Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Ich kann mich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass es bei der Firma Ticona nicht nur – ich will mich da sehr vorsichtig ausdrücken – um sicherheitsrelevante Fragen geht..., dass es bei der Firma Ticona auch – ich will nicht sagen: hauptsächlich – sehr stark um betriebswirtschaftliche und entschädigungsrelevante Fragen geht.

Das haben Sie Ticona unterstellt.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Welche Überheblichkeit ist das angesichts eines Werks mit 1.000 Arbeitsplätzen? Fakt ist, dass diese Landesregierung die sicherheitsrelevanten Fragen überhaupt nicht in Erwägung gezogen hat. Fakt ist, dass Sie mit gnadenloser Ignoranz vorgegangen sind, als Sie festgestellt haben, dass der parallele Betrieb von Ticona und einer neuen Landebahn nicht möglich ist. Sie haben einen entschädigungsrelevanten Fall daraus gemacht. Jetzt muss nämlich die Fraport 650 Millionen c für Ihre Fehlplanung auf den Tisch legen.

(Beifall bei der SPD)

So sieht das aus. Das ist ein Missmanagement auf höchstem Niveau.Alle müssen die Zeche dafür zahlen. Die Zeche wird von der Fraport AG gezahlt, die 650 Millionen c auf den Tisch legt. Die Zeche wird von den Mitarbeitern des Chemiewerks Ticona gezahlt, die sich ihrer Arbeitsplätze nicht sicher sein können. Die Zeche wird von der Stadt Kelsterbach bezahlt, der, wenn Ticona weggeht, die entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen fehlen. Die Zeche wird auch von dem Chemiestandort Hessen bezahlt, den Sie immer so hoch angesiedelt haben. Jetzt sind die GRÜNEN dabei,über den Chemiestandort Hessen zu diskutieren. Das ist ein Schmankerl am Rande.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie sehen dabei zu, wie ein Industriebetrieb wie Ticona vielleicht aus Hessen wegzieht. Sie lassen die anderen die Zeche zahlen. Das ist der Skandal, den Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wir haben immer wieder darauf hingewiesen – zuletzt bei der Einbringung des Landesentwicklungsplanentwurfs –, dass Sie eine Antwort auf die zentralen Fragen im Zusammenhang mit dem Ausbau schuldig sind. Das war im Fall von Ticona so. Das ist auch beim Nachtflugverbot so.

(Clemens Reif (CDU): Geben Sie eine Antwort!)

Heute haben wir die Situation, dass das 650 Millionen c kostet.

(Clemens Reif (CDU): Machen Sie einen Vorschlag!)

Herr Minister, wenn Sie mir heute erzählen, dass das Peanuts sind, sage ich Ihnen: Erklären Sie den Mitarbeitern von Ticona, aber auch den Mitarbeitern von Fraport einmal, was es mit diesen 650 Millionen Peanuts auf sich hat.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich wird das Geld, diese 650 Millionen c, irgendwo fehlen: z. B. beim Lärmschutz, bei der ökologischen Abfederung und der Sicherung von Arbeitsplätzen bei Fraport. Selbst die vereinbarte Beschäftigungsgesellschaft für die Chemiearbeiterinnen und Chemiearbeiter bietet noch lange keine Gewähr für eine langfristige Perspektive für die hoch qualifizierte Belegschaft. Deshalb ist es auch so wichtig, dass das neue Werk Ticona in Hessen bleibt. Dazu gibt es keine Alternative. Wir machen den Herrn Ministerpräsidenten persönlich dafür verantwortlich. Wir erwarten, dass er sich dafür einsetzt, dass Ticona in Hessen bleibt, statt woandershin abzuwandern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es darf nicht so sein, dass man die Mitarbeiter von Ticona durch die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft in Sicherheit wiegt und sie dann letztendlich doch in die Arbeitslosigkeit entlässt. Das Arbeitsplatzargument war und ist eines der wichtigsten Argumente für den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Was denn sonst, wenn nicht die Arbeitsplätze? Mit dem Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen in den Ausbau des Frankfurter Flughafens einzusteigen ist ein ganz schlechtes Zeichen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen sich immer als wirtschaftsfreundlich und arbeitsplatzorientiert darstellen. Gleichzeitig unterstellen Sie uns Sozialdemokraten, dass wir dem Ausbau des Frankfurter Flughafens nur zähneknirschend – doch nicht so richtig wollend – zustimmen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das mache ich gleich wieder, denn jetzt treten Sie den Beweis an, dass Sie es nicht verstanden haben!)

Herr Boddenberg, Sie haben es nicht verstanden. Wir sind für den Ausbau des Frankfurter Flughafens.Aber wir sind genauso dafür, dass wir die Ergebnisse des Mediationsverfahrens berücksichtigen;denn wir wissen,dass das Projekt nur so eine Akzeptanz im Rhein-Main-Gebiet und bei den Beschäftigten findet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist: Diese Landesregierung ist weder handwerklich noch strategisch in der Lage, den Ausbau des Frankfurter Flughafens so zu planen und zu gestalten, dass dadurch die Wettbewerbsvorteile tatsächlich optimal genutzt und die Interessen der Menschen in der Region berücksichtigt werden können. Fakt ist auch, dass Sie sich keinen Deut

um die 1.000 Arbeitsplätze scheren. Fakt ist, dass alle Mediationskriterien, die einmütig verabschiedet wurden, vom Nachtflugverbot über die sozialen und ökologischen Ausgleichsmaßnahmen bis zur Reduzierung der Lärmemissionen,von dieser Landesregierung systematisch vernachlässigt werden.

Sie bleiben uns bis heute die Antwort auf die Frage schuldig, wie das Nachtflugverbot gerichtsfest gemacht werden kann. Sie sagen immer, das sei ganz schwierig. Auch wir wissen, dass dies ganz schwierig ist. Aber wir – auch die hiesige Bevölkerung – möchten nicht wissen, wie schwierig etwas ist und was nicht geht, sondern wir wollen von Ihnen, Herr Minister, endlich einmal hören, wie es geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Am Ende müssen wir Lufthansa Cargo kaufen!)

Ja, damit keiner mehr fliegt.

Abschließend will ich Folgendes festhalten – Herr Boddenberg, hören Sie gut zu –: Die hessische SPD steht mit überwältigender Mehrheit für die Entwicklungschancen durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Im Unterschied zu Ihnen nehmen wir aber die Ergebnisse des Mediationsverfahrens verdammt ernst,

(Michael Boddenberg (CDU): Theoretisch, im Unterschied zu uns!)

weil wir sie für eine unabdingbare Voraussetzung für den Ausbau halten und weil das von der großen Mehrheit der Bevölkerung in der Region, aber auch in ganz Hessen gewünscht wird. Nur so wird der Ausbau akzeptiert.

Sie haben so viele Fehler gemacht, dass die Menschen Ihnen gar nicht mehr zutrauen, beim Flughafenausbau im Sinne der wirtschaftlichen Stärke dieser Region zu handeln. Aber auch was die soziale und ökologische Verantwortung betrifft, trauen Ihnen die Menschen in dieser Region den Ausbau des Flughafens nicht mehr zu.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Sehr dünn!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ypsilanti. – Das Wort hat Herr Abg. Boddenberg, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf den Antrag der GRÜNEN und auf das, was Frau Ypsilanti eben vorgetragen hat, stellt sich mir zunächst einmal die Frage: Was wollten uns die GRÜNEN mit ihrem Antrag sagen, und was wollte uns Frau Ypsilanti mit ihrer Rede sagen?

(Clemens Reif (CDU): Das wissen sie selbst nicht! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Frage passt zu Ihnen!)

Die Frage, die sich an die GRÜNEN richtet, lautet: Wollten Sie uns damit sagen, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hessen der neue Lobbyist der Chemiestandorte und der Chemieindustrie ist?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben so wenig Ahnung, das tut nur weh!)

Wollten uns die GRÜNEN sagen, dass sie dem Ausbau des Frankfurter Flughafens zustimmen würden, wenn nicht die Nordwestvariante, die laut allen vorliegenden Gutachten die Variante mit den geringsten Lärmauswirkungen und den geringsten Eingriffen in die Natur ist, sondern eine andere Variante oberste Priorität hätte?

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben unsere Vorschläge x-mal gemacht!)

Herr Kaufmann, ich weise auf das hin, was die GRÜNEN immer gesagt haben. Ich zitiere aus dem, was Sie im Jahre 2002 im Plenum – aber auch schon die Jahre zuvor – gesagt haben:

Die GRÜNEN auf allen politischen Ebenen – auf der Ebene der Städte und Gemeinden im RheinMain-Gebiet genauso wie in den Kreisen, der Regionalversammlung Süd und im Hessischen Landtag bis nach Berlin in die Bundesregierung – lehnen einheitlich einen weiteren Ausbau des Flughafens Frankfurt ab...

Vor dem Hintergrund finde ich es äußert merkwürdig, dass Sie sich heute vor ein Industrieunternehmen stellen, dem Sie in den Neunzigerjahren vielleicht an anderer Stelle – vor anderen Chemiefabriken – hätten Schutz angedeihen müssen, und dass Sie heute so tun, als ob Sie diese Variante störte. Sie stört das gesamte Projekt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ypsilanti, ich komme nachher noch einmal darauf zurück: Die Haltung der SPD ist nicht so weit weg von dem, was die GRÜNEN hier machen.Versuchen Sie bitte nicht, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es in der SPD – insbesondere bei Ihnen persönlich – eine auch nur annähernd klare Haltung zu diesem für Hessen so wichtigen Projekt, dem Ausbau des Frankfurter Flughafens. Sie stellen sich heute hierhin und weinen Krokodilstränen, was schon deswegen merkwürdig anmutet, weil Sie zwar von dem Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen gesprochen,aber im Satz zuvor die Landesregierung aufgefordert haben – –

(Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen: Sie brauchen uns gar nicht aufzufordern. Die Hessische Landesregierung kümmert sich um das Thema.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das werden wir sehen! – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Sie beklagen schon jetzt den Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen. Ich könnte Ihnen einmal vorrechnen, wie viele Arbeitsplätze – es waren Zehntausende – Sie in den Neunzigerjahren durch Nichtentscheiden und falsches Entscheiden aus dem Lande getrieben haben.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Rechnen Sie doch einmal! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das will ich hören!)

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