach geschehen würde. Wir fordern deshalb, dass die Landesregierung eine gemeinsame Stelle einrichtet, in der genau diese Maßnahmen koordiniert werden und mit der wir genau einen Ansprechpartner bei der Landesregierung dafür haben würden.
Auch wir haben das Gespräch mit diesen Initiativen und Gruppen geführt. Übrigens waren wir seinerzeit die Einzigen, die überhaupt zu einem Gespräch eingeladen haben.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat gerade eben gesagt, dass auch sein Gespräch dort mittlerweile stattgefunden hat. – Herr Kollege Rentsch, ich finde es wichtig, dass man sich mit diesen Menschen unterhält. Denn damit wird das ehrenamtliche Engagement dieser Menschen unterstützt.
Ich glaube deshalb, dass wir für diese Initiativen Ansprechpartner haben müssen. Wir müssen diese Ansprechpartner schaffen. Wir tun das z. B. mit dem „Netzwerk gegen Gewalt“. Damit haben wir eine dieser Stellen geschaffen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir so etwas auch für Projekte tun können, die sich außerhalb der Landesregierung und der Sicherheitsbehörden befinden.
Unserer Auffassung nach muss der Kampf gegen den Rechtsextremismus ein dauerhafter Prozess sein. So ist der Inhalt unseres Dringlichen Antrags auch zu verstehen.
Ich möchte Sie zu etwas aufrufen.Wir sind dazu bereit.Ich glaube, wir müssen diesen Weg alle gemeinsam gehen. Ich glaube, dass der Kampf gegen Rechtsextreme und ausländerfeindliche Tendenzen in diesem Land von allen demokratischen Parteien dieses Hauses getragen werden muss. Dazu laden wir Sie ein. Ich glaube, dass unser Dringlicher Antrag da in die richtige Richtung zeigt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auch für die Mitglieder meiner Fraktion sagen, dass es richtig war, dass sich die Landesregierung Zeit gelassen hat, damit sie die Datenlage klären konnte. Damit konnte sie dann deutlich machen, wie die organisierte rechtsradikale Szene aussieht. Sie konnte aber auch – soweit das irgend möglich ist – eine Einschätzung des Sympathisantenumfelds abgeben. Dabei wurden die Altersgruppen, soweit das möglich ist, erfasst.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann, der auch in der jüdischen Gemeinde in Frankfurt Verantwortung trägt, sagte anlässlich des 9. November 2006 angesichts der Situation, dass der Rechtsradikalismus meistens mit Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verbunden ist:Wir brauchen „einen Mix an Prävention und Repression“.
Das haben sowohl die Kollegen der SPD wie die der GRÜNEN und, so glaube ich, auch die der CDU gesagt. Ich sage für die Mitglieder meiner Fraktion Folgendes. Deshalb ist der Landesregierung zu danken. Denn die Antwort auf diese Große Anfrage zeugt davon, dass es sich die Landesregierung offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, eine solche Mischung aus Repression und Prävention als eine der Maßnahmen gegen die Rechtsradikalen einzusetzen.
Ich will noch etwas anderes sagen: Die Sache ist sehr ernst.Mit Selbstgerechtigkeit ist es nicht getan.Wenn man als Fraktion nicht auf Gesprächswünsche bestimmter organisierter antifaschistischer Gruppen eingeht, bekommt man unterstellt, man würde keine Gespräche mit Mitgliedern der Gruppierungen führen, die sich gegen Rechtsradikalismus wenden.
Herr Frömmrich, ich will dazu nur eines deutlich sagen. Damals gab es weder die GRÜNEN noch Sie als Mitglied im Hessischen Landtag. Ich habe als junge Abgeordnete und als Lehrerin dafür gesorgt, dass, nachdem es bei einer Kommunalwahl zum ersten Mal gute Ergebnisse für Rechtsradikale gab, die Landeszentrale für politische Bildung sofort Seminare für Lehrer, in der Erwachsenenbildung und für Kinder und Jugendliche gegen Rechtsradikalismus durchgeführt hat. Das ist der Weg, den wir auch weiterhin beschreiten müssen.
Ich stimme der Beurteilung von Herrn Schäfer-Gümbel, die er hinsichtlich der historischen Linie getroffen hat, durchaus zu. Der Anfang vom Ende der Weimarer Republik begann lange vor dem Jahr 1933. Das zeigte sich auch an solch furchtbaren Verbrechen wie der Ermordung Walther Rathenaus, der der DDP angehört hat.
Das, was sich aus dem Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg ergeben hat,war richtig.Die Staatsräson schlägt sich in der Formulierung eines einzigen, klassischen Artikels des Grundgesetzes wieder, nämlich in Art. 1 Grundgesetz. Dort heißt es:„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dann wird aber noch etwas hinzugefügt. Damit wird dann eigentlich erst die Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik und der Machtübernahme der Nazis gezogen. Dieser Satz lautet: „Sie“ – gemeint ist die Menschenwürde – „zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Das eigentliche Verbrechen der Diktatur der Nazis bestand doch darin, dass die staatliche Gewalt dafür genutzt wurde, die Menschenrechte zu knechten und sie mit Füßen zu treten.
Es ist zutreffend, eine der Facetten des Jahres 2006 in Deutschland besteht in dem erstarkenden Rechtsradikalismus. Wer aber wirklich objektiv ist, muss auch feststellen,dass dies in Deutschland in einem geringeren Umfang als in vielen anderen europäischen Ländern der Fall ist. Wer wirklich objektiv ist, muss auch deutlich sagen, dass, aus globaler Sicht gesehen, die wahren Feinde der Demokratie immer dann dabei sind, wenn im Namen einer Religion,im Namen einer politischen Ideologie und,das sage ich ganz deutlich, im Namen einer oligopolistisch organisierten staatlichen Gewalt Minderheitenrechte oder die Menschenwürde verletzt werden. Es geht nicht mehr nur um Rechtsradikale. Es geht um den globalen Terrorismus, der den Rechtsradikalismus sogar einschließt.
Aufgrund der Berichterstattung dieser Landesregierung, aber auch aufgrund von Protokollen auf Bundesebene, die in den entsprechenden Gremien des Deutschen Bundestags erörtert werden, wissen wir, wie sich der Rechtsextremismus mit den terroristischen Organisationen ganz anderer ideologischer Ausrichtungen verbindet. Das ist die neue Entwicklung.
Ich glaube nicht, dass man sagen kann: „Deutschland driftet nach rechts.“ Aber wir haben eine beachtliche Szene mit rechtsradikalen Einstellungen. Das bestätigt die Umfrage dieser einen Stiftung.Viele andere Umfragen bestätigen das aber auch. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die jüdische Gemeinde in Frankfurt weisen uns immer mehr darauf hin, dass es eine Art Umfeld gibt, das nicht bei den Rechtsradikalen und auch nicht rechtsextremistisch organisiert ist, das aber z. B. bestimmte Taten duldet. Das wurde vor einer Woche im Fernsehen durch eine Sendung verdeutlicht. Da wurde gezeigt, wie eine junge jüdische Schülerin von anderen – in diesem Fall waren es zwei dem Islam angehörende Mädchen – auf dem Schulhof einfach verprügelt wurde. Keiner hat eingegriffen. Das ist eigentlich das, was in einer Zivilgesellschaft wirklich geächtet werden muss.
Es muss doch auf dem Schulhof und im Kindergarten eine Gruppe von Schülern oder Kindern geben – ich hoffe,dass es sich dabei sogar um die große Mehrheit handelt –, die jemandem beistehen,wenn diese Person als Jüdin oder als eine dem Islam angehörende Gläubige beschimpft wird. Das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir in Deutschland stehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf die Zahlen für Hessen zurückkommen. Der Herr Innenminister wird das sicherlich noch ausführen. In der Antwort wird das Ergebnis einer Umfrage mitgeteilt, der zufolge sich etwa 3.000 Personen in ganz unterschiedlichen Gruppierungen befinden. Das sind die NPD, die DVU, die Republikaner. Das sind Gruppierungen der Skinheads und auch solche der ausgesprochenen Neonazis.
Ich halte vor allen Dingen eines für ganz wichtig, das sich ergibt, wenn man diesen Befund z. B. mit der Analyse der Situation vor zehn Jahren vergleicht. Inzwischen gibt es über die Parteiorganisationen hinaus eine viel gefähr
lichere Szene. Es gibt inzwischen eine Vernetzung der Kameradschaften, der Skinheads und der Musikszene. Da gruppiert sich Neues im Umfeld der rechtsextremen Parteien.
Mit dem Kernbereich einer organisierten NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und anderer Vertretungen, entsprechendem Personal, entsprechenden Staatsgeldern, ist das eine vergleichbare Szene zu der, die sich zu Beginn der Nazizeit um die SA gebildet hat. Ich sage das einmal sehr deutlich.Die Herausforderung ist – Herr Frömmrich, es sind gerade die Jungen, die 17- bis 25-Jährigen, wie die Befunde überall ergeben –, hier klarzumachen, was Schule, was Bildungseinrichtungen, was Parteien, was Erwachsenenbildungseinrichtungen zu tun haben.Insofern unterstützt meine Fraktion Ihren Antrag,den man sehr intensiv beraten muss und zu dem man vielleicht auch in einer Anhörung deutlich und klar herausarbeiten muss, wie man präventiv und repressiv damit umgehen kann.
Der Teil der Repressionen ist ausführlich und auch befriedigend dargestellt.Der gewichtigere Teil – da kommen wir jetzt in ein Feld, in dem wir politisch streiten müssen – ist die Frage, wie sich die Mitte der Gesellschaft verhält.