Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

(Beifall bei der FDP und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Heidel, vielen Dank. – Frau Kollegin Hammann hat sich zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet. Frau Hammann, Sie haben zwei Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Heidel, ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich Ihnen die Frage stellen will:Was wollen Sie denn im Hinblick auf den Klimaschutz tun? Dafür muss etwas getan werden. Denn dem Klimawandel muss entgegengewirkt werden.

Offensichtlich wollen Sie nicht erkennen, dass gerade die Großkraftwerke mit dem Energieträger Kohle die Klimakiller per se sind. Deren Nutzung wollen Sie noch zementieren.

Wir haben ein Energiekonzept vorgelegt, das ein Puschen der erneuerbaren Energien vorsieht. In dem Konzept wird dargestellt, wie das Ganze umgesetzt werden kann.

Herr Kollege Heidel, Sie haben sich hierhin gestellt und gesagt: Wir wollen von Importen unabhängig werden. – Sie müssen sich doch die Frage stellen, woher die Steinkohle kommen soll.Woher soll der Energieträger für den Block 6 des Kraftwerks Staudinger kommen? Die Aussage lautet doch, dass die Steinkohle aus Kolumbien kommen soll. Die Steinkohle von dort ist hoch belastet. Das sollte doch eigentlich auch Ihnen zu denken geben.

Es wurde deutlich dargestellt: Wir haben einen Überschuss an Strom. Strom wird aus Deutschland exportiert. Wir haben keinen Bedarf, Strom zu importieren. Wir haben aber in Deutschland die Chance,eine ganz andere Art der Energieversorgung auf den Weg zu bringen.

Ich denke an das Jahr 1994 zurück. Damals haben die großen Stromversorgungsunternehmen auf Plakaten großflächig kundgetan, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien nie einen hohen Anteil an der Stromversorgung haben wird. Wir haben mittlerweile einen Anteil von 12 %. Das ist der Fall, weil die GRÜNEN die Nutzung der erneuerbaren Energien immer und immer wieder gefordert und auf Regierungsebene die richtige Weichenstellung vorgenommen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kritisiere an dieser Diskussion Folgendes: Wir haben in Deutschland Kapazitäten für 40.000 MW Strom, die durch diese alten Kohlekraftwerke nicht mehr erzeugt werden müssten. Bei den großen Stromversorgungsunternehmen macht sich keiner Gedanken darüber, inwieweit bei effizienter Nutzung und dem Einsatz der alternativen Energien diese Kapazitäten der alten Kraftwerke überhaupt noch gebraucht werden. Wir haben uns diese Gedanken gemacht. Diese Kapazitäten werden nicht mehr gebraucht.

Wenn Sie an Ihrer Energiepolitik festhalten, wird das dazu führen, dass es über Jahrzehnte hinweg wirklich noch Kraftwerke geben wird, die einen hohen CO2-Ausstoß haben. Wenn diese 40.000 MW Strom durch neu erstellte Kraftwerke in Deutschland produziert würden

Frau Hammann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

danke schön –, würde dies bedeuten, dass 170 Millionen t CO2 pro Jahr ausgestoßen würden.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, wie gut, dass Sie das noch einmal wiederholen!)

Das müssten Sie dann verantworten. Wir haben die Chance, das zu verändern. Haben Sie endlich einmal den Mut, und gehen Sie den Weg mit, auf dem man tatsächlich eine sichere und umweltfreundliche Energieversorgung erhalten kann. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Heidel hat die Gelegenheit zur Antwort.

Ich habe eben bei der Kurzintervention der Frau Kollegin Hammann festgestellt, dass die Argumente durch stetige Wiederholung nicht besser werden.

Wir alle wissen, dass es derzeit bei den erneuerbaren Energien noch große Probleme hinsichtlich der Speicherung gibt.Für eine gewisse Übergangszeit werden wir deshalb auf andere Kraftwerke angewiesen sein. Bei den erneuerbaren Energien ist die Speicherung das Problem. Man muss den Strom zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung stellen können.

Frau Kollegin Hammann, wollen wir Strom aus anderen Ländern nach Deutschland importieren, um die Spitzenlast abzufedern? Sie wissen ganz genau, dass wir schon heute in den Spitzenzeiten Probleme haben.

Ich komme jetzt auf die Umweltargumente zu sprechen. Es sollen drei Blöcke stillgelegt werden. Dafür soll ein neuer, umweltfreundlicher Block in Betrieb genommen werden. Ich glaube, damit würde ein wesentlicher Schritt für den Umweltschutz getan.

Sie haben den CO2-Ausstoß angesprochen. Ich rate Ihnen: Denken Sie noch einmal ganz entschieden über den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie nach. Denn

Sie wollen die Atomkraftwerke nacheinander Jahr für Jahr stilllegen.

(Beifall der Abg. Florian Rentsch, Dieter Posch (FDP) und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Heidel, vielen Dank. – Nun erhält für die Landesregierung Herr Dr. Rhiel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute geführte Debatte zeigt uns noch einmal sehr deutlich, dass die Themen Energieversorgung und Energiepolitik nicht von dem Thema Klimaschutz getrennt werden können. Bei dieser Debatte bewegen wir uns zwischen zwei Polen. Dabei wird deutlich, dass die Energiepolitik verschiedene Ziele zu berücksichtigen hat. Dabei handelt es sich um Ziele, die auch in konkurrierendem Verhältnis zueinander stehen.

Die Energieversorgung soll sicher, umweltverträglich, preiswert und effizient sein. In diesem Zusammenhang gibt es natürlich Fragen. An einem Standort, an dem schon seit Jahrzehnten ein Kraftwerk steht und Strom produziert, soll ein neuer Block gebaut werden, der alte Blöcke ablösen soll. Da werden Fragen aufgeworfen, die die Menschen in jeglicher Hinsicht interessieren. Vor allem geht es aber um die Frage der Umweltverträglichkeit. Wir tun gut daran, uns im Interesse der Menschen der Region diesen Fragen emotionslos, aber engagiert zuzuwenden.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und ohne Ideologie!)

Wir müssen der Frage nachgehen, was dadurch ermöglicht wird.Wir müssen fragen, was unmöglich ist.Wir müssen fragen, was verbessert, was aber auch möglicherweise verschlechtert wird.

Ich rate uns sehr dazu, diesen Fragen wirklich emotionslos nachzugehen.Wir müssen den Menschen die Dinge offen und transparent aufzeigen.

Ich mahne auch dazu, hier keine Fehleinschätzungen vorzunehmen. Noch schlimmer wäre vielleicht, wenn wir objektiv vorhandene Wahrheiten verniedlichen oder sogar vertuschen.

Zunächst einmal möchte ich auf die Verfahrensfrage zu sprechen kommen. Das betrifft den formalen Teil dieser Debatte. Obwohl das bei einem Genehmigungsverfahren oder bei irgendeinem anderen Verfahren nicht vorgeschrieben ist, haben wir erklärt, dass wir am 6. Juli 2007, also noch vor der Sommerpause, eine Regierungsanhörung durchführen werden. Diese Regierungsanhörung werde ich gemeinsam mit meinem Kollegen Wilhelm Dietzel und den Kollegen aus dem Regierungspräsidium im Dialog mit den dort lebenden Menschen abhalten.

Die Frage, warum eine Regierungsanhörung durchgeführt wird, wurde spätestens durch die Rede des Herrn Abg. Grumbach beantwortet. Er hat sozusagen unterstellt, dass die Landesregierung kein Raumordnungsverfahren durchführen will. Sie haben gesagt, die Landesregierung wolle damit die Prüfung der Umweltverträglichkeit vermeiden.

Sehen Sie, das betrifft einen der wichtigsten Aspekte, den wir den Menschen dort mitteilen wollen. Das betrifft alle Fragen, die auf das Konzept zielen, also etwa die Fragen, wie sich der Antragsteller die neue Anlage von der Dimension und von der Art her vorstellt.Alle Fragen solcher Art werden geklärt werden. Keine Frage, die dort von offiziellen Institutionen oder einzelnen Bürgern gestellt werden wird,wird unbeantwortet bleiben,und zwar unabhängig davon, ob ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden wird oder ob es zu einem förmlichen Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz kommen wird.

Herr Grumbach, ich will Ihre Frage gleich beantworten. Sie haben Unkenntnis dokumentiert und diese Frage damit sozusagen indirekt gestellt.

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich möchte Ihnen diese Frage beantworten. Natürlich beinhaltet jedes Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz auch die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsstudie. Da müssen auch Fragen hinsichtlich der Abgasreinigung beantwortet werden.Beispielsweise muss auch den Fragen nach dem Wirkungsgrad und überregionalen Auswirkungen einer solchen Einrichtung nachgegangen werden. Gemach, die Beantwortung all dieser Fragen soll nicht in irgendeiner Art und Weise umgangen werden. Vielmehr sollen alle diese Fragen unserer Ansicht nach bewusst aufgegriffen werden, damit man im Interesse der Menschen eine Antwort auf die Fragen geben kann, die sich im Zusammenhang mit dem Ausbau ergeben.

Nach dieser Anhörung werden wir die Frage zu entscheiden haben, ob ein Raumordnungsverfahren noch einmal vorgeschaltet werden soll. Wir alle wissen es doch. Herr Schmitt, das haben Sie selbst schon einmal von dieser Stelle aus gesagt. Mit dem Raumordnungsverfahren werden die Fragen behandelt, ob und wo etwas möglich sein soll. Die Frage, wie das dann gemacht wird, wird im speziellen Genehmigungsverfahren behandelt.

(Norbert Schmitt (SPD): Schauen Sie doch einmal in den Raumordnungsplan hinein, der besteht!)

Als Analogie kann ich dazu sagen: Das handhaben wir auch bei der Erweiterung des Flughafens so. Das ist also nicht die entscheidende Frage.

Die entscheidende Frage ist – danach können wir fragen, wenn ein Antrag auf dem Tisch liegt –, welche Wirkung diese Anlage haben wird. Das betrifft alle Dimensionen, die angesprochen worden sind. Vor allem geht es um die Frage, ob der umweltrelevante Saldo einen positiven Effekt haben kann, nachdem drei Altanlagen von einer neuen abgelöst worden sind.

Diese Debatte ist auch unter anderen Gesichtspunkten geführt worden. Zum Beispiel wurde die Frage aufgeworfen:Wie ist die Energieversorgung der Zukunft zu gestalten? Wir haben im Verlauf der heutigen Debatte gespürt, dass sich Rot und Grün bei einer Lebenslüge ertappt fühlen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Bei Lügen sollte die Hessen-CDU sehr vorsichtig sein! Da sind wir gleich bei der Regierungsspitze! Wir können eine Debatte darüber führen, wie oft Sie gelogen haben! Schwarzgeldskandal!)

Meine Damen und Herren, bleiben wir doch bei den Sachverhalten. – Wie sieht es bisher bei der Energieversorgung mit der Primärenergie aus? Die Kohle hat einen Anteil von 46 %. Die Kernenergie hat einen Anteil von – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem, was der Herr Minister in dieser Debatte sagt, mehr Aufmerksamkeit zu widmen. – Herzlichen Dank.

Ich wiederhole: Die Kohle hat einen Anteil von 46 % an der Energieversorgung, während die Kernenergie derzeit einen Anteil von 29 % hat. Zusammengerechnet macht das 75 % aus.

Das halte ich Ihnen vor:Wenn Sie sozusagen 75 % der erzeugten Energie nicht akzeptieren, weil Sie den Einsatz dieser Primärenergien nicht wollen, müssen Sie eine Antwort auf die Frage geben, wer für den Strom verantwortlich ist. Auch müssen Sie sagen, ob unsere Wirtschaft in Deutschland noch einen Standort hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Hessische Landesregierung marschiert an der Spitze derjenigen, die sich den erneuerbaren Energien zuwenden. Dadurch will sie diesen Prozess intensivieren.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)