Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Von daher erhebt sich schon die Frage, wie man das so ausgestaltet, dass man auch dem Anspruch der Suchtbekämpfung gerecht wird. Das ist der eine Punkt. Herr Kollege Beuth hat in seiner Rede noch etwas anderes angesprochen.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Herr Kollege Wintermeyer, natürlich soll den Leuten der Spaß nicht verdorben werden. Ich glaube aber schon, dass wir uns genauer angucken müssen, was das Verfassungsgericht gesagt hat. Das Verfassungsgericht sagt jedenfalls, dass die Suchtprävention ein wesentlicher Aspekt ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass wir bei diesem Punkt mit einem Monopol besser leben als mit einem liberalisierten Markt.

In Frankfurt und in Offenbach hat es Schließungsverfügungen gegeben. Der Innenminister hat das veranlasst. Boris Rhein hat das auch fleißig getan.Wenn man sich die Buden anschaut, in denen das Glücksspiel angeboten wurde, dann entsteht schon der Eindruck, dass das keine besonders vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltungen sind. Das hat auch eine ganze Menge mit Begleitkriminalität zu tun. Vielleicht hat ein staatliches Monopol da unter anderem auch einen regulierenden Charakter. Ich

glaube, dass man mit diesem staatlichen Monopol nicht schlecht gefahren ist.

Herr Kollege Hahn, ich will nicht verkennen, dass unter Umständen dieses Monopol aus Gründen des Rechts der Europäischen Union nicht gehalten werden kann. Dann muss man sich überlegen, wie man das regeln will.

Ich glaube aber nicht, dass wir jetzt schon an dem Punkt sind, wo wir sagen sollten, das Monopol muss fallen. Wir sollten nicht jetzt schon erklären, dass wir für ein Konzessionsmodell sind. Ich werbe für etwas anderes. Das steht zum Teil auch in Ihrem Antrag. Ich werbe dafür, dass wir uns zunächst einmal angucken, was die Ministerpräsidenten vereinbart haben.

Wir werden den Staatsvertrag beraten. Das entspricht dem ganz normalen Verfahren, das wir hier im Landtag haben. Wir werden die Landesregierung bitten, uns die Stellungnahmen vorzulegen, die zu dem Staatsvertrag abgegeben wurden. Wir können sie dann in die Diskussion, die es im Innenausschuss dazu geben wird, einbeziehen. Dabei können wir uns dann angucken, wie die Sache weitergehen kann.

Ich würde diesen Staatsvertrag sogar in Kraft setzen. Ich habe in einer Meldung der „dpa“ gelesen, dass die Ministerpräsidenten gesagt haben, dass das erst einmal nur für vier Jahre gelten soll. Bis dahin wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliegen. Bis dahin werden wir wissen, welche Anforderungen erfüllt werden müssen. Dann müssen wir die Debatte darüber führen,wie wir diesen Bereich neu regeln wollen.

Ich möchte am Schluss meiner Rede noch einmal darauf eingehen, dass wir uns wirklich auch darüber Gedanken machen müssen,um wie viel Geld es hier geht.Auch heute habe ich in mein Fach geschaut. Wir kriegen CDs zugeschickt, auf denen die Argumente der deutschen Buchmacher bzw. des Deutschen Buchmacherverbands dargestellt werden.Wir bekommen damit die Argumentationen der Wettanbieter in Deutschland vorgelegt. Daran kann man erkennen, dass es hier um relativ viel Geld geht.

Es geht hier auch um relativ viel Geld, auf das der Staat unter Umständen verzichten muss. Das würde dann für die karitativen Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen. Deswegen werbe ich dafür, dass wir bei diesem Thema keine Schnellschüsse machen und auch keine Vorfestlegungen treffen.Vielmehr sollten wir darüber im zuständigen Ausschuss eine intensive Debatte führen. Wir sollten auf der Grundlage dessen,was uns dann vorliegt,eine vernünftige Entscheidung treffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Staatsminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin,meine Damen,meine Herren! Ich denke, die Debatte hat deutlich gemacht, dass diese Diskussion nicht ganz einfach ist, weil es um vielfältige juristische Aspekte geht und weil sie auch interessengeleitet ist.

Das ist weder außergewöhnlich, noch ist es schlimm, aber man muss es einmal sagen: Hier werden viele Interessen – wir haben es bei dem Kollegen Frömmrich gerade gesehen – auch werblich unterstützt, und es wird wirklich ein

drucksvoll versucht, eine Entscheidung zu beeinflussen. Bevor ich ein paar Bemerkungen mache, will ich zunächst dem Anliegen Rechnung tragen, zu berichten, was die Ministerpräsidenten nun konkret beschlossen haben.

Frau Präsidentin, ich zitiere nun wörtlich. Die Ministerpräsidenten haben unter Tagesordnungspunkt 2 der gestrigen Konferenz Folgendes beschlossen – der Beschluss hat fünf Teile, sie sind aber nur in zwei Punkten interessant,der Rest dreht sich um Besonderheiten in Thüringen, Sachsen etc. –:

1. Die Regierungschefs der Länder nehmen mit 15 : 1 Stimmen den Entwurf des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland nebst Begründung – beides Stand 08.12.2006 – mit der Maßgabe zustimmend zur Kenntnis, dass hinsichtlich der Vertragsbeendigung die Alternative 7.2.2 des Berichts der federführenden Länder Anwendung findet.

Dieser Punkt 7.2.2 bedeutet Außerkrafttreten nach vier Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit.

Der Vertrag soll nach Einholung der Unterzeichnungsermächtigungen und der Unterrichtung der Landesparlamente Anfang 2007 im Umlaufverfahren unterzeichnet werden. Die Länder werden sodann unverzüglich die Vertragsratifizierung betreiben.

2. Das Vorsitzland wird beauftragt, den Vertragsentwurf der EU-Kommission zu notifizieren.

So viel zum Beschlusstext. Ich denke, das ist jetzt die Grundlage. Damit ist klar: Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich gestern zu diesem Staatsvertrag bekannt und eine Grundentscheidung getroffen, die natürlich erst in Gesetzeskraft erwachsen kann, wenn die Landtage dem zustimmen. Ich denke, insofern sind wir gar nicht so weit auseinander.

Herr Kollege Hahn,Sie haben in Abs.1 gefordert,dass wir dies zunächst einmal alles zurückstellen – darauf komme ich gleich –, und in Abs. 2 haben Sie gefordert, dass die vorliegenden Stellungnahmen der Anhörung dem Landtag zur Verfügung gestellt und im Innenausschuss erörtert werden. Ich denke, das ist selbstverständlich. Das sollten wir tun. Ich kann Ihnen das für die Landesregierung nur zusagen.

Dann haben Sie gefordert, man möge das Ganze doch sehr gründlich beraten, bedenken und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten. – Herr Kollege Hahn, es ist hierzu schon einiges bemerkt worden. Ich kann dem aus mehreren Gründen nicht beipflichten.

Zum einen. Sie haben gesagt, die Länder hätten einen Schnellschuss produziert. Ich kann mich an kaum ein Thema erinnern – wenn ich länger nachdenke, dann stelle ich fest, es gibt gar keines –, das in den letzten Monaten so intensiv und unter wirklich vielfacher Beteiligung diverser Experten beraten worden wäre wie dieses.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Hilflosigkeit!)

Zuzugeben, es gibt dazu verschiedene Auffassungen. Das ist auch nichts Neues. Ich habe auch gelesen, dass der frühere Bundesverteidigungsminister Prof. Scholz gestern in irgendeiner Zeitung fast apodiktisch erklärt hat: erstens Europarecht, zweitens sei sowieso alles falsch.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): In der „Welt“! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat Herr Kollege Hahn vorgelesen!)

Das kann man tun; das macht die Sache aber nicht überzeugender, insbesondere wenn immer auf Europarecht abgestellt wird. Ich räume ein, das ist eine gute Sache, weil keiner ganz genau weiß, was das eigentlich ist. Ich will nur auf eines hinweisen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es gibt noch sieben weitere Monopole!)

Die Entscheidung, die jetzt vom Europäischen Gerichtshof angekündigt wird, beschäftigt sich mit einer Rechtslage in Italien. Inwieweit die dortigen Entscheidungsgründe für uns eine Lösung des sehr verzwickten Problems ermöglichen, das bleibt abzuwarten. Es ist ganz sicher nicht möglich, dies 1 : 1 abzubilden. Es gibt schon europäische Entscheidungen. Das berühmte GambelliUrteil, das auch wie ein altes Fahrzeug ausgeschlachtet wird,denn jeder nimmt sich das,was er braucht,ist zum einen ––

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Irgendwann ist es nicht mehr da!)

Ja,es ist doch wahr.– Es ist zum einen immer als Beispiel dafür genannt worden,Europa verlange die totale Dienstleistungsfreiheit. – Mitnichten, auch das Bundesverfassungsgericht hat trotz Kenntnis des Gambelli-Urteils gesagt, nein, so sei es nicht, und die Länder hätten einen eigenen Gestaltungsspielraum. Jetzt stellt sich die Frage, wie dieser eigene Gestaltungsspielraum eigentlich aussieht.

Herr Kollege Beuth hat, wie ich finde, zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht drei Grundbedingungen gegeben hat. Es hat uns gesagt: Ihr könnt für eine Übergangszeit, die Ende des Jahres 2007 ausläuft, einen ordnungsrechtlichen Rahmen setzen, und eure gesamte Genehmigungspraxis bzw. Monopolstellung könnt ihr bis zum Ende dieser Übergangszeit nutzen. Das ist nach der Verfassung möglich, wenn der ordnungsrechtliche Grundgedanke so umgesetzt wird, dass er auch in der Praxis gelebt wird.

Was ist der Grundgedanke? Warum kommen wir überhaupt zum Ordnungsrecht? Der Verfassungsgeber lässt zu, dass man sagt: Spielen ist für sich bedenklich; da die Menschen aber so sind, dass sie spielen, bedarf es eines ordnungsrechtlichen Rahmens. – Wer diese Position vertritt und die Spielsucht bekämpfen will, der muss von bestimmten Dingen Abstand nehmen, die in der Werbung und Vermittlung des Angebots liegen.Wenn man das machen will, dann muss man die jetzige Rechtslage ändern, denn sie lässt Werbung im Fernsehen, Internet und auch anderweitig in bestimmter Weise zu, die dem Gedanken der Spielsuchtvermeidung nicht Rechnung trägt.

Wenn ich auf der einen Seite den ordnungsrechtlichen Rahmen erhalten soll, dann muss ich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – ich sage das jetzt in Anführungszeichen – Auswüchse, die der Suchtbekämpfung entgegenstehen, durch eine rechtliche Grundlage in Zukunft vermeiden. Da stellt sich die spannende Frage: Welche rechtliche Grundlage könnte es geben? Ich stelle fest:Wenn es die Länder gemeinsam machen wollen,dann braucht es einen Staatsvertrag.

Herr Kollege Hahn, da ist die Position der FDP für mich nicht wirklich schlüssig. Ich habe eine ganze Reihe von Stellungnahmen der Freien Demokraten. Die sind sehr

spannend. Ich will mich jetzt nur einmal auf Hessen beziehen. Sie haben am 19. Mai zunächst einmal darauf hingewiesen, dass es Zeit wird, dass das hessische Innenministerium endlich die Vorgaben des Verfassungsgerichts umsetzt und entsprechend etwas gegen die illegalen Anbieter unternimmt. Sie wissen, wir haben das getan. Aber auf welcher Grundlage? Ich kann doch gegen illegale Anbieter – Herr Kollege Frömmrich hat ein paar Beispiele genannt – nur auf einer Grundlage,die das Gesetz hergibt, vorgehen. Das ist dann wiederum das Ordnungsrecht.

Herr Kollege Hahn, wenn ich das Ordnungsrecht aber nicht mehr habe, dann ist Ihre Forderung nicht umzusetzen. Sie haben z. B. am 08.12. 2006 erklärt – zumindest ist das veröffentlicht worden –, es müsse – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist unter Niveau! Wir haben doch jetzt ein Recht! Was soll denn das?)

Jetzt einmal langsam, wir haben es eben nicht.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich versuche, deutlich zu machen, was los ist! Was soll denn das?)

Nein.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wir haben ein Recht! Was soll denn das jetzt?)

Ich versuche, deutlich zu machen, wo das Problem liegt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Aber nicht erfolgreich!)

Das ist eine Bewertungsfrage. – Ich nehme für die Hessische Landesregierung jedenfalls in Anspruch, dass wir außerordentlich erfolgreich sind; denn Hessen ist ein Land, dem der Hessische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich bestätigt hat, Herr Kollege, dass unsere Maßnahmen nach Recht und Gesetz nicht zu tadeln seien.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Gleich. – Sie müssen folgendes Problem sehen: Es gibt – nicht aber in Hessen – eine bunte Rechtsprechung, die besagt: Ihr könnt nur schließen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. – Was sind das für Voraussetzungen? – Dass Ihr hinreichend gegen die Spielsucht vorgeht.