Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

weil der Anteil älterer und zu pflegender Menschen in den Familien steigt.

Zusammenfassend möchte ich Folgendes sagen. Wir haben Hessen hinsichtlich der Familienfreundlichkeit weiter vorangebracht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der finanziellen Entlastung der Familien bei der Kinderbetreuung. Ich meine damit das bereits erwähnte BAMBINIProgramm.

Wir haben die frühkindliche Bildung vorangebracht. Das Stichwort dazu lautet: Bildungs- und Erziehungsplan.

Wir haben etwas für den Schutz der Kinder vor Misshandlung und Verwahrlosung getan. Das Stichwort dazu lautet:Vorsorgeuntersuchungen.

Wir haben auch etwas für die Unterstützung und der Beratung der Eltern behinderter Kinder unternommen. Das Stichwort dazu lautet: Frühförderstellen.

Auf all diesen Feldern sind wir in Hessen auf einem sehr guten Weg. Trotz aller notwendigen Sparmaßnahmen haben wir auf dem Gebiet der Familienpolitik die finanziellen Mittel immer konsequent erhöht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist sehr richtig!)

Meine Damen und Herren der rot-grünen Opposition,Sie tun immer so, als seien Sie besonders sozial. Sie müssen sich aber an Ihren eigenen Taten messen lassen. Das gilt auch hier in unserem Haus. Sie müssen sich an dem messen lassen, was Sie vor 1999 in Hessen gemacht haben. Das war noch nicht einmal vom Ansatz her familienfreundlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich will noch ein anderes Beispiel in Erinnerung rufen. Das betrifft die ehemalige rot-grüne Koalition in Berlin. Das betrifft das Armutsrisiko.In dem damals von Ihrer eigenen Regierung abgegebenen Armutsbericht ist aufgeführt, dass das Armutsrisiko von 1989 bis zum Jahre 2003 von 12,3 % auf 13,5 % gestiegen ist. Das sind die realistischen Zahlen, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssen. Werfen Sie uns nicht vor, wir würden keine ordentliche Familienpolitik machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin, es hilft nichts, nur einen traurigen Gesichtsausdruck zu haben. Es ist auch wichtig, sich den Realitäten zu stellen. Sie sollten da ein Stück weit in Sack und Asche gehen und in diesem Haus keinen solchen Wirbel verursachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir machen eine gute und seriöse Sozialpolitik. Die Familienpolitik ist und bleibt bei der CDU und unserer Sozialministerin in den besten Händen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Reißer, vielen Dank. – Das Wort erhält Frau Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute behandeln wir die Große Anfrage der SPD-Fraktion zum

Thema Familienpolitik und die Antwort der Landesregierung dazu. Ich möchte vorausschicken, dass mir sowohl beim Lesen der Fragen als auch der Antworten die Zielrichtung nicht ganz klar wurde.

(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus), Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Florian Rentsch (FDP))

Herr Kollege Rentsch,danke.– Ich glaube,es ist einigen, die das gelesen haben, so ergangen. Es wird eine Reihe an Daten abgefragt.Diese Fragen wurden aber letzten Endes bereits vom Statistischen Landesamt beantwortet. An einigen Stellen wird meiner Meinung nach auch zu wenig nach Lösungsmöglichkeiten für Probleme gefragt. So viel wollte ich dazu sagen.

(Zuruf)

Darauf möchte ich nicht weiter eingehen. – Wenn man sich die Antwort der Landesregierung anguckt, kommt man zu der Auffassung, dass das zum Teil rührig und zum Teil rührend ist. Bei der Antwort handelt es sich eher um ein Adress- und Telefonverzeichnis der Organisationen der sozialpolitischen Szene. Es wurde weniger dargestellt, wie die Situation der Familien tatsächlich ist.

Lassen Sie mich trotzdem der Verwaltung danken. Das haben meine Vorredner nicht getan. Sie hat die umfassende Anfrage beantwortet. Sie ist für die Qualität im Einzelnen nicht zuständig. Aber für die Arbeit und den Aufwand, der damit zusammenhängt, möchte ich der Verwaltung des Sozialministeriums ausdrücklich danken.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Ergebnis kann man also sagen: Die Situation der Familien bleibt eigentlich im Dunkeln. Das betrifft auch die Perspektiven. Ganze Bereiche bleiben völlig im Dunkeln. Der Bereich „pflegebedürftige Angehörige“ wird, was die Perspektiven betrifft, kaum behandelt.

Lassen Sie mich deswegen auf einige grundsätzlichere Fragen eingehen. Inzwischen reden alle über Familienpolitik.Die SPD ist da schon etwas länger in Bewegung.Man glaubte einige Zeit immer noch, dass die CDU bereit sei, sich zu bewegen.

Wenn wir über Familienpolitik reden, müssen wir genau überlegen, was Familienpolitik eigentlich ist. Familienpolitik ist keine verkappte Frauenpolitik. Das gilt auch umgekehrt nicht. Vielmehr muss Familienpolitik eine Politik sein, die sich an den Interessen der Kinder und der pflegebedürftigen Alten zu orientieren hat. Diese Personenkreise müssen im Mittelpunkt stehen.

Dagegen stehen aber die einfachen ideologischen Familienbilder, die in der CDU immer noch vorherrschen. Das ist der Grund dafür, dass wir mit dem Ehegattensplitting immer noch ein Steuersystem haben, in dem der männliche Alleinverdiener der Idealtypus ist und das Familien mit Kindern tatsächlich benachteiligt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das greift tatsächlich nicht. Das Familiensplitting wurde schon angesprochen. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ können wir heute einen Artikel lesen, in dem über die Arbeitsgruppe Familie der Unionsfraktion im Bund berichtet wird. Da wird versucht, der Einführung eines Familiensplittings zu widersprechen. Dort heißt es:

Ein Familiensplitting, das nicht mehr an die Ehe gebunden ist, wäre der falsche Weg.

Das ist die konservative Familienpolitik, mit der wir uns hier auseinanderzusetzen haben. Wir haben der Antwort der Landesregierung entnehmen können,dass es Familien in sehr viel vielfältigeren Formen gibt, als das die einfache Ehe ist.Ich fordere die Mitglieder der CDU-Fraktion ausdrücklich auf, eindeutig zu bekennen, dass auch Alleinerziehende und Patchworkfamilien wirklich ein Anrecht darauf haben, als Familien wahrgenommen und entsprechend gefördert zu werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass es die Familien langsam satt haben, dass in dieser Art und Weise über sie geredet wird. Sie erhalten unterschiedliche Signale, die sich zum Teil widersprechen.

Wir begrüßen die Einführung des Elterngelds nicht in allen Teilen.Aber grundsätzlich begrüßen wir das.

Wir begrüßen es letzten Endes auch, dass darüber diskutiert wird, die Kindergartengebühren abzuschaffen. So, wie das jetzt aber bei dem BAMBINI-Programm gelaufen ist, entlasten Sie nur einige Familien, nämlich diejenigen, die gerade jetzt zufällig Kinder im dritten Kindergartenjahr haben. Das ist doch keine strukturierte Familien- und Kinderpolitik. Sie haben damit 65 Millionen c gebunden, die wir gebraucht hätten, um die Angebote auszubauen und die Qualität zu verbessern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer die Mehrwertsteuer erhöht, muss auch über die Auswirkungen auf die Familienpolitik reden. Man muss in diesem Zusammenhang auch über Familien mit Kindern reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer belastet die Familien. Sie verschärft die Kluft zwischen den Kinderlosen und den Familien. Sie verschärft die Kluft zwischen den wohlhabenden und den ärmeren Familien. Den Familien wurde damit deutlich das Signal gegeben, dass sie nicht im Mittelpunkt des politischen Interesses stehen.

Für Wohnen, Essen, Windeln, Kleidung und Schuhe für die Kinder gibt eine Familie in Deutschland rund 550 c pro Monat aus. In vielen europäischen Ländern gibt es reduzierte Mehrwertsteuersätze für Produkte und Dienstleistungen, die Familien benötigen. In Deutschland gibt es den reduzierten Satz aber für Schnittblumen und Tiernahrung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Sabine Waschke (SPD) und Florian Rentsch (FDP))

Wir brauchen endlich eine Familienpolitik,die sich an den Interessen der Kinder ausrichtet, die die Kinder in den Mittelpunkt stellt.

Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt auch, dass die Zahl der Haushalte mit Kindern in Hessen in den letzten 20 Jahren ständig zugenommen hat. Wir haben in Hessen inzwischen 1,7 Millionen Haushalte mit Kindern. Das ist eine große Gruppe.

Wir haben bestimmte Trends. Das ist einer der positiven Teile in dieser Beantwortung. Wir haben einen Trend zur

Ein-Kind-Familie.Wir hatten lange Jahre – ein Grund für die geringe Geburtenrate in Deutschland – entweder Frauen, die berufstätig sein wollten und keine Kinder bekamen, oder Frauen, die Kinder bekamen und deswegen aus dem Beruf aussteigen mussten. Das ist sozusagen der konservative Effekt der Familienpolitik gewesen.

Jetzt haben wir einen anderen Trend.Wir haben jetzt den Trend zur Ein-Kind-Familie und nähern uns damit der Situation an, wie sie in anderen konservativen Ländern wie Spanien und Italien,wo die Ehe im Mittelpunkt steht,vorhanden ist.Der Hauptgrund hierfür ist ganz deutlich nicht nur das konservative Familienbild,sondern der Mangel an ausreichender Betreuungsinfrastruktur gerade für Kinder und auch für ältere Mitbürger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein Wort zur Qualität sagen, weil es schwer ist, diese Qualität einmal greifbar zu machen, worum es eigentlich geht. Wir wollen eine Betreuung, keine staatliche Aufbewahrung wie in der DDR, sondern eine Betreuung, die sich am einzelnen Kind ausrichtet, die die individuellen Möglichkeiten des Kindes fördert. Dazu brauchen wir ausreichend Personal. Dazu brauchen wir eine Struktur in den Kindergärten und in den Schulen, wo sich um das einzelne Kind gekümmert wird. Das steht auf der Tagesordnung. Wir brauchen eine Infrastruktur, wo sich die Eltern darauf verlassen können, dass es solche Angebote gibt.

Die Familienpolitik ist in aller Munde. Zu den falschen Signalen gehören auch Maßnahmen der Hessischen Landesregierung. Die Große Anfrage zeigt: Wir haben es mit einem Flickenteppich an Hilfs- und Beratungsangeboten zu tun. Seit der „Operation düstere Zukunft“ hat dieser Flickenteppich noch große Löcher.Wir haben es auch mit Bereichen zu tun, wo – ich denke, dass Familien sehr genau hinschauen – überhaupt keine Antworten gegeben werden. Ich nehme nur das Beispiel Wohnen im RheinMain-Gebiet heraus. Da heißt es auf Seite 11 in der Antwort der Landesregierung:

In Südhessen besteht daher auch in mittelfristiger Perspektive anhaltender Handlungsbedarf. Die Wohnungsförderung des Landes setzt entsprechende, vor allem familienfreundliche Akzente.