Protokoll der Sitzung vom 30.05.2007

(Beifall bei der SPD )

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 14 Tage zusätzliche Arbeitsbelastung für Hessens Polizeibeamte, die im

Schichtdienst arbeiten: Das ist nichts, wofür man dollen Beifall bekommen kann. Die hessischen Polizeibeamten haben in den letzten Jahren 250 Millionen c Einsparung erwirtschaften müssen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Wie sieht es bei den Lehrerinnen und Lehrern aus? Sie haben ebenfalls finanzielle Einbußen, und sie mussten rund eine Milliarde Stunden Mehrarbeit erbringen. Meine Damen und Herren, deswegen bleibt es dabei: Es ist schlichtweg eine Unverschämtheit, wenn Sie sich heute für eine angeblich wegweisende Einigung mit dem Beamtenbund feiern lassen wollen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ärgert Sie!)

Das ist Lobhudelei ohne sachliche Rechtfertigung. Das ist die Realität.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses angeblich tolle Ergebnis, verhandelt mit dem Beamtenbund, der nach eigener Auskunft immerhin rund ein Drittel der hessischen Beamten vertritt – es gibt anscheinend doch noch mehr –, bleibt weit hinter den bundesweit getroffenen Vereinbarungen zurück. Es bleibt zunächst bei der 42-Stunden-Woche. Herr Beuth, was ist an dieser Regelung familienfreundlich? Was ist an der 42Stunden-Woche familienfreundlich? Eher wenig bis gar nichts – um das ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Die vorgesehene Besoldungserhöhung bleibt 0,6 Prozentpunkte unter der Tarifeinigung in der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder. Meine Damen und Herren, nein, diese Landesregierung, der verantwortliche Innenminister, betreibt nach wie vor eine Personal- und Tarifpolitik nach Gutsherrenart. Das ist der falsche Ansatz. Deshalb muss es geändert werden.Wir sagen: Es war und es ist ein Fehler, aus der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder auszusteigen. Diese Maßnahme werden wir korrigieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das hat kein Bundesland gemacht. Berlin ist zwar ausgetreten. Berlin hat aber eine eigene Vereinbarung mit ver.di geschlossen. 14 Länder sind in der Tarifgemeinschaft, Hessen nicht. Seit dem Jahre 2004 haben wir in Hessen doch ein Tarifchaos. Nun eine Einkommenserhöhung um 2,4 %: alles ganz toll.

(Rafael Reißer (CDU): Ja!)

„Richtig“ sagen Sie. – Herr Beuth hat von der Vergangenheit geredet: Ich glaube, der Länderfinanzausgleich wurde erst 1999 eingeführt. Nach den Worten des Kollegen Beuth musste Hessen vorher nichts in den Länderfinanzausgleich zahlen.Als davon die damaligen Finanzminister von Rot-Grün gesprochen haben, war Ihre Stellungnahme: Das interessiert uns alles nicht. Sie sind für Hessen verantwortlich. – So schnell vergisst man die Realität.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): So ist es! – Michael Boddenberg (CDU): Kennen Sie die Zahlen, Herr Kollege?)

Seit 2004 ist das Urlaubsgeld in Höhe von 255 c gestrichen. Das Weihnachtsgeld wurde gekürzt. Das entspricht einer Gehaltskürzung um rund 2 %. Die Erhöhung der Arbeitszeit entspricht einer Gehaltskürzung um rund 9 %. Die letzte Besoldungserhöhung für die hessischen Beamten gab es im Jahre 2004. In den Jahren 2006 und 2007 gab es eine Almosenzahlung. Das haben auch die hessischen Bediensteten erkannt. Jetzt rücken die Wahlen näher. Meine Damen und Herren, deswegen wird die CDU aktiv.

Herr Koch, Herr Bouffier, wie war das noch vor der Landtagswahl 2003? „Mit uns wird es keine Sonderopfer für hessische Beamte geben.“ Nach der Wahl, unverdient gewonnen: Wortbruch gegenüber den hessischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ein schöner Demokrat sind Sie! – Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Sehen Sie, ich nehme Ihre Zurufe als empörte Reaktion. Sie wissen,Sie sind getroffen.Jawohl,wir haben Sie an der Stelle erkannt. Herr Wagner, denken Sie immer an Wintershall; das ist eine bedeutende Firma in Kassel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hessen verlangt nach wie vor die höchste Wochenarbeitszeit. Hessen ist auch bei den Pflichtstunden der Lehrer bundesweit an der Spitze.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

All das sind keine Ruhmestaten. Meine Damen und Herren, was soll diese Lobhudelei in dem Entschließungsantrag der CDU? – Die Mitarbeiter mussten in den vergangenen Jahren für die falschen politischen Weichenstellungen büßen.

Nun kommen wir zu der Vereinbarung mit dem Deutschen Beamtenbund. Warum schließt man nur mit dem Beamtenbund etwas ab? Auch in ver.di sind viele hessische Landesbeamte organisiert.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Wie viel Prozent?)

„Wie viel Prozent?“ – Beim Beamtenbund haben wir gesagt: ein Drittel. Herr Klein, Sie waren zu feige, zur Demonstration des DBB zu gehen.Da gab es T-Shirts mit der Aufschrift: „Verkocht“.Vielleicht hat Herr Spieß das vergessen. „Verkocht“, und auch die Landesbeamten im DBB waren empört über die Tarif- und Besoldungspolitik dieser Landesregierung. Offensichtlich haben sie sich von Ihnen wieder täuschen lassen. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Bouffier, wie war das denn? Laut Mitteilung des DGB haben Sie im Sommer, am 30.08., in einem Spitzengespräch – es ist auch öffentlich geworden; deswegen zitiere ich es Ihnen – mit dem DGB gesagt:„Ich sichere dem DGB eine qualifizierte Beteiligung bei beamtenpolitischen Fragen zu.“ Wie sieht das aus?

(Norbert Schmitt (SPD): Die Unwahrheit!)

Am 15.05.haben Sie etwas verkündet.Am 16.05.gab es einen sogenannten Dienstrechtsreformkongress der Landesregierung. Das macht man so vor den Wahlen, weil man viel mitzuteilen hat – angeblich.Ein paar Tage vorher

haben wir einen Dringlichen Berichtsantrag im Innenausschuss gestellt.Es gab nicht eine einzige konkrete Aussage des Innenministers. Wir haben gefragt: Wie halten Sie es mit der Wochenarbeitszeit? Was ist mit der Besoldungserhöhung? – Dazu gab es nichts im Innenausschuss. Das Einzige, was der Innenminister konkret gesagt hat: Meine Damen und Herren von der SPD, es ist doch ganz klar: Rente mit 67 bedeutet auch längere Arbeitszeit für Beamte bis 67. – Das war die einzig konkrete Aussage. Ein paar Tage später versucht man, dies zu machen. Herr Koch, es ist ein bisschen schiefgelaufen – Herr Metz wird Ihnen das bestätigen –, weil just an dem Tag Herr Corts seine Demission bekannt gegeben hat. Deswegen ist das ein bisschen untergegangen. Das war Pech für Sie. Aber immerhin, auch solche inszenierten Schauspiele gelingen Ihnen schon nicht mehr richtig.

(Beifall bei der SPD)

Dann stellt sich Herr Beuth hierhin und sagt, ver.di und der DGB seien beleidigt. Sie haben sie ausgegrenzt. Wer hat Sie denn in der Vergangenheit daran gehindert,gegenüber dem DGB konkrete Verhandlungsangebote zu unterbreiten? Warum führen Sie nicht ordentliche Tarifverhandlungen und sagen: „Das ist unser Angebot“? Dann mögen die Gewerkschaften darüber beraten und entscheiden. Auch das gehört zur Tarifautonomie. Seit zwei, drei Jahren gibt es nichts. Es gibt erste zaghafte Gespräche. Sie schaffen gegenüber den Gewerkschaften ein Vertrauensklima, das gegen null geht. Dann beschweren Sie sich, wenn die Gewerkschaften sagen, das ist eine Politik nach Gutsherrenart. Das ist nicht in Ordnung.

Meine Damen und Herren,die hessischen Mitarbeiter der Landesverwaltung wollen keine Almosen und keine Alimente. Sie wollen eine Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung. Ja, die Steuereinnahmen sind in den letzten Jahren zurückgegangen. Das ist richtig. Wir brauchen Steuereinnahmen – im Gegensatz zu anderen, die etwas auf dem Bierdeckel machen; aber die gibt es gar nicht mehr.Gut.Jedenfalls brauchen wir zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben Steuereinnahmen. Die Mitarbeiter haben ein Anrecht darauf, an der allgemeinen Erhöhung teilzunehmen. Das ist gut so, weil die Mitarbeiter Einbußen erlitten haben. Sie wollen in Hessen endlich als gleichberechtigte Partner im öffentlichen Dienst ernst genommen werden.

Meine Damen und Herren, die 42-Stunden-Woche ist und bleibt falsch. Herr Koch, Herr Bouffier, Sie haben einen Landesbrief geschrieben. Darin machen Sie objektiv falsche Aussagen.In dem Brief steht,mit dieser einen Stunde könnte man sich angeblich ein Lebenszeitkonto einrichten. Sie sagen, damit wolle man einen früheren versorgungsunschädlichen Austritt ermöglichen. Richtig ist:Wer heute vor der Vollendung seines 65. Lebensjahres als Beamter in den Ruhestand geht,muss Versorgungsabschläge hinnehmen. Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie das Gesetz ändern. So, wie es derzeit ist, geht es nicht. Das haben Sie nicht in dem Brief geschrieben. Auch das ist eine erneute Mogelpackung.

(Ministerpräsident Roland Koch: Das ist Unsinn! – Norbert Schmitt (SPD): Herr Koch sagt: „Unsinn“, Herr Bouffier nickt! – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Bouffier nickt, Sie sagen, das sei Unsinn. Werden Sie sich erst einmal einig.Was stimmt denn nun?

Nein, Sie wollen die Mitarbeiter hinter das Licht führen. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Schauen Sie sich die Reak

tionen in der hessischen Landesverwaltung an. – Herr Koch, das ist Ihr Brief. Er ist objektiv falsch.

(Ministerpräsident Roland Koch: Der Brief ist schon richtig!)

Das sagen Sie zu allem, was Sie machen. Die Wähler nehmen es mittlerweile nicht mehr so ernst,was Sie sagen.

Meine Damen und Herren, nein, Sie versuchen, den hessischen Landesbediensteten Sand in die Augen zu streuen. Sie haben ein schlechtes Gewissen. Herr Beuth hat es eben vorgemacht. Jetzt haben Sie Angst vor dem 27. Januar. Denn viele Mitarbeiter in der hessischen Landesverwaltung sagen: „Wir sind von dieser Landesregierung belogen worden. Es muss wieder eine ehrliche, anständige Tarif- und Personalpolitik in Hessen her.“ Das ist der entscheidende Punkt. Davor haben Sie Angst. Dafür haben Sie übrigens zu Recht Angst.

(Beifall bei der SPD)

Da hilft es Ihnen auch nicht, zu versuchen, Nebelkerzen zu werfen. Sie haben falsche Weichen gestellt. Die Mitarbeiter mussten finanzielle Einbußen hinnehmen. Sie haben Mitbestimmungsrechte abgebaut. Mitbestimmung gibt es in Hessen vom Grundsatz her gar nicht mehr. Denn Sie wollen sämtliche neuen Steuerungsmodelle ohne die Mitarbeiter umsetzen. Sie sind auch höchst erfolgreich. Gestern haben wir in der Fragestunde festgestellt, dass Sie noch nicht einmal mitteilen können, wie viele Mitarbeiter auf eine Höhergruppierung verzichten.

Es gibt eine Datenfülle, die man gar nicht vernünftig bewerten und bearbeiten kann. Aber immerhin haben wir dafür SAP. Viele Bundesländer finden das gar nicht so toll. Der Rechnungshofbericht aus Baden-Württemberg zeigt, dass es dort offensichtlich viele Mängel gibt.

Falsch ist auch, dass Sie ganz konsequent die Zersplitterung des öffentlichen Dienstes vorantreiben. Sie schaffen völlig unterschiedliche Strukturen. Wir haben Tarifbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. 18.500 Mitarbeiter in der Landesverwaltung arbeiten jetzt 42 Stunden pro Woche. Wir haben Beamte mit einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden und, wenn sie über 50 Jahre alt sind,von 41 Stunden.Das heißt,es gibt einen Unfrieden in der Verwaltung. Das ist nicht gut. Das macht auch keinen Sinn. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das trägt nicht zum Frieden in der Landesverwaltung bei. Sie wollen den öffentlichen Dienst bewusst auseinanderdividieren.

Das, was Sie mit dem Beamtenbund angeblich verhandelt haben,ist schon höchst merkwürdig.Das merken wir auch an der Reaktion.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Nein, Ihre Tarif- und Besoldungspolitik, für die Sie verantwortlich sind, ist schlicht und ergreifend gescheitert.

Herr Beuth, ich freue mich, dass Sie in das Landtagswahlprogramm der SPD hineingeschaut haben.