Jawohl, Sie klären dann auf, wenn das Kind in den berühmten Brunnen gefallen ist und Sie alle Warnhinweise nicht ernst genommen haben. Herr Innenminister, auch das ist ein Markenzeichen Ihrer Amtsführung.
Die Ergebnisse zeigen, dass es Missstände und Versäumnisse in großem Stil sowie insbesondere in dem Amt PTLV, aber auch im Innenministerium gegeben hat. Dem Land Hessen und dem Steuerzahler ist damit ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden.
Obwohl es schon im Jahr 1999 deutliche Hinweise und Verdachtsmomente durch einen Informanten an die damals neu ins Amt gekommene Regierung, an den damaligen Chef der Staatskanzlei, Herrn Dr. Jung, auf den Hauptverdächtigen Herrn H.gegeben hat,war das Ergebnis: Gegen den H. wurde nichts unternommen, aber den Informanten, einen Herrn W., hat man fristlos gekündigt.
Ich habe den Eindruck, das Volk liebt den Verrat, aber nicht den Verräter. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Informant hatte die Handynummer von Dr. Jung. Er hat vorher schon mit Herrn Klein verhandelt. Das war ein bisschen ungeschickt, denn obwohl der inkognito verhandeln wollte, hatte einer über den halben Saal gebrüllt: „Ein Herr Klein will dich sprechen“. Herr Klein, das war ein bisschen ungeschickt. Deswegen wurde Herr Klein gegen Herrn Dr. Jung ausgetauscht.
Im Ergebnis gab es deutliche Hinweise auf kriminelle Machenschaften des H. Diese Hinweise hat man nicht ernst genommen. Ganz im Gegenteil wurde dem W. gekündigt.
Selbst die Durchsuchung der Diensträume im Herbst 2001 hat nicht zu einer Veränderung in den Geschäftsabläufen geführt. Wie die Vernehmung des Herrn H. im Untersuchungsausschuss ergeben hat, wurde ihm sinngemäß gesagt: Halten Sie sich einmal drei Tage zurück. Danach konnte er schalten wie eh und je.
Angeblich wurde etwas mit seiner Unterschriftsbefugnis gemacht. Die hat geruht. Das ist ein Terminus, den der Innenminister im Innenausschuss eingeführt hat. Das ist eine bouffiersche Erfindung, denn ein Ruhen der Unterschriftsbefugnis sieht die Landeshaushaltsordnung gar nicht vor.
Im Kern heißt das:Es gab Verdachtsmomente.Es gab eine Durchsuchung der Diensträume. Aber der Mitarbeiter konnte schalten und walten wie eh und je. Er konnte Aufträge vergeben. Damit wurde weiteren kriminellen Taten Tür und Tor geöffnet, um das sehr deutlich zu sagen.
Da stellt sich natürlich die Frage: Gab es eine Dienst- und Fachaufsicht? Die hat nämlich in gar keiner Weise funktioniert – wenn es sie gegeben hat. Gab es eine Innenrevision? Wenn es sie gegeben hat, dann hat sie versagt.
Nun ist völlig klar, der Hauptverdächtige hat seine Taten mit erheblicher krimineller Energie begangen.Das ist völlig unstrittig. Das macht das aber nicht besser.
Klar ist aber auch: Durch fehlende Kontrollmechanismen wurde es ihm deutlich leichter gemacht. Hätten Sie im Jahr 2001 erste Hinweise ernst genommen, dann wären weitere kriminelle Taten nicht möglich geworden, und der wirtschaftliche Schaden für das Land wäre deutlich geringer ausgefallen.Auch das ist ein Fakt.
Man mag es kaum glauben:Die allgemeinen Kriterien,die mittlerweile auch in der kleinsten Kommune angewandt werden, wenn es um die Bekämpfung von Korruption geht, wie das Vieraugenprinzip bei der Vergabe von Aufträgen oder die Idee, dass man Mitarbeiter – gerade wenn es um heikle Dinge wie Beschaffung geht – rotieren lässt, die kannte man in dieser Behörde gar nicht. Ganz im Gegenteil, dieser Mitarbeiter wurde nicht einmal versetzt – und zwar mit der Begründung, man hätte sonst keinen anderen Fachmann.
Wenn man sich in einem Amt, in dem Millionenbeträge für Beschaffung ausgegeben werden, auf eine einzige Person kapriziert, dann ist das schlicht und ergreifend abenteuerlich, noch dazu in einer Polizeibehörde, die natürlich insbesondere Korruption bekämpfen soll. Herr Innenminister, eine abenteuerliche Konstruktion also – und von wegen, die Dienst- und Fachaufsicht hat funktioniert. Dazu sage ich nur: Gute Nacht, Hessen, wenn das Ihre Auffassung von Dienst- und Fachaufsicht ist.
Nebenbei. Der damalige Staatssekretär und heutige Wissenschaftsminister Herr Corts war spätestens im Jahr 2001 über diese Vorwürfe informiert. Das hat der Untersuchungsausschuss klar zutage gefördert. Passiert ist aber nichts. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Dieser Mitarbeiter konnte noch bis zum Juli 2003, kurz vor seiner Entlassung, an wichtigen Gesprächen und Arbeitsgruppen im Innenministerium teilnehmen.
Eine Petitesse am Rande: Dieser Mitarbeiter sollte sogar ins Innenministerium versetzt werden. Als die Untersuchung drohte, hat man dann im Innenministerium gesagt, das ist schlecht, dann wird er aus dem Innenministerium heraus verhaftet – das könnte eine schlechte Presse geben. Da hatten Sie allerdings einmal einen richtigen Riecher.Sie hätten konsequent gegen diesen Mitarbeiter vorgehen müssen. Herr Bouffier, Sie sind auf halber Strecke stehen geblieben, und so ist dieser Schaden entstanden.
Auch der Bericht des Landesrechnungshofes, den Sie erst viel später, nach Bekanntwerden dieser Affäre, angefordert haben, ist eine einzige schallende Ohrfeige für die Praxis in diesem Amt. 80 % aller Vergabeverfahren beim PTLV im Jahr 2004 sind freihändig, d. h. ohne Ausschreibung, erfolgt.Aufträge wurden teilweise gesplittet, um die ansonsten zwingende Ausschreibung zu verhindern. Das Vieraugenprinzip bei Beschaffungsvorgängen war in vielen Fällen nicht gewährleistet. Die Lagerbestände waren nicht erfasst. Teilweise lagen Hunderte von Handys irgendwo unnütz herum – aber der Steuerzahler hat sie bezahlt. Die Innenrevision war personell unzureichend ausgestattet und wurde ihren Aufgaben nicht gerecht. Die Mitarbeiter wurden unvollständig und unsystematisch über Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung informiert.
Im Untersuchungsausschuss waren insbesondere die Oppositionsparteien SPD und GRÜNE aktiv. Die FDP hat dort den berühmten hahnschen Spagat versucht: Eigentlich fühlen wir uns immer in der Regierung,eigentlich sind wir keine richtige Opposition. Deswegen schließt man sich im vorauseilenden Gehorsam an.
Herr Hahn, das wird Ihnen aber keine weiteren Wählerstimmen zuführen. Da bin ich mir relativ sicher. Das ist aber nicht mein Problem, das muss mich nicht kümmern.
Also, die beiden echten Oppositionsparteien haben das klar festgestellt.– Herr Hahn,ich will Sie doch an Ihren eigenen Ansprüchen messen. Sie wollten doch einmal die härteste Opposition sein.Sie sind aber die schwächste Opposition, mit Abstand. Sie sind gar keine Opposition. Ihre Staatszuschüsse müssten Sie eigentlich zurückzahlen.
Die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses hat klar ergeben: Sogar ein ehemals enger persönlicher Mitarbeiter von Innenminister Bouffier hatte dieses anonyme Schreiben ebenfalls bekommen, mit Hinweisen auf den H.Aber da ist nichts passiert.
Übrigens haben im Untersuchungsausschuss viele Mitarbeiter – engstes Umfeld von Herrn Bouffier –, aber auch Herr Dr. Jung Gedächtnislücken offeriert. Das kennen wir aus dem Schwarzgeldausschuss. Immer wenn es kritisch wurde, haben Sie Gedächtnislücken. Das scheint mir gelegentlich doch ein Fall für den Amtsarzt zu sein – wenn man unter chronischem Verdrängen leidet. Dr. Jung wusste gar nicht, mit wem er alles telefoniert hatte. Man gibt ja auch jeder x-beliebigen Person seine Handynummer.
Nein, abenteuerlich:Vertuschen, verdrängen, seine Fehler nicht eingestehen – das ist das Markenzeichen dieser Landesregierung und auch von Innenminister Bouffier.
Auch nach dem Ausscheiden dieses Mitarbeiters im Juli 2003 ist erst einmal monatelang nichts passiert, nach dem Motto, man könnte ja etwas feststellen. Dann fing man langsam an, die Akten aufzuarbeiten, und dann konnte man wirklich den Schaden ermitteln.
Deshalb ist es abenteuerlich, wenn CDU und FDP behaupten, die Dienstaufsicht hätte einwandfrei funktioniert, und der Innenminister habe konsequent und umfassend gehandelt. Ich stelle mir einmal lebhaft vor, Sie hätten das richtig gemacht, und es wäre etwas richtig Gutes dabei herausgekommen.
Meine Damen und Herren, es ist und bleibt das Markenzeichen dieses Innenministers: Sie reagieren und ziehen Konsequenzen nur, wenn das Kind in den berühmten Brunnen gefallen ist. So auch im vorliegenden Fall. Erst viel später haben Sie Mitarbeiter, die im Umfeld dieses Kriminellen tätig waren, versetzt, nachdem ein erheblicher Schaden entstanden war. Herr Bouffier, in der Tat entwickeln Sie sich immer mehr zu einem Skandalminister in dieser Landesregierung.
(Michael Boddenberg (CDU): Das sagen Sie! Eine typische Rhetorik, die Sie alle fünf Minuten bringen!)
Nein, nein, Herr Boddenberg, das ist Ihr Problem, Ihr Problem der Nicht-Wahrnehmung von Tatsachen und von dem, was die Menschen in diesem Land wirklich über diese Landesregierung denken.
Deswegen werden die Menschen wahrnehmen, was diese Regierung leistet, und vor allem, was sie nicht leistet.
Das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses ist: Zuerst haben Sie monatelang versucht, die Akten nicht herausgeben zu müssen. Dann haben Sie mit Mätzchen versucht, bestimmte Zeugenvernahmen nicht zu ermöglichen. Aber es hat Ihnen alles nichts genutzt. Zwei Jahre harter Arbeit haben belegt: In diesem eklatanten Fall hat Innenminister Bouffier erneut klar und deutlich versagt. Das ist die Quintessenz dieses Untersuchungsausschusses.
Ich weiß, es ist ganz gemein, wenn ich Sie an Ihren eigenen Ansprüchen messe. Ich mache es trotzdem. Der Innenminister war in einem früheren Untersuchungsausschuss Obmann der damaligen Oppositionsfraktion CDU. Wir haben damals den „Fürst Metternich“ gemeinsam zu Tode geritten. Ich weiß gar nicht mehr, warum es überhaupt diesen Untersuchungsausschuss gab; wahrscheinlich nur deshalb, weil man klären wollte, warum der Gaul seinen Hafer nicht in Wiesbaden, sondern in Frankfurt gegessen hat. Der heutige Innenminister hat damals gesagt: „Im Gegenteil; die Sache muss aufgeklärt, und die Missstände müssen abgestellt werden.Dort,wo sie gegeben ist, muss die politische Verantwortung deutlich gemacht werden.“
Vielen Dank, Herr Rudolph. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort.
Werte Frau Präsidentin,meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muss nicht lange warten, um zu Skandalen dieses Ministers reden zu können.An nur einem Tag kann man das in verschiedenen Varianten tun. Jetzt tun wir das im Zusammenhang mit dem Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung.