Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich zu unserer Jubiläumssitzung, der 125. Sitzung des Landtags, begrüßen und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.
Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 48, dem Setzpunkt der SPD-Fraktion, verbunden mit den Tagesordnungspunkten 39 und 45. Dann folgt Tagesordnungspunkt 49, Antrag der Fraktion der CDU betreffend Klimaschutz. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 36.
Auf Ihren Plätzen sind zwei Dringliche Entschließungsanträge der Fraktion der CDU verteilt. Es ist zum einen der Dringliche Entschließungsantrag betreffend „Der Opfer gedenken“, Drucks. 16/6998. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Dem wird nicht widersprochen. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 65 und kann nach Tagesordnungspunkt 59 zu diesem Thema aufgerufen und ohne Aussprache sofort abgestimmt werden. Sind Sie einverstanden? – Dann können wir so verfahren.
Weiterhin eingegangen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend ökologische Notwendigkeiten und ökonomische Interessen in der Werraregion in Einklang bringen, Drucks. 16/6999. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 66 und kann mit Tagesordnungspunkt 36, dem Setzpunkt der GRÜNEN zu diesem Thema, aufgerufen werden. – Kein Widerspruch, so beschlossen.
Ich darf darauf hinweisen, dass Herr Staatsminister Stefan Grüttner heute entschuldigt fehlt. Er ist zu einer Sondersitzung der Regierungschefs der Länder in Brüssel.
Jetzt wollte ich einem Geburtstagskind – fast noch – gratulieren. Unser Kollege Florian Rentsch ist aber noch nicht da. Wir müssen das später nachholen. Er hat heute Geburtstag.
Antrag der Abg. Fuhrmann, Eckhardt, Habermann, Dr. Pauly-Bender, Dr. Spies (SPD) und Fraktion betreffend Hessen braucht eine familienpolitische Offensive – Drucks. 16/6956 –
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend echte Wahlfreiheit für Familien herstellen – Rechtsanspruch auf Betreuung für alle Kinder endlich einführen – Drucks. 16/6947 –
Antrag der Fraktion der FDP betreffend Forderungen der Bundesfamilienministerin unterstützen – vorschulische Bildung in Hessen verstärken – Drucks. 16/6953 –
Als Erste hat die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Frau Ypsilanti, das Wort. Die Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Herr Präsident, erlauben Sie mir, auch darauf hinzuweisen, dass wir heute den Internationalen Frauentag haben.
(Beifall bei der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Morgen! – Zurufe von der CDU und der FDP: Morgen! – Ui!)
Entschuldigung. Es ist immer gefährlich, wenn man schlauer sein will als der Präsident. Aber die SPD-Fraktion hat heute einen Empfang.
Meine Damen und Herren, zunächst einmal möchte ich mich bei der Bundesfamilienministerin von der CDU auch als Sozialdemokratin bedanken. Da wir uns mit der Ministerin Ihrer Partei solidarisch erklären, bedanken wir uns auch für die gute und vorausschauende Familienpolitik, die sie macht, da sie gute Vorlagen von den vorherigen Ministerinnen hat, der Ministerin Bergmann und der Ministerin Schmidt. Wir gehen sogar noch weiter: Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, in dem die Forderungen Ihrer Familienministerin stehen. Im Gegensatz zu Ihrer Bundespartei können Sie heute zeigen, dass Sie den Forderungen Ihrer Ministerin auch zustimmen, indem Sie unserem Antrag zustimmen.
Renate Schmidt hat eine vorbildliche, eine zukunftsweisende Politik für Familien gemacht. Es ist ihr gelungen, dieses Thema zu einem Zukunftsthema zu machen – und zu einem Kompetenzthema meiner Partei.
Meine Damen und Herren, ich weiß, wovon ich hier rede; denn auch bei uns war es sehr oft das Bohren dicker Bretter. Ich weiß aber – das sehen Sie auch an dem Konzept, das wir vorgestellt haben –, dass heute auch die Männer in meiner Partei dieses Thema an oberste Stelle rücken und dass sie dieses Thema mit uns Frauen in der Partei voranbringen.
Nachdem die Familienministerin Ihrer Partei sich dem angeschlossen hat, fing das große Husten an. Die halbe Partei hat gehustet, weil der Staub von Ihrem alten Familienbild aufgewirbelt wurde.
Dann kamen Fragen wie: Sollen Frauen, die kleine Kinder haben, wirklich arbeiten? Es wurde auch viel von Wahlfreiheit gesprochen. – Ja, natürlich, ich spreche auch von Wahlfreiheit. Aber wir müssen an dieser Stelle fragen: Können Frauen denn wirklich wählen? Ist es unter den heutigen Verhältnissen nicht so, dass Frauen ganz oft keine Wahl haben, weil die Familie vielleicht in prekären
Verhältnissen lebt und von einem Gehalt überhaupt nicht leben kann? Wenn sie einen Job im Niedriglohnsektor haben, dann reicht gerade im Rhein-Main-Gebiet ein Gehalt nicht mehr zum Leben.
Über die Wahlfreiheit von Männern habe ich übrigens in der CDU auch noch niemanden philosophieren gehört.
Ich war heute Morgen beim Frühstück im Hotel. Eine ausländische Familie saß nebendran und hat sich darüber unterhalten, wie irre doch die Diskussion ist, die wir in Deutschland in dieser Beziehung führen. – Meine Damen und Herren, unseren europäischen Nachbarn muss unsere Diskussion wie ein historisches Dokudrama vorkommen.
Diese Frage stellt sich in den anderen Ländern der Europäischen Union überhaupt nicht mehr, weil sie sie im Sinne einer emanzipatorischen Familienpolitik gelöst haben. Das ist auch gut so. Dort stellt sich eben nicht mehr die Frage, ob Frauen arbeiten, wenn sie Kinder haben.
Meine Damen und Herren von der CDU, in Ihrer Partei ist dieses ideologische und anachronistische Familienbild immer noch nicht überwunden.
Ich kann mit großem Selbstbewusstsein sagen: In der Sozialdemokratie richten wir unsere Politik an den realen Bedürfnissen, an den realen Wünschen und übrigens auch an den realen Notwendigkeiten von Familien aus.
Die realen Notwendigkeiten sind mit Sicherheit nicht der Besuch eines Familientags und der Genuss eines Grußwortes von Frau Lautenschläger. Politik an den realen Bedürfnissen ist ganz klar auch die Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren, ganz konkret ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr.
Das ist eine Politik für flexible Öffnungszeiten. Das ist eine Politik für kleine Gruppen in Kindergärten. Das ist eine Politik für die Fort- und Weiterbildung von engagierten Erzieherinnen. Das ist eine Politik für qualitätvolle Ganztagsschulen, und das ist auch eine Politik für ein verbindliches Kindergartenjahr. Meine Damen und Herren, das ist eine Politik, die sich an den realen Bedürfnissen von Familien ausrichtet.
In einem Interview wurde ich gefragt, ob ich folgenden Satz unterschreiben könnte, der da lautet: „Der Staat kann einen Beitrag dazu leisten, dass Frauen sich frei fühlen, ihre jeweils eigene Wahl zu treffen.“ Ich füge hinzu: Auch Männer können dazu einen Beitrag leisten.
Das hat der Herr Ministerpräsident gesagt. Man muss aber genauso deutlich sagen: Wenn er so etwas ankündigt, dann soll er auch einen Beitrag leisten.
Wahlfreiheit braucht verlässliche Bedingungen, und wenn man verlässliche Bedingungen will, muss man dement
sprechend auch Geld in die Hand nehmen. Im Gegensatz zu Ihrer Ministerin haben unsere Ministerinnen sich immer um die Finanzierung ihrer Konzepte gekümmert. Sie haben sich der schmerzlichen Frage unterworfen, woher das Geld für die Programme kommen soll, die wir für die Familien machen, und zwar ohne Neuverschuldung.