Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Erstens. Das zeigt, wie lange ein Steinkohlekraftwerk, wenn es einmal gebaut ist, am Netz ist. Das habe ich damit gemeint, als ich sagte, wir treffen heute Entscheidungen für morgen und übermorgen.

Zweitens. Es zeigt auch, dass in den letzten 40 Jahren der technische Fortschritt bei Steinkohlekraftwerken im Vergleich zu anderen Formen der Energieerzeugung nicht gerade sehr groß war, wenn man sich den Wirkungsgrad anschaut. Deshalb ist die Vorstellung, drei uralte Möhren – wenn ich sie einmal so nennen darf – durch eine etwas neuere, dafür aber größere Möhre zu ersetzen, ein Stück aus dem Tollhaus.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen kann man sich auch nicht darum herummogeln, dass wir es mit einer Entscheidung über Jahre und Jahrzehnte zu tun haben und dass wir es mit einer gewaltigen Belastung zu tun haben.Wenn die CDU in ihrem Antrag, den sie gegen unseren gestellt hat,

(Norbert Schmitt (SPD): Verbindliche Zusage! Ich lache mich kaputt!)

die verbindliche Zusage des Vorstandsvorsitzenden der E.ON AG begrüßt, dass sich mit der Stilllegung der alten Blöcke und der Inbetriebnahme des neuen Blocks trotz höherer Leistung und höherer jährlicher Betriebszeit keine zusätzlichen ökologischen Belastungen für die Region ergeben,

(Norbert Schmitt (SPD): Glatte Irreführung!)

dann kann ich Ihnen nur sagen:Es kommt nicht darauf an, die gegenwärtige, zu hohe Belastung nicht noch höher zu machen; es kommt darauf an, die Belastungen zu reduzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Das muss Ihnen doch selbst wehtun, was Sie vortragen! – Norbert Schmitt (SPD):Das ist glatte Irreführung – Michael Boddenberg (CDU): Virtuelle Energiegewinnung bei den GRÜNEN!)

Deswegen ist dieser Vorschlag ein falscher Vorschlag. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Struktur der Energieversorgung von morgen wird heute entschieden. Es wird damit nicht nur entschieden, wie unsere Energie erzeugt wird, sondern auch, wie unser Leben angesichts des Klimawandels in der Zukunft sein wird. Damit wird auch die Zukunft nicht nur der Energieversorgung, sondern auch unserer Kinder und Kindeskinder entschieden.

(Michael Boddenberg (CDU):Alles aus Osteuropa und Frankreich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Ihnen im Januar ein Konzept vorgelegt, wie, wenn man heute die richtigen Entscheidungen trifft, bis zum Jahre 2028 eine Stromerzeugung in Hessen ohne Kohle, ohne Gas und auch ohne Atom möglich wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Den Wirtschaftsstandort legen wir dann still! Oder wie stellen Sie sich das vor? Theoretisches Geschwätz ist das! Märchenerzähler!)

Herr Boddenberg, wir haben im letzten Jahr in Deutschland bei der Stromerzeugung einen Anteil von 12 % bei den erneuerbaren Energien erreicht. Wir haben es durch die richtigen Weichenstellungen geschafft, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung innerhalb von sieben Jahren zu verdreifachen – alles gegen Ihren Widerstand.

(Michael Boddenberg (CDU): Dann verdoppeln Sie das mal! Versuchen Sie das mal! – Norbert Schmitt (SPD): Mit dieser Landesregierung schafft man das natürlich nicht! Das ist klar! – Minister Dr. Alois Rhiel: Das haben Sie doch nicht gemacht! – Norbert Schmitt (SPD): Sie waren doch gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz!)

Herr Rhiel, entschuldigen Sie einmal, wer hat das in der Bundesregierung durchgesetzt? Wer hat im Bundesrat immer dagegen gestimmt? Wer hat denn immer Kampagnen dagegen gemacht?

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Herr Rhiel,wo Sie gerade dazwischenrufen:Letzte Woche ist der Energiebericht der Landesregierung allen Abgeordneten auf den Tisch gekommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist peinlich!)

Wer angesichts der gegenwärtigen Debatte im Jahre 2007 auf Seite 19 schreibt, dass die Landesregierung sich am Standort Staudinger dafür einsetzt, dass dort der neue Kohleblock unter Einsatz modernster Kraftwerkstechnologie zügigst realisiert werden kann

(Michael Boddenberg (CDU): Das passt Ihnen nicht, Herr Kollege!)

und dahinter schreibt: „Auch bei weiteren Kraftwerksprojekten hat die Landesregierung deshalb bereits signalisiert bzw. wird sie signalisieren, dass der Bau weiterer Kraftwerke in Hessen auch mit Einsatz von Steinkohle energiepolitisch erwünscht ist“, der hat wirklich nichts, aber auch gar nichts verstanden, nichts.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind durch die Politik der Energiewende, die auf Bundesebene angestoßen wurde, die jetzt weitergehen muss und die auch in den Ländern und in den Kommunen weitergehen muss, als Bundesrepublik Deutschland im letzten Jahr Stromexportland gewesen. Herr Boddenberg, hören Sie zu: Wir waren Stromexportland. Das heißt, wir haben keinen Atomstrom importiert, sondern wir haben Strom aus erneuerbaren Energien exportiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit Sie sich die Zahlen einmal betrachten können:Wir, die Bundesrepublik Deutschland, haben im Jahre 2005 einen Exportüberschuss von 8,8 Millionen MWh gehabt. Wir haben im Jahre 2006 diesen Überschuss auf 19,9 Millionen MWh gesteigert – und das, obwohl Stade und Obrigheim abgeschaltet worden sind, und das, obwohl im letzten Quartal Biblis A und B stilllagen. Sie können sehen: Die Energiewende ist machbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen liegt die Zukunft der Energieerzeugung im Energiesparen.Die Zukunft der Energieerzeugung liegt in der Energieeffizienz. Die Zukunft der Energieerzeugung liegt in den erneuerbaren Energien. Wenn Sie das auf das Projekt anwenden, über das wir gerade reden, dann stellen Sie fest:

(Axel Wintermeyer (CDU): Wer soll das bezahlen?)

Dieses Kraftwerk hat die falsche Dimension. Dieser Kraftwerksblock, der dort gebaut werden soll, hat auch angesichts der Dimension den völlig falschen Standort, weil Sie nämlich so viel Wärme, wie Sie da erzeugen, gar nicht sinnvoll gebrauchen können, außer Sie wollten den Main zum Kochen bringen, Herr Boddenberg.

(Michael Boddenberg (CDU): Das wissen Sie alles! Ausschließlich Sie wissen Bescheid! Sie erzählen weiterhin den Leuten Märchen! Sie sind ein Märchenerzähler!)

Herr Boddenberg, ich bitte Sie. Was tut Ihnen denn so weh, wenn man diese Dimensionen einmal schildert, dass es Sie zu solchen Zwischenrufen bringt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Ihr Vortrag! Weil Sie den Leuten Sand in die Augen streuen!)

Dieses Kraftwerk hat – ich sage es noch einmal – die falsche Dimension, es hat den falschen Standort, weil Sie so viel Wärme an dem Standort gar nicht gebrauchen können, und es hat den falschen Energieträger, nämlich Kohle, der der klimaschädlichste Energieträger ist, den es gibt. Wenn man an derselben Stelle ein kleiner dimensioniertes Gaskraftwerk bauen würde, mit dessen Wärme man mehr anfangen könnte, und das als Reserve benutzt werden könnte, dann wäre man wirklich einen großen Schritt weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das soll mein letzter Punkt sein. Wenn E.ON der Meinung ist, dass das, was Sie da vorhaben, wirklich so toll ist, fordere ich E.ON und auch die Landesregierung auf, den Weg zu einem Raumordnungsverfahren frei zu machen. Es reicht nämlich nicht, eine Regierungsanhörung von Kochs Gnaden durchzuführen – wie die ausgeht, kann man sich angesichts des Energieberichts, aus dem ich gerade zitiert habe, schon vorstellen.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir wollen, dass alle Argumente des Für und Wider auf den Tisch kommen.Wir sind davon überzeugt, dass, wenn man hier sachlich entscheidet, am Ende nur stehen kann, dass Hessen nicht das weltgrößte Steinkohlekraftwerk braucht. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Knüppel werfen,verzögern und auf Arbeitsplätze verzichten,das wollen Sie!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abg. Lortz für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ziel des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es sehr offensichtlich, unter dem Deckmantel eines formulierten hehren Zieles einer klimagerechten Energiepolitik den geplanten Neubau des Blockes 6 des Kraftwerkes Staudinger in Großkrotzenburg im Main-Kinzig-Kreis unsachlich und allein für wahlpolitische Zwecke zu instrumentalisieren.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Das ist der CDU völlig wesensfremd! – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Herr Kollege Schmitt, nach dem, was Ihr Umweltminister Gabriel zum Thema Kohlekraftwerke sagt, sollte die SPD besser unter dem Teppich Fallschirm springen.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Norbert Schmitt (SPD): Das war jetzt zu billig!)

Meine Damen und Herren, vielleicht könnten wir uns trotzdem zu Beginn meiner Ausführungen auf einige gemeinsame Feststellungen einigen,

(Norbert Schmitt (SPD): Auf der Ebene aber nicht!)

die den Sachverhalt losgelöst von Ideologie und polemischer Eiferei wiedergeben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Ihnen völlig wesensfremd!)

Herr Kollege Kaufmann, Sie wissen, dass mir diese ganze polemische Geschichte eigentlich nicht liegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Jetzt lacht sogar der Präsident!)

Kollege Al-Wazir, ich habe Verständnis: Sie sind etwas deprimiert. Ich habe Sie am Sonntag am Bieberer Berg gesehen, als Sie nach dem Spiel herausgegangen sind. In dem Punkt sind wir Freunde im Geiste für den Verein. Aber auch nur in dem Punkt.