Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

(Beifall des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, aber auch die, die gerne Fleisch essen,haben es durch ihr Einkaufsverhalten in der Hand, den Tieren ein deutlich besseres Leben zu ermöglichen.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Denn warum werden Tiere unter so unzumutbaren Bedingungen gezüchtet, gehalten und schließlich zu Tode gebracht? Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand, die Antwort ist einfach:

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

weil viele von uns Fleisch, Milch und Eier essen und dafür möglichst wenig bezahlen wollen.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Meine Damen und Herren, durch unser Verhalten entscheiden wir, wie die Tiere leben und sterben. Es liegt also in unserer Hand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, das Thema Tierschutz wird noch viel zu wenig im Hessischen Landtag diskutiert. Wir sollten über das, was heute an Problemen von uns dargestellt wurde, noch einmal in den Ausschüssen reden und versuchen, auch wegen des hohen Verbrauchs von Tieren und der Nutztierhaltung aktiv zu werden,um hier andere Lösungen auf den Tisch zu legen. Meine Damen und Herren, im Tierschutz gibt es viel zu tun. Ich hoffe, dass die CDU bei anderen rechtlichen Regelungen eher bereit ist, wieder im Sinne des Tierschutzes zu agieren. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Frau Hammann. – Herr Heidel, ich darf Sie für die FDP-Fraktion an das Mikrofon bitten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden uns vorliegenden Anträge der CDUFraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann man auch mit einem alten Kinderspruch kommentieren: „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.“ Das lernen schon kleine Kinder.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, wer mit diesem Bewusstsein an dieses Thema herangeht, der wird deutlich machen können, dass wir bei den beiden Themen Religionsfreiheit und Tierschutz, über die wir heute Morgen diskutieren, sorgfältig abwägen müssen und abwägen sollten, damit beides in Einklang gebracht werden kann. Die Religionsfreiheit ist ein hohes Verfassungsgut. Der Tierschutz ist seit dem Jahre 2002 auch ein Staatsziel. Nicht nur das: Ich glaube, auch in unserer Gesellschaft hat sich der Tierschutz als eines der Grundprinzipien herausgeschält und hat somit quasi auch Verfassungsrang.

Warum diskutieren wir darüber? Grund ist das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November. Das ist hier schon gesagt worden. Es ist aus meiner Sicht unbefriedigend und auch nicht nachvollziehbar. Deshalb will ich darauf hinweisen, dass gerade das eintritt, was bei der Einführung des Tierschutzes als Grundrecht schon damals diskutiert worden ist, nämlich: Wenn Tierschutz nicht gelebt und nicht umgesetzt wird, nützt es auch nichts, wenn er im Grundgesetz steht und Verfassungsrang hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb kann ich auch die euphorischen Ausbrüche der damaligen Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, nicht nachvollziehen, die das als einen großen Erfolg abgefeiert hat. Gerade das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt uns, dass dieser Erfolg doch nicht so groß war.

Deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen. Wenden wir uns als Erstes dem Thema Schächten zu. Auf die anderen Punkte will ich nachher noch eingehen.Wir müssen sehen, dass das, worüber wir in der Bundesrepublik diskutieren, nämlich die Elektrokurzzeitbetäubung, in vielen anderen Ländern von den Religionsgemeinschaften anerkannt wird. In der Schweiz, in Norwegen, in Neuseeland und darüber hinaus in anderen Ländern, die große Fleischexporteure sind, wird mithilfe der Elektrokurzzeitbetäubung geschlachtet. Dieses Fleisch geht auch in die Länder des Nahen Ostens und wird von den Religionsgemeinschaften anerkannt. Es wird verzehrt.Warum soll das in Deutschland nicht möglich sein?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Warum sind wir hier nicht in der Lage, zu sagen: „Nur so kann es sein, kein Schächten ohne Elektrokurzzeitbetäubung“? Ich meine, das muss das Ziel sein, um in der Bundesrepublik Deutschland dem gerecht zu werden,was die Erhebung des Tierschutzes in den Verfassungsrang bedeutet.

Wenn es um die Formen der Tierhaltung geht, diskutieren wir über die Anzahl der Quadratzentimeter perforierter Bodenfläche in der Schweinehaltung, in der Kälberhaltung und in der Rinderhaltung.Von der Käfighaltung will ich gar nicht reden. Darüber diskutieren wir heiß und in

nig. Es werden Wissenschaftler darangesetzt, die das ergründen und bewerten.

Gleichzeitig wird beim Schächten darüber hinweggegangen, was Tierschutz ist. Mir als einem derjenigen, die Tiere halten, ist nicht ganz wohl dabei, wissen zu müssen, dass die Tiere auf diese Art und Weise zu Tode kommen. Das muss ich ganz ehrlich sagen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb appelliere ich an die Muslime – das wurde hier schon gesagt –: Integration ist nicht nur der Weg in eine Richtung; vielmehr geht es nur miteinander. – Auch die Muslime müssen sich bewegen. Sie müssen sich auf die Auffassung zubewegen, dass das, was in anderen Ländern anerkannt wird, auch in Deutschland möglich ist. Wenn wir den Strömungen, die den europäischen Islam verkörpern,den Weg ebnen,haben wir eine Chance,dass das von der Mehrheit dieses Hauses nicht gewollte Schächten in Zukunft unterbleibt.

Das ist unabhängig davon, dass dieses Gerichtsurteil nach meiner Auffassung die Traditionalisten innerhalb des Islams stärkt und fördert. Sie können sich durch dieses Urteil bestätigt fühlen.Ich meine,dem sollten wir,die Bürger dieser Gesellschaft und die Politiker, entgegenwirken, indem wir die Diskussion offensiv angehen und versuchen, die neuen Schlachtmethoden, die mit der Elektrokurzzeitbetäubung arbeiten, auf den Weg zu bringen.

Wenn wir aber über das Schächten reden,können und sollen wir auch über artgerechte Tierhaltung, Massentierhaltung und all das,was hier angeklungen ist,diskutieren.Wir sollten auch nach den passenden Argumenten suchen.Wir haben in Deutschland die Käfighaltung verboten. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, was im Umkehrschluss passiert: Die Käfige werden hier abgebaut, um in Osteuropa oder in den südamerikanischen Ländern wieder aufgebaut zu werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Mit 30 % weniger Platz als bei uns!)

Die Eier kommen wieder hierher, ob als Flüssigei oder in irgendeiner anderen Form. Wir verbessern die Lage der Tiere an keiner Stelle.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nein – an dem Punkt bin ich mit Frau Hammann einig –, wir müssen vielmehr das Bewusstsein für die Haltungsformen einerseits und die Preise andererseits schaffen. Wir müssen über die Preise diskutieren dürfen. Eier, die nichts kosten, können nirgendwo produziert werden. Das ist einfach nicht möglich. Ein gewisser Kostenfaktor ist vorhanden. Dann muss es auch die Bereitschaft geben, für das Frühstücksei mehr zu bezahlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Was die Diskussion über die Jagd und über Tiertransporte betrifft – das ist hier am Rande probiert worden –: Über all diese Punkte muss selbstverständlich diskutiert werden. Aber es passt nicht, eine Diskussion über freilaufende Katzen oder über lange Strecken zurücklegende Tiertransporte zu führen,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn schon Tierschutz, dann aber richtig!)

wenn das Thema Schächten auf der Tagesordnung steht. Wie gesagt, damit habe ich wirklich ein großes Problem. Ich habe ein großes Problem damit, wenn das Tier so vom

Leben zum Tode befördert wird,wie es beim Schächtritual vorgesehen ist. Das sollte uns alle nachdenklich stimmen.

Deshalb ist es notwendig – das sollten wir gemeinsam tun –, zu versuchen, diese Einbahnstraße für Fahrten in beide Richtungen zu öffnen. Wir sollten mit den Vertretern der entsprechenden Institutionen Gespräche führen, um dafür zu werben,dass vor dem Schlachten die Elektrokurzzeitbetäubung eingesetzt wird. Das muss der Weg sein. Den gilt es nach meiner Auffassung – auch nach Auffassung der gesamten FDP – zu gehen.

Vielleicht können wir dann einmal sagen: Es hat zwar das Gerichtsurteil vom 23. November gegeben; aber in Gesprächen mit Vertretern der Religionsgemeinschaften ist es uns gelungen, auf eine andere Möglichkeit hinzuweisen. – Ich glaube, dann sind wir auf dem richtigen Weg, und dann brauchen wir an der Stelle keine weiteren Diskussionen über das Thema Tierschutz zu führen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke sehr, Herr Heidel. – Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Dietzel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundlage der Diskussion, die wir heute führen, ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November dieses Jahres, mit dem entschieden wurde, dass es trotz der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz nicht auszuschließen ist, dass Ausnahmegenehmigungen für das betäubungslose Schlachten erteilt werden. Wenn ich die Reaktion in unserem Land insgesamt betrachte, muss ich feststellen, dass es sich um Enttäuschung, Unverständnis und auch Ablehnung gehandelt hat.

Diese Reaktion fand sich nicht nur allgemein in der Bevölkerung, sondern auch Juristen haben sich zu diesem Urteil durchaus kritisch geäußert.Ich habe die Diskussion in den letzten Jahren verfolgt und erkannt, dass die Hoffnung aufgekeimt ist, die Tatsache, dass der Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen wurde, würde eine Verbesserung des Tierschutzes in vielen Bereichen nach sich ziehen. Aber es scheint so zu sein, dass die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz folgenlos bleibt.

Das zwingt uns zu einem schnellen Handeln. Das heißt, dass wir, sobald wir über die schriftliche Urteilsbegründung verfügen und darüber beraten haben, wieder in den Bundesrat ziehen werden, um eine Änderung des § 4a Tierschutzgesetz zu erreichen. Wir hoffen auf die Unterstützung anderer Bundesländer, damit dies umgesetzt wird.

Heinrich Heidel hat eben auf den Kinderspruch „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“ hingewiesen. Ich denke, dass an diesem Spruch viel dran ist. Wir wissen heute, dass Tiere leidensfähige, schmerzempfindliche Mitgeschöpfe sind. Das ist nicht nur ein Spruch, sondern es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Tiere, genau wie wir,Angst empfinden. Ich denke, wir alle sind uns darin einig, dass wir erhebliche Schmerzen, Leiden und Angst, die durch das betäubungslose Schächten entstehen, ausschließen müssen.

Aber ich weiß nicht, ob allen Richtern bewusst war, was das Schächten überhaupt bedeutet. Die Frage ist:Was geschieht beim Schächten? Stellen Sie sich einmal einen normalen, großen Mastbullen der Rassen Charolais oder Limousin vor. Vergleichen Sie einen solchen Bullen einmal mit den Tieren,die vor 2.000 Jahren gelebt haben.Das waren eher schmale Tiere.Wenn man sie mit den heutigen Tieren vergleicht, stellt man fest, dass sie anscheinend nur noch eines gemeinsam haben: Die Vertreter beider Erscheinungsformen heißen „Rind“. Aber wenn man sich diese wahren Fleischberge anschaut, die Hälse vom Durchmesser eines Wagenrades haben, erkennt man, dass diese Tiere nichts mehr mit denen zu tun haben, die vor 2.000 Jahren gelebt haben.

Diese Hälse sollen nun mit einem Messerschnitt durchtrennt werden.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das geht doch gar nicht!)

Wie eben schon gesagt worden ist, werden die Haut und die Muskeln, aber auch besonders schmerzempfindliche Organe, wie die Luft- und die Speiseröhre, durchtrennt. In der Chirurgie weiß man, dass selbst bei Menschen, die eine Narkose bekommen haben,noch Schmerzreaktionen festzustellen sind, wenn die Speise- und die Luftröhre betroffen sind.

Aber selbst wenn man so erfolgreich ist, den Hals bis zur Wirbelsäule zu durchtrennen, verliert das Rind noch immer nicht sein Bewusstsein. Das Gehirn des Rindes wird nämlich von Gefäßen mit Blut versorgt, die an und oberhalb der Wirbelsäule verlaufen. Das heißt, das Tier bleibt weiterhin bei Bewusstsein. Deswegen kommt es bei den Tieren auch noch Minuten nach dem Schlachten zu Schmerzreaktionen. Das reicht bis zu Aufstehversuchen, die dann – zugegeben – nicht mehr erfolgreich sind.

Deswegen ist es, meine ich, zu verstehen, dass sich viele Länder in der Europäischen Union mit dem Thema betäubungsloses Schächten beschäftigen und dabei teilweise kompromisslos sind. In der Schweiz z. B. gibt es ein solches Schächten überhaupt nicht. In anderen Ländern wird, wie eben beschrieben worden ist, eine Kurzzeitbetäubung angewandt.