Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung geht – –

(Zuruf der Abg.Anne Oppermann (CDU))

Frau Oppermann, Sie wollen antworten. Bitte schön.

Herr Kollege Rentsch, wir schrecken vor nichts zurück. Das wissen Sie.

(Lachen und demonstrativer Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir halten nach wie vor für richtig, was wir in unserem Programm als reine CDU-Meinung beschlossen haben; es war nur in der Großen Koalition nicht umsetzbar. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist wieder ein Beitrag zum Lagerwahlkampf!)

Herr Kollege Rentsch, ich will Ihnen auch eines klar sagen: Das Votum der Wählerinnen und Wähler hat zu dem Ergebnis der Bundestagswahl 2005 und zu einer Großen Koalition in Berlin geführt.Aber für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist eine Große Koalition in Berlin allemal noch besser als Rot-Rot-Grün. Das wäre die Alternative gewesen.

Nun zu der Frage:Warum werden die Kinder in der PKV nicht mitfinanziert? – Herr Kollege Rentsch, ich habe Sie wirklich als einen Kollegen kennengelernt, der über ein fachlich fundiertes Wissen verfügt. Dann müssten Sie auch wissen, dass die GKV auch versicherungsfremde Leistungen finanziert, die so in der PKV nicht finanziert werden.

Herr Kollege Heidel, noch eines zur LKK: Das Problem LKK ist erkannt, und ich sage: Es muss noch gelöst werden. – Vielen Dank.

Als Nächster erhält Herr Dr. Spies für die Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich hörte, dass die FDP das Thema Gesundheit in diesem Plenum schon wieder zu ihrem Setzpunkt erhoben hat, da keimte in mir einen kurzen Moment lang die Hoffnung auf, wir würden hier tatsächlich Thesen, Konzepte, vielleicht sogar Visionen zur Gesundheitspolitik sehen und hören, statt

des ewigen Wehklagens und der ewig gleichen Leier: ein paar Ideen, reflektiert, neu, kreativ, innovativ, zukunftsfähig, originell, nicht so abgehoben, substanziell differenziert, wohl abgewogen, natürlich sich kritisch abgrenzend, aber auf dem Weg zu einer sogar überraschend neuen Politik für die Gesundheit.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das trauen Sie der FDP zu?)

Denn die Menschen hätten einen solchen ernsthaften, an der Gesundheit orientierten Diskurs verdient. Das allzu oft von keiner Sachkenntnis getrübte Hickhack entlang der technischen Petitessen führte vor allem zu einem: Die Leute sind verwirrt, sie hören nur Kritik, und sie trauen am Ende der Politik nichts mehr zu.

Ach,oh weh,da sah ich diesen Antrag,und ich fragte mich: Soll ich nun weinen oder lachen? Immerhin ist dieses Machwerk in den ehernen Rang einer Drucksache des Hessischen Landtags erhoben worden. Dieses Dokument der Abstinenz,da ohne jede eigene Inhaltlichkeit,traf mich erschütternd.Was war das für ein Verlust,was für eine Enttäuschung. Bleibt doch auch dieser Versuch ganz auf dem Niveau jener gesundheitspolitischen Abrissbirnentruppe der FDP, deren fachkundige Beiträge – inbrünstig vorgetragen – alles Marode vollständig erschöpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wo ist die FDP? Wo ist das Gegenüber auf der Seite des politischen Liberalismus, das tatsächlich irgendeinen konstruktiven Vorschlag machte? Fällt Ihnen denn gar nichts mehr ein, außer dem tiefen Verlangen, sich der Verantwortung für das Staatsziel Gesundheit vollständig zu entziehen? Gibt es bei der FDP nur noch sozialpolitische Selbstentleibung?

Mein lieber Mann,schon die Überschrift:Gibt es ein „klares Nein zur Staatsmedizin“? Herr Rentsch, da sind Sie den Lobbyisten auf den Leim gegangen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

In der Reform ist nämlich gar keine Staatsmedizin drin. Das kann man begrüßen oder bedauern.Tatsache ist aber: Am Ende muss es ein ausgewogenes Verhältnis geben zwischen dem Staat, der die gute wirtschaftliche Versorgung garantiert, und dem Individuum, der kreativen und ideenreichen Initiative des Einzelnen. In Wahrheit streiten wir da um Nuancen.

Dass Sie nun das ganz böse Wort „Staatsmedizin“ gleich in die Überschrift schreiben, sagt uns vor allem eines: Sie haben nicht nur keine Ideen, Sie haben noch nicht einmal das Gesetz, über das Sie reden, vorher gelesen.

(Beifall bei der SPD)

Was meinen denn diese Interessenvertreter, wenn sie überhaupt irgendeinen Inhalt mit dem Schlagwort „Staatsmedizin“ verbinden? – Krankenkassen können und sollen kassenübergreifend fusionieren; und das ist richtig so. Es gibt dann faktisch keine Kassenarten mehr, und dann brauchen wir auch keine kassenartenspezifischen Verbände. Was für ein Unsinn: die FDP als Vorkämpferin unnötiger Bürokratie – was für Zeiten, was für Sitten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss wird teilprofessionalisiert und bekommt Fristen für seine Entscheidungen gesetzt.Er muss zu Potte kommen.Endlich ist es so weit:Die Menschen müssen nicht mehr vergeblich auf die Umsetzung wichtiger Innovationen warten.

Herr Rentsch, jetzt komme ich auf Ihr Argument der Verstaatlichung zu sprechen. Ich habe mit großem Interesse gehört, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts weisungsabhängige Institutionen des Staates sein sollen. Da haben Sie etwas nicht begriffen. Sie sind doch der Jurist. Sie sollten wissen, dass es da einen fundamentalen wohlbegründeten Unterschied gibt.

Der Inhalt des Antrags steigert sich noch.Als Erstes wird in dem Antrag der Fraktion der FDP festgestellt, dass lediglich ein Kompromiss in der Großen Koalition erreicht worden sei. Was soll denn sonst erreicht werden? Herr Rentsch, Sie gehörten in der letzten Legislaturperiode noch nicht dem Hessischen Landtag an. Lassen Sie mich Ihnen deshalb ein Geheimnis verraten: So etwas kommt in Koalitionen vor, und zwar sogar öfter. Dort werden Kompromisse geschlossen. Manche Leute sind sogar der Meinung, Kompromisse seien für Koalitionen konstitutiv. Das lernen Sie auch noch.

Weiterhin kann man in dem Antrag lesen, der Landtag solle feststellen,dass in Berlin nicht das gemacht wird,was die FDP will. Das ist richtig. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist richtig gut, dass das nicht gemacht wird. Denn das, was die FDP in diesem Satz als „Eigenverantwortung“ bezeichnet, ist nichts anderes, als kranke Menschen der unkontrollierten und unkontrollierbaren Übermacht der Versicherungsverkäufer und Leistungsaufschwätzer auszuliefern. Das betrifft nicht diejenigen, die sich ordentlich Mühe geben. Das betrifft diejenigen, die den falschen Ansatz haben. Das stellt eine absurde Verkennung des Marktes dar, der gleich starke und gleich gut informierte Partner voraussetzt. Die Patienten sind aber niemals gleich gut informiert. Sie sind auch niemals gleich stark.

(Florian Rentsch (FDP): Bei Ihnen sind sie aber sicher, das werden wir dann sehen!)

Das Verhältnis von Arzt und Patient und die Verhandlungsbedingungen sind eindeutig definiert. Einer von beiden ist angezogen. Den Patienten zu einem Kunden zu erklären ist unerträglich.

Sie wollen in Wahrheit den Patienten als Puffer zwischen den Ärzten auf der einen Seite und der Prüfung der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung auf der anderen Seite haben. All das, was da hinsichtlich der Eigenverantwortung und der Möglichkeit der direkten Abrechnung erklärt wird, ist nichts anderes als ein Akt der Feigheit. Es ist die Feigheit der Leistungsanbieter vor der Kontrolle gleichrangiger und gleich gut informierter Experten. Man will sich nicht rechtfertigen und möchte sich hinter dem Patienten verstecken. Er aber ist das schwächste Glied.

(Nicola Beer (FDP): So viel Schwachsinn auf einem Haufen! – Florian Rentsch (FDP): Wenn Sie nicht Arzt wären, würde ich sagen, Sie bräuchten einen!)

Der Höhepunkt Ihres Antrags findet sich aber in Punkt 2. In Punkt 2 Ihres Antrags fragen Sie, welche Mehrbelastungen sich für den Landeshaushalt ergeben werden. Lieber Herr Rentsch, selten ist jemand derart der selbst bestellten Propaganda auf den Leim gegangen.Das wird den Landeshaushalt nichts kosten.

Die ganze Debatte hinsichtlich des Länderausgleichs hatte mit den Landeshaushalten nichts zu tun. Es war ein bisschen komisch, dass das so diskutiert wurde. Mein lie

ber Mann, jetzt haben Sie das auch noch in Ihren Antrag aufgenommen. Das ist wirklich schade.

(Florian Rentsch (FDP): Haben Sie nicht das gelesen, was Herr Rürup gesagt hat?)

Die FDP ist offenkundig endgültig ausgefallen. Nicht einmal mehr als Sparringpartner im Sozialbereich ist sie tauglich.

Mit dieser Reform wird, technisch einwandfrei, eine Reihe an organisatorischen Problemen im Gesundheitswesen gelöst werden. Das geschieht auf dem richtigen Weg. Das ist gut so.

Jeder muss versichert sein. Das betrifft auch die Leute, die privat versichert sind. Das erfolgt zu einem Basistarif, der bezahlbar ist.

Herr Rentsch, wenn ich mir dann das Wehklagen der Vertreter der privaten Krankenversicherungen und deren dienstbarer Geister anhöre, dann frage ich mich wirklich, was das für inkompetente Vertreter ihrer Unternehmen sind. Sind sie wirklich derart schlecht organisiert? Es sind sehr überempfindliche Mimöschen. Schon die kleinste Veränderung ihres Schonraums, ihres Biotops, führt zur Katastrophe.

Von ihnen wird verlangt, für den höchsten Preis, den es in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, also nicht zum durchschnittlichen Satz, eine einzelne Person, nicht eine ganze Familie, zu versichern. Normalerweise haben diese Personen ein geringeres Risiko der Erkrankung. Denn wer chronisch krank ist, wird niemals von einer privaten Krankenversicherung aufgenommen.

Diese Personen sind also für diesen Satz aufzunehmen und erhalten für dieses Geld gerade einmal die Leistungen, die sie auch in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten würden. Mit dem dreifachen Satz des durchschnittlichen Beitrags der gesetzlichen Krankenversicherung soll die private Krankenversicherung das Gleiche leisten wie die gesetzliche Krankenversicherung.

Was ist passiert? Es gab großes Lamento und großes Geheule. Das soll eine Gruppe leistungsfähiger Unternehmen sein? Denen wollen Sie die Finanzierung des Gesundheitswesens überlassen? Mein lieber Mann, das kann nicht Ihr Ernst sein.

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die private Krankenversicherung ein desolates System ist,das nur unter einer vollklimatisierten Käseglocke existieren kann, dann ist er jetzt erbracht. Er ist wirklich erbracht.

Jetzt wird ein bisschen Wettbewerb einziehen. Denn die Patienten sollen ihr „Sparbuch“, also ihre Altersrückstellung, mitnehmen können. Was ist passiert? Bei den Wettbewerbsfetischisten bricht großes Wehklagen aus. Sie sagen, das sei alles nicht machbar.

Was wirklich fehlt, ist, dass für denselben Preis dieselbe Leistung geboten wird. Das heißt, es soll also nicht weniger sein. Eigentlich hätten wir alle gezahlten Honorare ambulanter Behandlung, also die Aufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherungen und die der privaten Krankenversicherungen dafür, in einen Topf werfen müssen. Daraus hätte man dann alle Leistungserbringer bezahlen können. Dann würde man nämlich für die schwere Arbeit in Billstedt genauso gut bezahlt wie für die leichte Arbeit in Blankenese. Das war mit der Union aber nicht zu machen.

(Florian Rentsch (FDP): Oh Gott, was für ein Unsinn!)

Die Neuordnung der Arzthonorare wird für mehr Gerechtigkeit und für mehr Sicherheit sorgen. Denn es wird dann eine Gebührenordnung geben, die aufgrund der festen Preise Kalkulationssicherheit gibt. Damit wird das ganze Lamento hinsichtlich des Budgets, und was es da sonst noch gibt, und hinsichtlich der Punktwerte nicht mehr erforderlich sein. Das wird bald der Geschichte angehören. Es wird einen festen Preis geben. Für Ärzte in unterversorgten Regionen wird es einen Bonus geben. Das ist gut so.

Gute Ärzte werden in Zukunft besser bezahlt werden. Nicht Abrechnungskünstler, sondern gute Ärzte werden besser bezahlt werden.