Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

(Beifall bei der FDP)

Natürlich muss auch die Schule die Betreuungszeiten mit aufnehmen und erweitern. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen aber eines: All das ist nicht das Allheilmittel zur Steigerung der Geburtenrate. Das aber ist etwas, was wir eigentlich alle gerne hätten.

Die Politik muss sich ernsthaft Gedanken machen, welchen Stellenwert Kinder und die Familie in dieser Gesellschaft haben. Man kann die Bedeutung der Kinder nicht dadurch herbeireden, dass man ständig nur über die Bedeutung ihrer Fremdbetreuung redet. Kinder an sich haben einen Stellenwert.

(Beifall bei der FDP)

Kinder verändern das Leben. Ein junges Paar, das Kinder bekommt, erlebt eine völlig neue Einstellung zum Leben, eine völlig neue Organisation des Lebens. Da kann ich eine noch so gute staatliche Rundumbetreuung anbieten, diesem Problem müssen sich die jungen Leute stellen. Diese Veränderung müssen sie annehmen und akzeptieren. Und es ist ein schönes Problem, damit umzugehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage das auch für die Erwachsenen und die Älter-Werdenden: Kinder und auch Enkelkinder sind die eigentlichen Zentren lebenslangen Lernens. Das können wir durch keine Bildungspolitik erreichen. Kinder und Enkelkinder bringen einem bei, wie das Leben weitergeht und was es alles Neues im Leben gibt.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb muss die Gesellschaft helfen, Eltern ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Wenn man den Umfragen glaubt, wollen alle 20-Jährigen einmal Kinder haben. Da muss man sich doch fragen: Wo bleibt dieser Wunsch im Laufe des Lebens? Wo ist er denn mit 35, wenn sie dann immer noch keine Kinder haben?

Deshalb müssen wir auch andere gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern. Das beginnt in der Ausbildung. Es muss für junge Frauen Ausbildungsmöglichkeiten in Teilzeit geben – wenn sie denn Kinder haben wollen. Je jünger sie Kinder bekommen, desto besser ist es letztendlich.

(Beifall bei der FDP)

An den Universitäten muss das Klima der Vereinbarkeit von Familie und Studium verbessert werden. Die Angebote müssen anders aufeinander abgestimmt werden.

Meine Damen und Herren, die Arbeitgeber, die Firmen bewegen sich jetzt. Glauben Sie mir aber eines: Die bewegen sich nicht nur aus Gründen der Familienfreundlichkeit, sondern aus der bloßen Not des drohenden Mangels an Arbeits- und Fachkräften in der Zukunft.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Über eines müssen wir uns auch Gedanken machen: Wenn der Zeitpunkt vorbei ist, zu dem junge Leute einfach Kinder bekommen, wenn die natürlichen Abläufe nicht mehr so einfach funktionieren – wie helfen wir denn

dann den Elternpaaren mit Angeboten zur künstlichen Befruchtung? Da bezahlt die Krankenkasse, also die Versichertengemeinschaft, nur die Hälfte. Wer aber bezahlt die Abtreibungen? Die bezahlen wir aus Steuergeldern, die bezahlen alle. Da müssten wir uns wirklich einmal überlegen, ob wir das nicht eventuell umschichten,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

damit für die Geburtsmedizin nicht nur die Krankenversicherung zuständig ist, sondern eben die gesamte Gesellschaft.

Das oberste Gebot für eine Familie muss aber die Freiheit der Entscheidung sein – und zwar, ohne dass hinterher eine Wertung stattfindet. Die Mutter, die gerne zu Hause bleibt und ihre Kinder zu Hause erzieht, ist genauso wertvoll wie die Mutter, die Beruf mit Kindererziehung vereinbart.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Beide Wege bedürfen der Anerkennung. Bei einem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Jahr habe ich da aber große Bedenken. Aus Rechtsansprüchen entstehen Ansprüche – und dann auch Ansprüche an die Mütter.

(Petra Fuhrmann (SPD): Natürlich, das ist der Sinn der Sache!)

Daraus entstehen auch Ansprüche an die Mutter, indem gesagt wird: Hör mal, du hast einen Rechtsanspruch auf einen Platz, dann gibt dein Kind doch einmal dorthin und geh wieder arbeiten.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Ach du jemine!)

Jawohl, dieser psychologische Druck auf die Mütter entsteht, und das halte ich für falsch.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das FDP-Modell, das wir Ihnen in unserem Antrag vorstellen, vereinbart drei Bereiche. Es vereinbart die Forderung nach frühkindlicher Bildung mit unserer Kinderschule – die SPD nennt es verpflichtendes Kindergartenjahr. Daraus entsteht eine Gebührenfreiheit für die Vierjährigen, denn das BAMBINI-Programm, das jetzt im Grunde auf die Fünfjährigen zugreift, kann dann für die Vierjährigen gelten. Auch etwas Drittes entsteht, nämlich freie Plätze. Wenn die Fünfjährigen bereits in die Kinderschule gehen, dann ist in den Kindertagesstätten Platz für die Zweijährigen. Das heißt, wir öffnen dieses Angebot auch für Kinder unter drei Jahren, und dadurch werden Plätze frei.

Lassen Sie mich zu unserem Antrag drei wichtige Punkte sagen.

Das Erste ist: Alle Kinderbetreuungseinrichtungen sind Bildungseinrichtungen. Auch die Forderung der Europäischen Union – jetzt überall in der Presse zu lesen; Kinder müssen früher gebildet und an Bildung herangeführt werden – muss in den Kindertagesstätten oberster Leitgedanke werden. Das heißt, wir brauchen in diesem Land Bildung aus einer Hand. Die Kindertagesstätten müssen in den Bereich des Kultusministeriums überführt werden, denn das Kultusministerium ist für Bildung zuständig, nicht nur für schulische, sondern auch für vorschulische Bildung.

Dem Einschulungszeitpunkt und der Einschulung muss größere Bedeutung beigemessen werden. Wir sagen, es hat wenig Sinn, wenn ganz unterschiedlich vorgebildete Kinder in die erste Volksschulklasse kommen. Es gibt Kinder, die schon Geschwister zu Hause haben und lesen und schreiben können, und es gibt Kinder, die können sich weder die Schnürsenkel binden, noch haben sie jemals eine Schere in der Hand gehabt. Dieses Problem ist für die Grundschullehrerinnen in der 1. Klasse bei 27 Kindern und einer solchen Spreizung schwierig zu meistern.

Deshalb sagen wir: alle fünfjährigen Kinder in die Kinderschule. Die beginnt als Erstes mit einer grundlegenden Diagnostik der Kinder: Wo stehen sie? Was können sie? Wo haben sie körperliche, wo sprachliche Defizite, wo solche im Sozialverhalten oder im kognitiven Bereich? Für jedes Kind muss für dieses eine Jahr ein individuelles Förderprogramm erarbeitet und zusammengestellt werden. Das Ziel ist: Nach diesem Jahr sollen alle Kinder fit für den Schuleingang sein, damit sie in der Schule aktiv mitlernen können und am Start bessere Chancen haben.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben dieses Modell bereits im Jahr 2002 vorgestellt und eingebracht. Leider war damals die Reaktion der CDU-Abgeordneten sehr wenig erfreulich. Frau Wolff sah keinen Bedarf für eine verpflichtende Kinderschule. Herr Irmer hat die Schulpflicht für Fünfjährige abgelehnt. Herr Reißer hat gesagt, bei dem letzten Kindergartenjahr bestehe derzeit überhaupt kein Handlungsbedarf. Das hat er damals gesagt, jetzt wurde aber doch gehandelt. – Wir müssen den Schwerpunkt vielmehr auf die Betreuung der unter Dreijährigen legen. Das geht, indem man die Fünfjährigen in die Kinderschule nimmt und dann im Kindergarten für die unter Dreijährigen Platz hat.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, in diesem Bereich bleibt sehr viel zu tun. Der Vorschlag der FDP vereint alle Forderungen, die man an die Vorschule haben kann, in einem Konzept. Wir wollen die vorschulische Bildung deutlich stärken. Wir wollen mehr Betreuungsplätze anbieten, und wir wollen dies zur reinen Ländersache machen, ohne Mischfinanzierung mit dem Bund. Es kann auch nicht sein, dass der Bund wieder hineinregiert und den Kommunen vorschreibt, wo sie zu investieren und Geld auszugeben haben. Wir haben schon erlebt, wie schwierig es bei den IZBB-Mitteln in Verbindung mit den Ganztagsschulen gewesen ist. Das sollte bei den Kindertagesstätten nicht weitergehen und noch schlimmer werden.

(Beifall bei der FDP)

Es reicht nicht, dass der Herr Ministerpräsident als stellvertretender CDU-Vorsitzender in Berlin die Vorschläge von Familienministerin von der Leyen begrüßt, davon in Hessen aber nichts umsetzt. Wir haben ihm vorgetragen, wie es gehen kann, und wir bitten hierfür um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Henzler. – Herr Reißer, Sie haben für die CDU-Fraktion als Nächster das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten Wochen ist in Deutschland die Familienpolitik wieder verstärkt zu einem öffentlichen Thema geworden. Das finden wir auch gut so, denn es ist zweifellos eines der zentralen gesellschaftlichen Themen der Bundesrepublik. Wir, die CDU, wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern, denn die Eltern sollten die Möglichkeit haben, die für sie beste Betreuungsform zu finden.

(Beifall bei der CDU)

Auf diesem Wege hat die Hessische Landesregierung, Ministerin Silke Lautenschläger, mit Unterstützung der CDU-Fraktion in den letzten Jahren sehr viel erreicht.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden diesen Weg zum Wohle der Familien in Hessen weiterhin konsequent fortsetzen. Allerdings ist die Art und Weise, wie dieses Thema von Teilen der Opposition angegangen wird, höchst fragwürdig. Frau Ypsilanti, ich meine da in erster Linie Sie und Ihre SPD. Wenn ich mir Ihre Aussagen anhöre, dann frage ich mich, ob es einfach nur Unwissenheit ist oder ob es etwa ein Stück Verzweiflung darüber zum Ausdruck bringt, dass die CDU und die Hessische Landesregierung auf diesem Politikfeld, von dem Sie glauben, einen Alleinanspruch zu haben, durchaus hervorragende Ergebnisse vorzutragen haben. Das ärgert Sie.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Überhaupt nicht!)

Wenn man sich die letzten Umfragen von Dimap ansieht, dann mag das auch ein Grund dafür sein, dass Sie sich ärgern. Denn Dimap hat in den letzten Untersuchungen ganz klar festgestellt, 33 % der Bevölkerung glaubten, dass die CDU eine bessere Familienpolitik mache, und nur noch 26 % der Bevölkerung seien von dem überzeugt, was Sie da vortragen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Das Bild, das die SPD von der Familienpolitik in Hessen beschreibt, hat mit der Realität nichts zu tun. Insbesondere bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren stehen Ihre Forderungen in einem krassen Gegensatz zu dem, was Sie während Ihrer rot-grünen Regierungszeit getan haben.

(Norbert Schmitt (SPD): Stellen Sie doch die Studie einmal vor!)

Dann lassen Sie sich einmal die Zahlen vortragen. – Schauen Sie sich einmal an, was das Statistische Bundesamt hierzu gesagt hat: 1994 lag die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren in Hessen bei 2,1 %. 1998 waren das gerade einmal 2,6 %. Eine Betreuungspolitik hat zu Ihrer Regierungszeit überhaupt nicht stattgefunden.

(Beifall bei der CDU)