Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

Bei einer weiteren Reihe von Fällen

die eigentlich gelöscht sein sollten –

... war ein Datensatz im polizeilichen Auskunftssystem POLAS-HE tatsächlich nicht mehr vorhanden.

Trotzdem zeigte das Auskunftssystem, mit dem gleichzeitig das bundesweite Informationssystem abgefragt wird, immer dann einen Treffer, wenn die Person erkennungsdienstlich behandelt worden war. Das erklärt sich daraus, dass das Bundeskriminalamt ein Mehrexemplar einer jeden erkennungsdienstlichen Behandlung erhält. Dies wiederum führt zu einer Datenspeicherung im INPOL,die nur auf Veranlassung des Bundeskriminalamtes gelöscht werden kann.

In diesen Fällen war dem LKA nicht bekannt, wann das BKA die Löschung veranlasst.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Bei der Datenpanne in Darmstadt wurde die Hinterlegung im Internet zum großen Teil darauf zurückgeführt, dass von Google gefertigte Dateikopien im Internet standen, wir darauf keinen Zugriff hatten und alles fürchterlich schwierig war, weil wir auf Google keinen Zugriff haben und Google in Kanada sitzt.

(Rafael Reißer (CDU): Das hat er doch erklärt, oder?)

Und was bedeutet das für deutsche Polizeibehörden? Warum schaffen es deutsche Polizeibehörden in Deutschland nicht, ein abgestimmtes Verfahren zu entwickeln, um Datensätze zu löschen? Das finde ich schon einen bemerkenswerten Vorgang – dass wir es nicht hinbekommen, solche abgestimmten Verfahren für einen vernünftigen Datenschutz zu entwickeln.

(Minister Volker Bouffier: Gehen Sie doch einmal zu Google!)

Herr Bouffier, das ist nicht das Problem von Google, sondern dieses Problem müssen Sie hier lösen, auf der Abstimmungsebene zwischen den verschiedenen Ministerien und Einsatzorten.

(Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))

Ich denke, dort müssten Sie tätig werden.

Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz auf das Informationsfreiheitsgesetz eingehen. Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch hat es mehrfach angemahnt und auch eine Datenschutztagung zu diesem Thema veranstaltet. Im September haben wir dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Die Anhörung werden wir Ende Februar haben. Wir haben gehört, die CDU hat bisher noch nichts von ihrer ablehnenden Haltung aufgegeben.

Herr Beuth, ich finde es schade, dass Sie die Argumente aus der Rede zur ersten Lesung heute noch einmal benutzt und von der großen Anforderung an die Bürokratie gesprochen haben, die das Informationsfreiheitsgesetz aus ihrer Sicht aufwerfe. Ich denke, Sie sollten sich nochmals bei anderen Ländern kundig machen, die inzwischen ein solches Gesetz haben. Sie sollten die Argumente abwägen und darauf eingehen, dass der Hessische Datenschutzbeauftragte von Balance gesprochen hat, Balance zwischen dem Datenbesitz und dem Informationszugang für Bürgerinnen und Bürger. Wenn wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger die adäquaten Partner sind, mit denen wir umgehen wollen, dann brauchen wir auch ein für sie geeignetes Instrument, damit sie angemessen an die Daten gelangen. Ich hoffe, in diesem Sinne bewegen wir uns ein bisschen aufeinander zu. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Nächster Redner für die FDP-Fraktion ist der Vorsitzende, Herr Hahn.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen war es so angenehm, dass hier vorn immer eine Uhr lag.Leider ist sie nicht mehr hier,sodass man jetzt von Ihnen abhängig ist. Vielleicht können wir das wieder so einrichten, dass diese Uhr, bitte, wieder hier steht?

Herr Kollege, wir haben eine Uhr hier.

Herr Kaufmann hat so schöne Uhren, und alle haben hier vorne schon davon profitiert. Das meinte ich einfach damit.Wenn die hier vorne liegt, ist das einfach besser.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Präsidentin! Herr Prof. Ronellenfitsch, es ist immer wieder erfrischend, Ihren Bericht zu hören, aber teilweise auch, ihn zu lesen. Ich sage ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie uns und den Kollegen, die mit der Datenschutzproblematik nicht immer hundertprozentig vertraut sind, dieses Thema doch so nahebringen, dass man merkt, dass das auch Früchte trägt. Vielen herzlichen Dank für Sie und natürlich auch für Ihre Mitarbeiter.

(Beifall der Abg. Brigitte Hofmeyer und Michael Siebel (SPD))

Sie haben in den letzten zwölf Monaten bei einer Reihe von Themen, die den Hessischen Landtag, die hessische Politik betroffen haben, Stellung bezogen. Ich freue mich sehr, dass diese Stellungnahmen zumeist relativ identisch mit denen der Liberalen, der FDP, gewesen sind.

Lassen Sie mich aber, sozusagen vor der Klammer, noch einmal Folgendes für uns Liberale festhalten. Offensichtlich sind wir die Einzigen, oder jedenfalls ist es noch nicht die Mehrheit, die erkennt, dass Art. 28 Abs. 1 Satz 2 der Datenschutzrichtlinie der EU vom 24. Oktober 1995 davon ausgeht, dass für Datenschutzbehörden eine völlige Weisungsfreiheit von der allgemeinen Staatsverwaltung notwendig und wichtig ist. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass eine derartige Formulierung im Entwurf für die Europäische Verfassung in Art. I-51 notiert worden ist.

Weiterhin sind wir der Auffassung, dass es Aufgabe der Landespolitik in Hessen ist, dafür Sorge zu tragen, dass wir künftig eine völlige Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden haben.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,das gilt nicht nur für den öffentlichen, sondern auch für den privaten Sektor.

(Beifall bei der FDP)

Ich werde es nicht verstehen – und vielleicht auch nicht verstehen wollen, das mag bei diesem Thema sogar sein –,

dass man eine Trennung vornimmt zwischen dem Datenschutz im öffentlichen Bereich und dem Datenschutz im privaten Bereich, weil man dann Eingriffsmechanismen anders organisieren kann.

Es müssen Verwaltungsakte erlassen werden, im einen wie im anderen Bereich – und dann müssen sie auch umgesetzt werden können, im einen wie im anderen Bereich. Die rechtliche Vorgabe seitens Europa ist vorhanden: klare Trennung; die zweite Gewalt darf nicht dem Datenschutzbeauftragten etwas vorschreiben dürfen. Deshalb sollten wir das auch tun.

Eine zweite Bemerkung zu diesem Themenbereich. Neben dieser Rechtsansicht halte ich es auch für bürgerfreundlicher, wenn ein Zusammenschluss der Datenschutzaufgaben in einer einzigen Behörde vorhanden ist. Die Berliner nennen das: Kompetenzzentrum Datenschutz. Dort haben sie eine Stelle sowohl für den privaten als auch für den öffentlich-rechtlichen Teil geschaffen, einen einzigen Ansprechpartner. Damit konnten sie natürlich auch eine Deregulierung und einen Bürokratieabbau vornehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum geben wir das nicht aus diesen beiden Gründen – Rechtsgrund und Bürgerfreundlichkeit – auf, diese in Hessen einmal klassisch gewachsene Trennung zwischen dem Datenschutz im öffentlichen Bereich und im privaten Bereich? Das ist nicht mehr modern.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Dass das der hessische Innenminister, jedenfalls beim Thema Bürokratieabbau, relativ ähnlich sieht wie wir, kann man bereits daran erkennen, dass er die Zuständigkeiten für den öffentlichen Bereich sämtlich beim RP in Darmstadt gebündelt hat. Früher hatten wir noch eine Zuständigkeit beim RP Gießen wie auch beim RP Kassel – mit dieser berühmten halben Stelle,die beim RP in Gießen dafür verantwortlich war. Das konnte alles nicht richtig sein, deshalb der erste Schritt. Der Innenminister war vernünftig und klug, eine Zusammenführung des privaten Datenschutzes beim RP in Darmstadt vorzunehmen. Aber jetzt muss – und das wird auch sicherlich in der nächsten Legislaturperiode folgen – ein Kompetenzzentrum Datenschutz für beide Bereiche geschaffen werden.

Vom Präsidium wurde mir gesagt, man müsse die Redezeit nicht ausschöpfen. Lassen Sie mich dennoch ganz kurz aktuelle Themen ansprechen, die wir in den letzten Wochen miteinander ausgetauscht haben.

Datenpanne bei der Polizei in Darmstadt. Die FDP-Fraktion steht voll und ganz hinter der Äußerung von Herrn Prof. Ronellenfitsch, in der er vom GAU, dem größten anzunehmenden Unfall im Datenverkehr, gesprochen hat. Wir sind mit Ihnen der Auffassung und haben das auch öffentlich gefordert,dass es hier zwar kein Vier-Augen-Prinzip geben muss, denn das wäre eine Aufblähung der Bürokratie, die wir gerade verhindern wollen.

(Ein Bediensteter stellt eine Uhr aufs Rednerpult.)

Vielen Dank, jetzt hilft mir das nicht mehr weiter. Für den nachfolgenden Redner ist es aber eine Hilfe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es reicht aber nicht aus, wenn einfach auf dem Bildschirm die Meldung erscheint: „Hallo, hallo, du gehst gerade ins Internet!“, sondern es muss schon eine Lösung mit technischen Vorgaben gefunden werden, die es verhindert, derartige Da

ten in die Öffentlichkeit, also in das Internet, zu geben, ohne dass man einen weiteren technischen Schritt tun muss.

(Beifall bei der FDP)

Kennzeichenlesegeräte. Die FDP-Fraktion in diesem Hause hat sich lange mit diesem Thema beschäftigt. Wir sind der Überzeugung, dass jedenfalls das praktische Umsetzen in Hessen nunmehr korrekt ist, auch dank der Mithilfe von Ihnen, Herr Prof. Ronellenfitsch und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.Wir sind immer noch der Auffassung, dass das Hessische Polizeigesetz deswegen novelliert werden muss.

Denn ich sehe keinen Sinn darin, dass man Kennzeichenlesegeräte einsetzen darf, obwohl anschließend keine Kontrolle stattfindet. Entweder gibt es einen Anlass, Autos, deren Autonummern gesucht werden, mit dem Kennzeichenlesegerät aus dem Verkehr zu ziehen – aber das geht nur,wenn man unverzüglich nach Nutzung dieses Gerätes eine Polizeikontrolle hat –, oder man lässt es einfach. Denn was habe ich davon, wenn ich Tage später auf einmal feststelle:Aber das Auto mit dem amtlichen Kennzeichen B-MW 171 war am Montagmorgen gegen 13 Uhr in Frankfurt auf der Sonnemannallee? – Nichts habe ich davon, null. Es ist nämlich nicht mehr da.

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

Herr Innenminister, Bewegungsbilder wollen wir mit den Kennzeichenlesegeräten nicht erstellen.

(Minister Volker Bouffier: Ja!)

Das unterscheidet vom Ansatz her möglicherweise den Gesetzgeber – in dieser Legislaturperiode die CDU-Fraktion in diesem Hause – von den Überlegungen von uns Liberalen. Das heißt, wie bei der Diskussion, die wir heute Morgen zum Thema DNA-Analyse hatten: Es gibt diese Möglichkeit für die Polizei, eine technische Möglichkeit, die genutzt werden kann. Ein Polizist kann sich nicht mehr alle Autonummern merken, die gesucht werden, wie das früher, im Jahr 1925, der Dorfpolizist noch konnte. Also muss die Technik dazu genutzt werden. Aber die Technik bitte auch nur dann nutzen, wenn man damit das Ziel erreichen kann, nämlich unverzügliches Herausfiltern der Autos aus dem Verkehr. Das geht nur, wenn danach eine Kontrolle stattfindet.

Zum Dritten sagen wir herzlichen Glückwunsch für die Veranstaltungen, die Sie, Herr Prof. Ronellenfitsch, im Zuge der Datenschutztage sowohl hier mit dem Hessischen Landtag als auch mit anderen durchführen. Ich glaube, da ist Hessen relativ vorne, auch in der akademischen, der intellektuellen Aufarbeitung von Datenschutzthemen. Wir müssen uns immer wieder bewusst werden, dass der Datenschutz nicht mehr, aber auch nicht weniger ist als das Ausbalancieren zwischen Freiheit auf der einen und Sicherheit auf der anderen Seite.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine totale Sicherheit ist eine totale Unfreiheit. Eine totale Freiheit ist Anarchie. Deshalb muss man das ausbalancieren.