Heute – also nicht einmal zehn Jahre später – liegt die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren in Hessen bei 11,5 %.
(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Kindergartenplätze für unter Dreijährige haben Sie damals verteufelt!)
Frau Kollegin, das sind die Fakten. Sie sind das Ergebnis christdemokratischer Familienpolitik. Ich finde es daher
einigermaßen unverschämt, wenn ausgerechnet die SPD in ihrem Antrag schreibt: „Eine Politik der kleinen Schritte ist zu wenig.“ Sie müssen sich an den Fakten Ihrer Regierungszeit messen lassen, und da können wir jedem Vergleich standhalten.
Wenn wir in Ihrem Tempo weitergemacht hätten und wenn man das als Prognose sieht, dann hätten wir heute einen Betreuungsschlüssel von rund 4 %. Das ist erheblich zu wenig, meine Damen und Herren.
Auch in den übrigen Punkten ist Ihr Antrag nicht seriös und vertrauenerweckend, um das an dieser Stelle einmal zu sagen. Ihre Behauptung, das Land habe sich weitgehend aus der finanziellen Förderung der Kinderbetreuung zurückgezogen, glauben Sie doch wohl selbst nicht.
Wir haben die finanzielle Förderung im Vergleich zum Jahre 1998 mehr als verdoppelt. Es fließen über 200 Millionen c in diesen Bereich. Um noch eine Randbemerkung zu machen: Hessen leitet 23 % der Steuereinnahmen als Zuweisungen an die Kommunen weiter.
Herr Kollege, im Vergleich zu Rheinland-Pfalz – lassen Sie sich das auch einmal sagen – liegt Hessen an erster Stelle aller westdeutschen Bundesländer, denn in Rheinland-Pfalz sind das nur 21 %. Hessen unterstützt die kommunalen Gegebenheiten am stärksten von allen Ländern. Das muss hier einmal ganz deutlich gesagt werden.
Allein aus diesem Grunde ist die Behauptung, wir würden uns aus der Finanzierung völlig zurückziehen, abenteuerlich. Hessen ist das kommunalfreundlichste Land aller westdeutschen Bundesländer.
Nur noch eines zum BAMBINI-Programm. Hätten wir dieses nicht aufgelegt, gäbe es bei den Kommunen heute keine einheitliche Regelung. Ich wage zu behaupten, wenn wir das nicht geregelt hätten, hätte keine Kommune diese Sache so schnell und flächendeckend in Angriff genommen. Damit haben wir einen hervorragenden Beitrag zur Familienpolitik und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geleistet.
Um es für Sie noch einmal ganz klar zu sagen: Hessen leitet den größten Steueranteil an die Kommunen weiter. Hessen ist mit Abstand der größte Zahler in den Länderfinanzausgleich. Hessen hat trotzdem die Neuverschuldung reduziert, und Hessen hat trotzdem sein Betreuungsangebot am stärksten ausgebaut.
Frau Ypsilanti, das sind die Fakten, und deswegen lassen wir uns von Ihnen unsere Familienpolitik in keiner Weise schlechtreden.
Sie fordern weiterhin die Einführung eines verpflichtenden und kostenfreien letzten Kindergartenjahres. Hierzu gibt es zweierlei anzumerken:
Erstens. Die Betreuung und Erziehung von Kindern im Vorschulalter sowie Bildungsaspekte müssen eine größere Rolle spielen. Das steht außer Frage, und genau aus diesem Grunde haben wir den Bildungs- und Erziehungsplan aufgelegt.
Zweitens. Ich bezweifle allerdings, dass es hierzu eines verpflichtenden letzten Kindergartenjahres bedarf, denn heute gehen schon 96 % aller Kinder vor der Einschulung in den Kindergarten. Ich bin davon überzeugt, dass es deshalb und aufgrund von zusätzlichen Bildungsaspekten gelingen wird, die restlichen 4 % auch zum Besuch des letzten Kindergartenjahres zu bewegen.
Durch das BAMBINI-Programm ist das vor dem Jahr der Einschulung kostenlos. Für ein verpflichtendes Vorschuljahr besteht für die CDU-Fraktion daher keine Notwendigkeit. Entsprechend kritisch sehe ich hier nicht nur die Anträge der SPD, sondern auch die der GRÜNEN und der FDP. Die FDP versucht wieder einmal, die Pflichtkinderschule zu propagieren. Aus den genannten Gründen halten wir diese nicht für notwendig.
Nun zurück zum SPD-Antrag. Wenn Sie Dinge fordern wie etwa den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zu Beginn des zweiten Lebensjahres, dann wäre es gut, wenn Sie in diesem Zusammenhang auch etwas zur Finanzierung sagen würden.
Der Verweis darauf, dass die Kinderbetreuung eine gesamtstaatliche Aufgabe sei und dass alle staatlichen Leistungen in diesem Bereich überprüft und ausgeweitet werden müssten, ist wenig hilfreich und zu wenig.
Meine Damen und Herren, Sie sind wieder einmal darin gefangen, in diesem Lande alles Mögliche zu fordern, aber nicht zu sagen, wie dies finanziert werden soll.
Wie wohltuend sich unsere Familienpolitik von Ihrer unterscheidet, erkennen Sie daran, dass wir einerseits Betreuungsangebote kontinuierlich qualitativ und quantitativ ausgebaut haben und dass es uns andererseits auch noch gelungen ist, die Neuverschuldung zu reduzieren. Das haben überhaupt nur zwei Bundesländer geschafft. Das will ich an dieser Stelle auch einmal erwähnen. Das ist nachhaltige Politik, und es ist auch Politik für Familien und für die Zukunft.
Der SPD-Antrag zeigt einmal mehr, dass Sie nicht in der Lage sind, einen ernsthaften Beitrag zur familienpolitischen Debatte zu leisten. Das wird auch in der Art und Weise erkennbar, wie Ihre Partei in der letzten Zeit diese Debatte geführt hat. Ich denke da beispielsweise auch an die Entgleisung von Kurt Beck in Richtung Bischof Mixa. Das ist unangemessen, niveaulos und unverschämt. Sie können sich inhaltlich mit einer Äußerung auseinandersetzen, aber versuchen Sie bitte, in dieser Frage sachlich zu bleiben. Die Art und Weise, wie diese Debatte geführt
worden ist, treibt lediglich einen Keil in die Gesellschaft, und es ist wenig hilfreich, solche Maßnahmen auf diese Art und Weise zu kommentieren.
Ich möchte noch einen anderen Aspekt anführen. Wir haben in unserer Gesellschaft noch vor wenigen Jahrzehnten ein vollkommen anderes Familienbild gehabt. Damals, vor 30 oder 40 Jahren, war es der Vater, der als Ernährer der Familie definiert wurde. Man heiratete, wenn der Mann, also der künftige Vater, in der Lage war, eine Familie zu ernähren. Es war im Prinzip klar, dass dann die Mutter für die Erziehung und die Betreuung der Kinder zuständig war. Dies hatte auch berufliche Konsequenzen.
Ich darf einmal daran erinnern, dass noch 1950 eine Frau, die vor ihrer Heirat im Schuldienst gewesen ist, nach der Heirat ihren Beruf aufgeben musste. Das war schlimm. 1970 gab es noch andere Dinge, denn damals musste der Ehemann zustimmen und sagen, ob die Frau arbeiten durfte oder nicht. Das waren Tatsachen. Das ist die Generation unserer Eltern bzw. Großeltern, und diese Generation hat zugleich aber auch eines fertiggebracht, nämlich ihren Söhnen und Töchtern eine gute Ausbildung zu ermöglichen.
Im Vergleich hierzu hat sich das gesellschaftliche Bild gewandelt und teilweise verändert. Hinzu kommt heute auch, dass oftmals ein verdienender Elternteil nicht mehr ausreicht, um die Familie zu ernähren. Es gibt aber auch Berufe, die sich so schnell in Bezug auf ihre Anforderungen verändern und weiterentwickeln, dass es kaum möglich ist, ein oder zwei Jahre zu pausieren, weil man dann den Anschluss verlöre.
Diese Lebensentwürfe sind unterschiedlich, und es ist nicht hilfreich, sie gegeneinander auszuspielen. Es muss Schluss sein mit den Bezeichnungen „Rabenmutter“ oder „Heimchen am Herd“. Das gehört der Vergangenheit an.
Wir müssen daher ganz genau darauf achten, dass die Familien, die sich dafür entschieden haben, ihre Kinder selbst zu betreuen, am Ende nicht die Leidtragenden der gegenwärtigen Diskussion sind. Das halte ich für absolut wichtig. Durch eine Kürzung oder durch das Einfrieren des Kindergeldes oder gar durch Steuererhöhungen würden die Familien gegeneinander ausgespielt. Das können wir uns gesellschaftlich nicht leisten.
Deshalb kritisiere ich an diesem Punkt den Antrag der GRÜNEN. Sie sprechen jetzt von einem „30-prozentigen Betreuungsbedarf“. Ich frage Sie: Was ist mit den restlichen 70 %? Auch zu denen muss uns etwas einfallen.
Frau Schulz-Asche, zu Ihren Bemerkungen zum Thema Ehe: Die Ehe ist das Fundament der Familie. Das steht so auch im Grundgesetz. Das sollte man immer wieder ein Stück weit in Erinnerung rufen.
Deswegen ist es aus unserer Sicht wichtig, den Familien – das ist der entscheidende Punkt – in der Kinderbetreuung eine Wahlmöglichkeit zu geben. Das habe ich schon am Anfang meiner Rede gesagt.