Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns doch einmal Ihr Heilsversprechen „Autobahn“ an. Die Antwort der CDU auf die Frage, wie Arbeitsplätze geschaffen werden können, lautet: Wir bauen Autobahnen. – Meine Damen und Herren der Union, wenn das stimmen würde, wenn der Neubau von Autobahnen automatisch zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen würde, müssten wir in den neuen Bundesländern Vollbeschäftigung haben. Es zeigt sich aber ein völlig anderes Bild.

Dankenswerterweise haben wir in Nordhessen auch eine andere Entwicklung, obwohl keines der von Ihnen genannten Infrastrukturprojekte in Nordhessen realisiert worden ist. Angeblich ist das die einzige Bedingung für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Obwohl das nicht erreicht wurde,geht die Arbeitslosigkeit in Nordhessen dankenswerterweise zurück. Ich habe die Zahlen mitgebracht. Im Regierungsbezirk Kassel betrug im Dezember 2005 die Arbeitslosenquote 10,4 %. Sie ist auf 8,7 % im Dezember 2006 gesunken.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Kollege, das geschah aber doch nicht wegen des Baus von Fahrradwegen!)

Das heißt, es gibt in Nordhessen andere, wichtigere Potenziale. Wir sollten uns darauf konzentrieren, diese Potenziale zu nutzen. Dann könnte es bei der Erwerbstätigkeit in Nordhessen zu einer noch besseren Entwicklung kommen. Die Kraft sollte aber nicht mit unsinnigen Infrastrukturprojekten verschwendet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Na, na, na!)

Der Bau von Autobahnen soll die einzige Voraussetzung für Beschäftigung sein. Wie erklären Sie denn dann, dass der Landkreis Marburg-Biedenkopf in Mittelhessen mit 6,9 % die niedrigste Arbeitslosenquote aufweist? Bekanntlich befindet sich in seinem Kreisgebiet überhaupt keine Autobahn.Meine Damen und Herren der CDU,wie erklären Sie das?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie erklären Sie denn,dass der in Nordhessen befindliche Landkreis Hersfeld-Rotenburg, auf dessen Gebiet sich mit der A 7, der A 4 und der A 5 Autobahnen befinden, eine höhere Arbeitslosigkeit als der Landkreis WaldeckFrankenberg aufweist, der nur an seinem nördlichsten Ende eine Autobahn aufweist? Wie wollen Sie das erklären, wenn Ihre Ideologie, der Bau von Autobahnen würde zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen, stimmen würde?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen endlich einmal begreifen, dass eine Autobahn keine Einbahnstraße ist.

(Zurufe von der CDU)

Autobahnen und Straßen können zur Wertschöpfung in einer Region führen. Es kann aber auch die Gefahr bestehen, dass die Wertschöpfung aus der Region abfließt. Genau darin bestünde die Gefahr, wenn Sie die Betonpisten für den europäischen Güterverkehr bauen würden.

(Michael Boddenberg (CDU):Es soll also gar keine Autobahnen mehr geben!)

Es würde Unternehmen noch mehr erleichtern, Arbeitsplätze ins europäische Ausland zu verlagern. Deshalb ist Ihre Ideologie falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie regieren dieses Land seit acht Jahren und haben nichts hinbekommen. Jetzt sagen Sie: Schuld daran sind die Naturschutzverbände,

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

das Naturschutzrecht und der BUND.

Schauen wir uns doch einmal an,mit welchen Gegnern Sie es bei der geplanten Trasse der A 44 zu tun haben. Diese Landesregierung behauptet von sich immer, die größte und beste Landesregierung weltweit und sogar im Universum zu sein.Mit welchen Gegnern hat sie es bei der geplanten Trasse der A 44 zu tun? Es handelt sich um den Raubwürger und den Schwarzen Ameisenbläuling. Diese beiden Tiere bringen die Landesregierung bei der Realisierung ihrer Pläne zu Fall. Meine Damen und Herren, ein ärmeres Zeugnis können Sie sich selbst nicht ausstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns doch einmal den Ameisenbläuling an. Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling ist ein Schmetterling aus der Familie der Bläulinge. Er wird auch als Schwarzblauer Bläuling oder Schwarzblauer Moorbläuling bezeichnet. Die Falter erreichen eine Flügelspannweite von 28 bis 33 mm. Ein Tier mit einer Spannbreite von 28 bis 33 mm bringt Herrn Super-Rhiel – so bezeichnete ihn die „Bild“-Zeitung – bei seinem Flug über Nordhessen zum Absturz. Meine Damen und Herren, ein ärmeres Zeugnis können Sie sich selbst nicht ausstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben den BUND beschimpft. Meine Damen und Herren der CDU, ich frage mich:Werden Sie diese unverschämten Schimpftiraden

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

eigentlich auch den Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinde Kaufungen entgegenrufen? Denn auch die Gemeinde Kaufungen hat beschlossen,dass sie Ihre Pläne zum Weiterbau der A 44 nicht realisiert sehen will. Müssen sich die Bürgerinnen und Bürger Kaufungens jetzt auch von Ihnen in dieser unsäglichen Art beschimpfen lassen, wie Sie es mit dem BUND gemacht haben?

Meine Damen und Herren, das betrifft aber auch die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Helsa. Ich meine, Ihr Kollege Herr Williges würde da im Gemeindeparlament sitzen. Das Gemeindeparlament von Helsa, in dem Ihr Kollege Herr Williges einen Sitz hat, lehnt den Weiterbau der A 44 in der vorgelegten Form ab.

(Frank Williges (CDU): Das wurde gegen meine Stimme beschlossen!)

Der Weiterbau der Autobahn A 44 würde in der dünn besiedelten Region den einzigen verbliebenen Wirtschaftsfaktor, nämlich das Potenzial für einen naturnahen Tourismus, unwiderruflich vernichten. Meine Damen und Herren, müssen sich die Menschen aus Helsa jetzt auch von Ihnen beschimpfen lassen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, wer hat eigentlich das Naturschutzrecht geschaffen, auf das sich der BUND, die Gemeinde Kaufungen, die Gemeinde Helsa und viele Anwohnerinnen und Anwohner berufen? Sie haben es geschaffen – Schwarz-Gelb in der Bundesregierung, 1998, in der Umsetzung des europäischen Naturschutzrechts in nationales Recht. Es war die heutige Bundeskanzlerin und frühere Umweltministerin Dr. Angela Merkel,die die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war gut so!)

Das war auch gut so. Schämen Sie sich eigentlich nicht, dass Sie dem BUND und den Anwohnerinnen und Anwohnern jetzt vorwerfen, dass sie sich auf das Recht berufen, das Sie selbst geschaffen haben? Unglaubwürdiger geht es wirklich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Frau Dr. Angela Merkel hat in einer Presseerklärung zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in nationales Recht am 27. März 1998 gesagt:

Mit dem Änderungsgesetz wird der deutsche Beitrag zur Errichtung des europäischen Biotopverbundnetzes Natura 2000 geschaffen. Dies gibt dem Naturschutz in Deutschland eine gesicherte Basis und neue Impulse.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Recht hatte die damalige Bundesumweltministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die damalige Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel sagte im Bundestag in den Debatten zu diesem Thema:

Jeder weiß, dass es dringend notwendig ist, die EUrechtlichen Regelungen sowohl im Bereich der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als auch im Bereich des Artenschutzes umzusetzen.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Dr.Angela Merkel, und weiter:

Es besteht aber erheblicher Nachholbedarf bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt und in diesem Zusammenhang vor allen Dingen beim Schutz der Lebensräume als Grundlage unseres Lebens und als Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit.

Genau dafür kämpft heute der BUND. Sie sollten es ihm nicht vorwerfen,wenn Ihre eigene Bundesumweltministerin die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP ist glücklicherweise schon ganz ruhig.Sie wissen, dass es von Ihrer Kollegin Birgit Homburger aus diesen Debatten zur Umsetzung der FFH-Richtlinie ähnliche Zitate gibt. Die hätte teilweise ein GRÜNER nicht besser formulieren können. Diese Frau ist heute stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag und Bundesvorstandsmitglied. Sie sollten sie einfach einmal fragen, bevor Sie hier gegen Recht polemisieren, das Sie selbst einmal geschaffen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum setzt sich denn der BUND ein? Warum klagt der BUND? Was ist denn der Grund?

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Das fragen wir uns auch!)

Da geht es nicht um Blockade.