Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir haben in der Tat in der Vergangenheit sowohl im Richterwahlausschuss als auch darüber hinaus sehr oft darüber diskutiert, inwieweit wir insbesondere die Befugnisse des Richterwahlausschusses erweitern können, weil wir uns in der Praxis – das wissen auch Sie,Frau Beer – gar kein tatsächliches Meinungsbild über die Bewerber insgesamt verschaffen können, weil wir nur einen relativ schmalen Bewerberkorridor kennenlernen.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Einblick in einzelne Personalakten ist uns als SPD-Fraktion zu wenig. Deswegen haben wir uns auch die Einstellungspraxis in den anderen Bundesländern angesehen, z. B. die des OLG Hamm, das sogar mit einem Assessmentcenter arbeitet.

Deswegen sind wir als SPD-Landtagsfraktion dafür, dass wir in der Tat dem Richterwahlausschuss mehr Einfluss und Mitsprachemöglichkeiten eröffnen.Wir haben vorgeschlagen – das haben wir auch im Richterwahlausschuss gemacht; das kann ich sagen, ohne die Verschwiegenheitspflichten zu verletzen, und das würden wir auch öffentlich vorschlagen –,dass wir uns im Richterwahlausschuss,etwa in der Form des Unterausschusses, der jetzt schon in der Geschäftsordnung vorgesehen ist, in einem Verfahren, in dem immer zwei bis drei Mitglieder des Richterwahlausschusses anwesend sind, die Persönlichkeiten, die zu den Bewerbern gehören, selbst ansehen. Damit haben wir im Richterwahlausschuss die Möglichkeit, uns von der tatsächlichen Bewerberlage ein persönliches Bild zu machen. Das schafft mehr Transparenz und vermindert auch eine mögliche – wenn gar mittelbare – Einflussnahme des Justizministeriums.

Lassen Sie mich aber noch zu den weiteren Vorschlägen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stellung nehmen.Wir haben im Moment im Richterwahlausschuss folgende Struktur. Er ist zum einen mit fünf richterlichen Mitgliedern, aber auch sieben Landtagsabgeordneten sowie – im Wechsel – einem Vertreter der Rechtsanwaltskammern besetzt. Das ist also eine ausgewogene Besetzung, bei der

auch die verschiedenen Gerichtsbarkeiten repräsentiert werden. Für uns ist nicht erkennbar, welchen qualitativen Vorteil es bringen würde, diese an sich schon ausgewogene Struktur zu verändern.

Ein Punkt, an dem wir dem Antrag zustimmen könnten, ist Ihr Vorschlag, dass wir bei einem einvernehmlichen Mitwirken an Entscheidungen des Präsidialrats auch den Richterwahlausschuss in Zukunft hinzuziehen. Das ist ein Vorschlag, den wir konstruktiv begleiten können. Aber den Blick müssen Sie nicht nur nach Spanien richten. Es ist jetzt bereits in der Verwaltungspraxis üblich, Funktionsstellen auf Zeit zu besetzen.Das haben wir uns genau angesehen. Ihr Vorschlag ist, Gerichtspräsidenten zeitlich befristet auf sechs Jahre einzustellen bzw. zu ernennen.

Da ist für uns als SPD-Fraktion die Personalkontinuität vorrangig. Das muss ich an dieser Stelle ganz klar sagen. Sie wissen selbst, was das für eine Behörde bedeutet, wenn da immer ein Wechsel in der Hausspitze stattfindet. Deswegen steht hier für uns ganz klar die Personalkontinuität an vorderer Stelle. Deswegen werden wir diesem Vorschlag nicht zustimmen können.

Lassen Sie mich insgesamt für die SPD-Fraktion feststellen, dass die Intention des Antrags von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN richtig ist, er aber in den Detailvorschlägen nicht unsere Zustimmung erfahren kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Zeimetz-Lorz für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Dr. Jürgens hat seinen Beitrag damit eingeleitet,dass er gesagt hat,Reisen bilde.Nach Ihrem Beitrag darf ich feststellen und ergänzen: nicht immer. In diesem Fall ganz bestimmt nicht.

Als ich Ihren Antrag gelesen habe, war ich einigermaßen erstaunt, dass Sie das Auswahlsystem in Spanien zur Grundlage für Ihren Antrag nehmen. Wenn Sie das zur Grundlage nehmen wollen, dann müssten Sie auch das System übernehmen. Das wollen Sie offensichtlich nicht. Ich selbst war in Spanien nicht dabei. Ich habe mir aber berichten lassen, dass es dort ganz erhebliche Probleme gibt.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir, waren Sie mit in Spanien, Herr Chefjurist?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich war nicht in Spanien, aber ich sage auch nicht, dass Reisen nicht bildet, wenn ich nicht gereist bin! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist sehr komisch, Herr Al-Wazir. Aber ich muss schon sagen, dass der Beitrag deutlich gemacht hat, dass Reisen eben nicht immer bildet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, zweitens finde ich es ziemlich unerhört; denn heute ist die

wirkliche Intention Ihres Antrags mehr als deutlich geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das will ich mit allem Nachdruck auch für die CDU-Fraktion zurückweisen. Ich habe es mir wortwörtlich notiert. Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie haben von politisch motivierten Entscheidungen bei der Richterauswahl gesprochen. Sie haben davon gesprochen, dass nächstes Jahr, wenn Sie die Landtagswahl gewonnen hätten, die hessische Justiz schwarz gefärbt wäre. Ich muss offen gestehen – hier wurde vorhin von Erregung gesprochen –: Das erregt mich in der Tat, und das möchte ich mit allem Nachdruck an dieser Stelle zurückweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das zeugt auch von einer gewissen Geisteshaltung, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Jürgens. Ich gehöre diesem Hause zwölf Jahre an. Ich gehöre dem Richterwahlausschuss genauso lang an, entweder als stellvertretendes Mitglied oder als ordentliches Mitglied. Ich muss schon sagen, ich bin einigermaßen erstaunt, dass plötzlich zum ersten Mal jemand an dieses Rednerpult geht und sagt, die Entscheidungen des Richterwahlausschusses bei der Richterauswahl seien politisch motiviert. Das ist, mit Verlaub, eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich nicht gesagt! Ich habe von der Beförderung gesprochen!)

Er hat es gesagt. – Ich finde, dass sich die Arbeit und das System des Richterwahlausschusses in Hessen bewährt haben. Man kann sicherlich in Einzelheiten darüber diskutieren, wo man die Arbeit verbessern könnte.Aber wir sehen in dem Sinne, wie Sie es hier verlangen, keinen Änderungsbedarf. Sie haben gesagt, Sie wollen den Eindruck einer mittelbaren Einflussnahme des Ministers verdrängen, indem Sie die Zahl der Abgeordneten im Richterwahlausschuss verkleinern.Wenn man den Antrag weiterliest, stellt man fest, Sie reden weiterhin von sieben Abgeordneten, die durch den Landtag gewählt werden sollen. Also wird nichts verkleinert. Stattdessen wollen Sie die Zahl der richterlichen Mitglieder im Richterwahlausschuss vergrößern. Dieses Gremium würde um sechs Personen erweitert werden. Ich muss schon sagen, das halte ich nicht für zwingend und klug.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Niemand behauptet, dass es zwingend ist! Vielleicht ist es eine gute Idee!)

Sie haben außerdem in Ihrem Antrag davon gesprochen, Funktionsstellen künftig auf Zeit zu vergeben. Hier muss ich Ihnen einen Hinweis geben;denn die Landesregierung braucht hier nicht lange zu prüfen. Ich kann es Ihnen gleich sagen: Das war nicht Gegenstand der Föderalismusreform. Das ist nach wie vor Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Wenden Sie sich an Ihre Kollegen im Deutschen Bundestag. – Ich halte es aber auch in der Sache für falsch.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie befristen die Gesetze, aber nicht die Posten!)

Ich halte es in der Sache deshalb für falsch, weil Sie das mit einer Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit

apostrophieren. Ich bitte Sie, wenn ich auf Zeit gewählt bin und wiedergewählt werden möchte, dann kann ich mich unter Umständen unter Druck befinden. Das kann der richterlichen Unabhängigkeit sicherlich kaum dienlich sein.

(Nicola Beer (FDP): Es geht doch um Funktionsstellen!)

Liebe Frau Kollegin Beer, ich will auf Ihren Änderungsantrag zu sprechen kommen. Er hat mich einigermaßen erstaunt. Ich glaube, auch er macht den Antrag der GRÜNEN nicht besser, im Gegenteil.Wir haben zurzeit die Situation im Richterwahlausschuss, wenn es einen problematischen Fall gibt, bei dem man sich nicht sofort auf eine Entscheidung verständigen kann, dass sogenannte Unterausschüsse gebildet werden. Das kommt nicht sehr häufig vor, aber es kommt vor. Dort besteht die Möglichkeit, Frau Kollegin Hofmann, sich die Kandidaten persönlich anzuschauen. Von daher, meine ich, hat sich auch dieses Institut bewährt.Zusätzlich Einigungsstellen einzurichten hilft in der Sache auch nicht weiter.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich bin bei meiner letzten Bemerkung, Herr Präsident. – Ich wundere mich schon etwas, dass plötzlich dringender Änderungsbedarf gesehen wird, und frage mich, warum Rot-Grün dies nicht von 1991 bis 1999 in Angriff genommen hat.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach du liebe Zeit!)

Dort hat man offensichtlich keinen Änderungsbedarf gesehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Gegensatz zu Ihnen sind wir in der Lage, hinzuzulernen!)

Das Wort hat Frau Abg. Beer für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Unabhängigkeit der dritten Gewallt ist ein hohes Gut. Ich glaube, diesen Satz kann jeder in diesem Hause unterschreiben, jedenfalls hoffe ich das sehr. Allerdings lohnt es sich,immer wieder darüber nachzudenken,ob auf diese Unabhängigkeit auf dem einen oder anderen Wege Einfluss genommen wird.Nun werden wir alle darin übereinstimmen, dass es einen direkten Einfluss, einen sichtbaren Einfluss aufgrund der Regularien sicherlich nicht gibt.Aber dem einen oder anderen von uns begegnen immer wieder Fälle, bei denen man sich überlegen kann, ob es an dem einen oder anderen Punkt immer noch zu 150 % so der Fall ist, wie es laufen sollte.

(Zuruf der Abg. Eva Kühne-Hörmann (CDU))

Herr Kollege Axel Wintermeyer, ich glaube, dass es gerade vor dem Hintergrund des hohen Gutes der Unab

hängigkeit der Justiz immer wieder des Schweißes der Edlen wert ist,zu schauen,wo die Unabhängigkeit besonders gefährdet werden könnte. Das steht meist in Zusammenhang mit Geldern und Personalentscheidungen.

Von daher hat die FDP-Fraktion nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern auch schon in den zurückliegenden Legislaturperioden ein besonderes Augenmerk genau auf diesen Punkt gehabt. Ich freue mich sehr, dass die Fraktion der GRÜNEN in diese Richtung stößt, die wir schon länger verfolgt haben, und diesen Antrag eingebracht hat, gerade auch weil eines der Kernstücke dieses Antrags die Beförderung von Richterinnen und Richtern in unserem System betrifft. Die GRÜNEN fordern in ihrem Antrag, diese Kompetenz auf den Richterwahlausschuss zu übertragen.

Die FDP-Fraktion hat im Hessischen Landtag solch eine Initiative bereits in der 14. Wahlperiode ergriffen. Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie brauchen also gar nicht bis nach Spanien zu blicken, um eine solche Initiative zu entdecken.Wir hatten bereits 1998 – Frau Kollegin Zeimetz, Sie haben zu Recht angesprochen,warum das nicht schon früher gemacht worden ist – einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht,in dem sich auch die anderen Punkte wiederfinden, die wir jetzt als Änderungsantrag zum Antrag der GRÜNEN vorgelegt haben. Damals war sicherlich auch die CDU dagegen, aber zu Zeiten von Rupert von Plottnitz als Justizminister leider auch die GRÜNEN und die SPD.

Von daher ist hier ein Wandel bei der grünen Fraktion zu verzeichnen. Herr Kollege Dr. Jürgens, wir freuen uns sehr, dass Sie jetzt mit uns einer Meinung sind, dass da, wo es um Personalentscheidungen geht, der Richterwahlausschuss das richtige Gremium ist, also nicht nur bei der Einstellung und der Berufung auf Lebenszeit, sondern auch bei den Beförderungen.

Frau Kollegin Zeimetz, ich konnte Ihre Ausführungen zu den Funktionsstellen nicht ganz nachvollziehen. Letztendlich glaube ich nicht, dass es hier darum geht, jemanden in seiner richterlichen Tätigkeit unter Druck zu setzen. Aber die Befristung solcher Funktionsstellen betrifft den Verwaltungsteil der Aufgabe, die z. B. in einer Präsidentenfunktion übertragen wird.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Ja, und?)

Wir benutzen die Befristung solcher Funktionsstellen in anderen Teilen der Landesverwaltung mit Erfolg.Von daher glaube ich, dass man das auch an dieser Stelle andenken sollte.

Dass wir den Antrag der GRÜNEN gerne erweitert sehen würden, z. B. darum, dass sich der Richterwahlausschuss seinen Vorsitzenden selbst wählen sollte, oder auch um die Öffentlichkeit der Sitzungen außer bei Personalberatungen, wo das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geht, werde ich jetzt nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Herr Dr. Jürgens, ich kann Ihnen auch eines versichern. Wenn wir uns im Ausschuss verständigt haben, was Sie mit den Angelegenheiten des Präsidialrats meinen, ob das wirklich sämtliche Angelegenheiten des Präsidialrats sind, die zukünftig von Justizministerium und Richterwahlausschuss gemeinsam zu behandeln sind, dann würde sich der Vorschlag einer Einigungsstelle an dieser Stelle erübrigen, weil das von Ihrer Formulierung umfasst wäre. Darüber kann man also reden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Punkt. Wenn wir heute die Reise des Rechtsausschusses