findet. Das zeigt, welche großen Interessen dahinterstehen, sich an diesem Zuwachs zu beteiligen, um ein möglichst großes Stück vom Kuchen mitnehmen zu dürfen.
Meine Damen und Herren, die gesetzliche Krankenversicherung versichert im Moment nach wie vor 90 % der Bevölkerung. Sie ist mit 56 % der Ausgaben ein ganz wesentlicher Teil, wo es um die Fragen der Ausgaben und des Kuchens geht. Herr Kollege Rentsch, das möchte ich auch sagen:Wir haben eine hohe Akzeptanz dieses Systems,das bezahlbar ist, einen umfassenden Schutz bietet, und zwar unabhängig vom Einkommen des jeweils Versicherten, und einen Solidarausgleich zwischen Familien und Kinderlosen, zwischen Alt und Jung und zwischen Gesunden und Kranken schafft.
Dass Sie dieses auflösen wollen – denke ich –, das sollte man auch sagen. Ich komme darauf zurück, welche Gruppen dahinterstehen. Die Bürgerversicherung, eine Solidarversicherung, ist eine gute Möglichkeit, eine langfristige und nachhaltige Finanzierung unseres Systems sicherzustellen.
Ein persönliches Wort an dieser Stelle. Dass der Kampf härter wird, hat sich auch in Ihrer Rede gezeigt, Herr Rentsch. Ich finde, dass es nicht zum parlamentarischen Stil gehört, die Diskussion mit einem Teil des Hauses erst einmal für völlig überflüssig zu erklären. Ich finde aber auch, dass es nicht angemessen ist, Menschen mit anderen Argumenten – seien es die CDU, die SPD oder wir – zum Arzt schicken zu wollen und es sozusagen in Verbindung mit Krankheit zu bringen. Ich finde das dem parlamentarischen Stil nicht angemessen.
Deswegen möchte ich jetzt noch einmal deutlich machen –, weil ich finde, dass es tatsächlich wichtig ist, dass wir uns zunehmend mit den Lobbys beschäftigen –, mit welchen Interessen und welchen Mitteln sie arbeiten. Herr Seehofer,der Ex-Gesundheitsminister und der Jungstar der CSU, hat einmal gesagt:Wenn Sie den Lobbyisten das Feld überlassen, ist es so, als würden Sie Vampiren die Leitung einer Blutbank übertragen. – Ich denke, hierzu hat die Große Koalition in Berlin einen großen Beitrag geleistet, und der Beitrag von Herrn Rentsch dient dem sicherlich auch.
Es gibt eine ganze Reihe, es gibt Unmengen von Lobbygruppen, die in diesem Bereich tätig sind. Ich glaube, von den 2.000, die in Berlin eingetragen sind, sind allein über 300 im Bereich Gesundheit zugange.Wir haben als Erstes die Lobby der Privatversicherungen. Allein dieses Geschrei der Privatversicherungen über den Begriff Staatsmedizin – das findet sich nicht umsonst im Titel der FDPFraktion wieder. Die Forderung nach der Umstellung auf eine kapitalgedeckte Privatversicherung, das ist der Kampf um 130 Milliarden c GKV-Mittel.
Hier geht es um einen Riesenmarkt.Da kann man gut verstehen,warum die PKVs solchen Druck machen.Es ist die Frage, wieso sich eine Partei erdreistet, genau die gleiche Position zu vertreten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))
Meine Damen und Herren, es geht um 130 Milliarden c, um Milliardengeschäfte, und es geht um den Sieg für den Neoliberalismus.Wenn wir uns die USA anschauen: Dort hat Schwarzenegger auch gewonnen, weil die Privatversicherungen am Versagen sind und er eine gesetzliche Krankenversicherung versprochen hat. Ich denke, dass Herr Bush nicht nur am Irakkrieg, sondern auch daran scheitern wird, dass in den USA die Privatversicherungen gescheitert sind und über staatliche Gesundheitsvorsorge diskutiert wird.
Die zweite Lobbygruppe sind Teile der Pharmaindustrie. Ich habe viel Verständnis für die Angst von Beschäftigten, die in diesen Unternehmen arbeiten, um ihre Arbeitsplätze. Aber ich habe kein Verständnis dafür, dass die Pharmaindustrie mit der Angst um Arbeitsplätze Werbung dafür macht, dass die GKV-Versicherten das Marketing und Scheininnovationen der Pharmaindustrie finanzieren. Ich denke, auch das ist ein Zeichen dafür, dass es hier um einen Riesenmarkt geht.
Wenn man sich den Änderungsantrag der FDP hierzu anschaut, dann wird es noch einmal deutlich. Sie stellen mit Ihrem Antrag die Zusage, was aus GKV-Mitteln finanziert wird, infrage. Sie stellen die Selbstverwaltung infrage, und das in einem Spannungsfeld von Korruption und Betrug, wo wir gerade am Anfang sind, überhaupt zu beleuchten, was sich dort abspielt.
Ich denke, dass es in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Beispielen gegeben hat, die eher dafür sprechen, dass man genau hinschaut, was sich tut, und das nicht dem freien Markt überlässt.
Wir haben eine dritte Gruppe – erstaunlicherweise –, weil so viel von Personen, freier Wirtschaft und von was weiß ich die Rede ist: die Vertreter der ständischen Organisationen der Apotheken und der Ärzte,wo entgegen diesem ganzen Wettbewerbsgelaber mittelalterliche ständische Strukturen mit Zunftcharakter gegen Wettbewerb, Qualität und Preis aufrechterhalten werden sollen. Auch hier ist die FDP immer vorne dran. Wir haben sozusagen den parlamentarischen Lautsprecher FDP. Das haben wir heute schon gehört. Die Dreistigkeit, mit der das heute passiert ist, zeigt, dass Sie in diesem Bereich glücklicherweise nichts Innovatives haben.
Allein diese Argumentation zeigt, wie wenig Sie an Qualität im Bereich der Wirtschaft vertreten, wenn Sie auf der einen Seite den totalen Wettbewerb ausrufen und auf der anderen Seite das Mittelalter im Wettbewerbswesen bei den Ärzten und Apothekern aufrechterhalten wollen.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen – nicht nur in Bezug auf die FDP.Kurz vor Weihnachten gab es einen Riesenaufstand. Über die Einzelheiten des Gesetzes wird sonst kaum geredet.Aber es gab an einzelnen Punkten Riesenaufstände, und man fragt sich, warum die an einzelnen Punkten stattfinden. Es gab vor Weihnachten den Riesenaufstand zur Frage der Kostenbelastung
Meine Damen und Herren, zeitgleich mit der Berichterstattung haben alle gesundheitspolitischen Sprecher hier im Parlament eine Broschüre erhalten, nämlich das Ergebnis dieser angeblichen Belastung, die von dem Institut zusammengestellt wurde. Das wurde uns am 14. Dezember zeitgleich von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zugestellt.
Ich habe in diesem Hause noch nie erlebt, dass eine angebliche Forschungsarbeit gemacht wurde, die bestimmte Interessen unterstützt, und wir zeitgleich zur Beratung praktisch die lobbyfinanzierte Untersuchung auf den Tisch bekamen. Das finde ich wirklich ein Ding. Ich finde, dass man jemanden daransetzen sollte, der prüft, wie solche Sachen zustande kommen, um aufzuzeigen, welchen Einfluss die Lobbys auf Politik haben.
Herr Kollege Rentsch, wenn Sie schon die inzwischen erfolgte wissenschaftliche Widerlegung dieser Studie nicht zur Kenntnis nehmen, dann würde ich Ihnen wenigstens empfehlen, sich inhaltlich mit dem Thema zu befassen. Das ist Punkt 2 Ihres Antrages,die Belastung für den Landeshaushalt – mein Gott, es geht um den Länderfinanzausgleich in der GKV. Sie haben offensichtlich überhaupt nicht begriffen, worum es überhaupt geht.
Der Landeshaushalt ist davon überhaupt nicht betroffen, sondern es geht um den Länderfinanzausgleich in der GKV. Eine solche Qualität von Argumentation ist eine Zumutung für das Parlament.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Und Sie haben die Wahrheit gepachtet!)
Frau Ministerin Lautenschläger, Sie waren selbst in der Arbeitsgruppe zur Gesundheitsreform und haben maßgeblich an diesem Gesetzentwurf mitgewirkt. Umso erstaunlicher ist es, dass Sie sich am Anfang genau auf diese Schiene haben setzen lassen. Sie wissen genau, dass die Deckelung der Belastungsgrenze auf 100 Millionen c für die reicheren Bundesländer längst im Gesetz steht. Deshalb stellt sich die Frage, weshalb sich das Bundesland Hessen – nachdem Baden-Württemberg und Bayern zurückgerudert sind – dazu überhaupt nicht mehr geäußert hat und die Zahlen prüfen wollte.Es kann doch nicht sein, dass Sie sich aus der Sache heraushalten, um eine Opposition gegenüber Berlin zu gestalten. Wenn eine Landesregierung so uninformiert ist und sich so schlecht mit den Zahlen auskennt, dann lässt das tief blicken.
Wenn wir auf dieser lobbybeeinflussten Ebene weiter diskutieren, dann sind das schlechte Voraussetzungen dafür, sich tatsächlich mit Themen zu befassen, die für die Gestaltung der Gesundheitspolitik in Hessen, für die Versorgung, für die Qualitätsverbesserung, für die Effizienzsteigerung und für mögliche Einsparpotenziale von Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, es besteht großer Handlungsbedarf bei der Abstimmung zwischen dem ambulanten, dem stationären und dem rehabilitativen Bereich. Wir brauchen mehr integrierte Versorgung. Die Zahlen der Krankheitsentwicklung zeigen, dass wir mehr Prävention und Gesundheitsförderung brauchen. Wir haben ein großes Problem im Bereich der Kindergesundheit.Wir haben zunehmend Probleme im Bereich der Gesundheit von sozial und finanziell Benachteiligten. Wir haben große auf uns zukommende und sich verschärfende Probleme bei der Versorgung von älteren Menschen, von Menschen mit Migrationshintergrund und im Bereich der wohnortnahen stationären Versorgung.
An dieser Stelle ist ein kleiner Schlag in Richtung SPD angebracht. Mir ist nicht klar, weshalb der Vorschlag in dem Gesetzentwurf steht, die Krankenhäuser in einer Phase zusätzlich zu belasten, in der sie noch durch die Umstellung auf Fallpauschalen belastet sind. Meine Damen und Herren,eine Partei,die sich gegen Privatisierung wendet, sollte auf Bundesebene auch dafür sorgen, dass den kommunalen Krankenhäusern nicht die Finanzbasis entzogen wird.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen, nämlich die kriminellen Machenschaften, die in diesem Bereich durchaus vorhanden sind und die sich im Berichtsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der vergangenen Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses angedeutet haben. Ich glaube, dass es an der Zeit ist, den Bereich von Betrug und Korruption durch Sonderermittlungseinheiten bei Staatsanwaltschaft und Polizei untersuchen zu lassen.Auch das wird dazu führen, dass Einsparungen in Millionenhöhe erreicht werden. Das wird sich für die Patienten und für die Leistungsanbieter, die sich im Gesundheitswesen korrekt verhalten, positiv auswirken.
Meine Damen und Herren, es stellen sich große Herausforderungen im Gesundheitswesen. Wir brauchen den Schutz und die Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger. Das geht nur über eine Bürgerversicherung. Orientieren Sie sich bitte deshalb bei Ihrem nächsten Versuch an den Interessen der Patienten und Versicherten in Hessen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weise die Unterstellung der Sprecherin der GRÜNEN entschieden zurück, die FDP-Fraktion orientiere sich nicht am Wohl der Patienten und vor allem des Landes Hessen.
Frau Kollegin Schulz-Asche, Sie waren vielleicht noch nicht geboren oder vielleicht noch ein kleines Kind, als Wolfgang Mischnick bei der grundlegenden Neuordnung der Rentenversicherung nach dem Zweiten Weltkrieg ein Modell vorgeschlagen hat, das im Grundsatz heute immer noch Anwendung findet. Er sagte: Freiheit heißt nicht nur Freiheit des Einzelnen, sondern Freiheit heißt auch, Verantwortung für andere zu übernehmen. Freiheit zur Verantwortung heißt z. B., in allen Sozialversicherungssystemen auch den Beitrag der Privaten einzubeziehen, aber nicht dem zu folgen, was Sie mit der Bürgerversicherung als eine staatliche Umverteilungsaktion vorhaben.
Deshalb lasse ich es nicht zu, dass Sie die FDP in den Dunstkreis eines totalen Wettbewerbs, des Neoliberalismus, der Korruption und des Mittelalters stellen. Wenn das Ihre Art des Umgangs ist und Sie uns absprechen, Vorschläge zu unterbreiten,dann ist das nichts anderes als eine Diffamierung.
Meine Damen und Herren,ich sage es Ihnen noch einmal: Wer den Markt heute diffamiert, der sollte berücksichtigen, dass der Markt der Ursprung der freiheitlichen Ordnung ist. Wer das von der SPD nachlesen möchte, der sollte sich einmal die Laudatio von Herrn von Dohnanyi anlässlich der Feier des 80. Geburtstags von Herrn Graf Lambsdorff anschauen. Herr von Dohnanyi hat dargestellt,dass der Markt,die Freiheit,die Vielfalt und die Differenzierung immer die private Initiative jedes Einzelnen verlangen.