Protokoll der Sitzung vom 30.05.2007

Herr Beuth, ich freue mich, dass Sie in das Landtagswahlprogramm der SPD hineingeschaut haben.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Aber Sie wissen ganz genau, dass wir da ebenfalls gesagt haben, dass wir nicht wie Sie Wolkenkuckucksheime versprechen können. Wir werden sehr konkrete Aussagen machen. Denn wir werden auch gefragt, wie wir es mit der Wochenarbeitszeit und mit der Besoldung halten. Wir wollen,dass das seriös finanziert wird und auch nach einer erfolgreichen Wahl Bestand hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Birgit Zei- metz-Lorz (CDU))

Wir wollen nicht Ihre Fehler machen, und wir wollen die Mitarbeiter in der hessischen Landesverwaltung nicht bemogeln, wie Sie das getan haben. Deswegen gibt es dazu konkrete Aussagen.

Nein, wir fordern diese Landesregierung auf, die Tarifautonomie, die verfassungsrechtlich geschützt ist, endlich ernst zu nehmen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Tarifpolitische Verhandlungen dürfen auch nicht durch Vorfestlegungen, wie wir es in dem CDU-Antrag finden, beeinträchtigt werden. Das konterkariert den Sinn von Tarifverhandlungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese angeblich tolle Vereinbarung, die Sie mit dem Beamtenbund getroffen haben, ist eine schöne Mogelpackung. Es streut den Bediensteten Sand in die Augen. Das sehen viele der Bediensteten so. Selbst der Beamtenbund hat gesagt: So ganz doll ist das nicht, aber besser als gar nichts. – Das kann man einerseits verstehen. Andererseits ist es für die Beschäftigten insgesamt eine sehr unbefriedigende Situation, wenn man den öffentlichen Dienst auseinanderdividiert.

Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist kein Grund für die Lobhudelei in diesem Antrag, sondern es ist das Ergebnis einer verfehlten Politik. Die Rede des Kollegen Beuth war auch so angelegt. Er hat sich erstens für die vielen Missetaten entschuldigt. Zweitens hat er gesagt, dass die fehlenden Steuereinnahmen schuld sind. Drittens hat er darauf hingewiesen, dass es einen Länderfinanzausgleich gibt.

(Norbert Schmitt (SPD):Viertens gibt es bald Wahlen!)

Eigentlich versteht man nicht, warum diese Landesregierung doch nur Gutes tut. Nein, meine Damen und Herren, auch das ist ein erneuter Beleg für das Versagen dieser Landesregierung. Wir werden – es gibt die entsprechenden Aussagen;das werden wir im Wahlkampf deutlich machen – Tarifpartnerschaften ernst nehmen und die Mitarbeiter auf dem Weg mitnehmen.

Deswegen reden wir jetzt auch, bevor wir Ergebnisse verkünden, mit Tarifpartnern, mit Gewerkschaften, und versuchen, einen Ausgleich hinzubekommen. Klar ist auch: Alles auf einmal wird nicht gehen. Das wissen auch die Gewerkschaften. Sie wollen ernst genommen werden.Wir brauchen einen Einstellungskorridor. Wir brauchen Auszubildende in den öffentlichen Verwaltungen. All das haben Sie in den letzten Jahren an die Wand gefahren. Sie sind gescheitert zulasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch das werden wir ändern. Ich bin sehr zuversichtlich.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ihre Reaktion zeigt mir: Sie haben nichts gelernt. Herr Wagner, immer schön an Wintershall denken, eine bedeutende Firma in Kassel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Frömmrich, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es wieder einmal mit einem von der CDU vorgelegten Jubelantrag zu tun, der versucht, aus der Vereinbarung mit dem Beamtenbund politischen Nektar zu saugen.Wir haben in der letzten Sitzung erlebt,wie ein Jubelantrag der CDU voll versenkt worden ist.Herr Kollege von Hunnius hat das gemacht. Herr Kollege Beuth, Sie hätten sich ein Beispiel daran nehmen sollen; denn das, was Sie hier vorgetragen haben, war eines Jubelantrags nicht wert.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Vielmehr war es ein ganz durchsichtiges Manöver,was Sie hier gemacht haben. Sie haben den Versuch unternommen, Ihren Umgang mit den Beamtinnen und Beamten, mit dem Personal in den letzten Jahren zuzukleistern. Aber das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dass die hessischen Beamten wieder an der Einkommensentwicklung teilnehmen, ist erst einmal grundsätzlich zu begrüßen. Die Art und Weise, wie diese Vereinbarung zustande gekommen ist, und die Details aus dieser Vereinbarung geben aber Anlass zur Kritik.

Acht Monate vor der Landtagswahl fällt der CDU auf, dass die 97.000 Beamten und die 58.000 Versorgungsempfängerinnen und -empfänger wieder Wählerinnen und Wähler sind. Acht Monate vor der Landtagswahl wächst die Erkenntnis bei der CDU, dass auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes nicht dauerhaft von der Einkommensentwicklung abgekoppelt werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz zufälligerweise wird vereinbart, dass am 1. November 2007 eine Einmalzahlung an die hessischen Beamtinnen und Beamten überwiesen werden soll. Dass das nichts mit der Landtagswahl 2008 zu tun hat, das glaubt Ihnen keiner. Das ist ein ganz klares Manöver, Sie veranstalten ein ganz klares Wahlmanöver.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach Jahren der Konfrontation in der Personalpolitik gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,nach der „Operation düstere Zukunft“, nach der Streichung des Urlaubsgelds, nach der Kürzung des Weihnachtsgelds, nach der Einführung der 42-Stunden-Woche, nach Geldeinbußen für die Beamtinnen und Beamten in der Größenordnung von 12,5 % entdecken der Ministerpräsident, der Innenminister und die CDU die hessischen Beamtinnen und Beamten wieder. Das hatten wir aber schon vor der letzten Landtagswahl. Sie werden sich erinnern. Der Ministerpräsident dieses Landes hat damals versprochen, dass es mit ihm keine Sonderopfer für Beamtinnen und Beamte gibt. Nach der Landtagswahl ist aber nach dem Motto verfahren worden: „Was kümmert mich eigentlich das Geschwätz von gestern?“ Diese Landesregierung hat dann beschlossen: Urlaubsgeld weg,Weihnachtsgeld gekürzt und Mehrarbeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt wird wieder der Versuch unternommen,kurz vor der Wahl das Personal friedlich zu stimmen. Dieser Versuch wird Ihnen aber nicht gelingen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dieses Manöver ist leicht zu durchschauen, und die Beamtinnen und Beamten in Hessen sind klug genug und werden auf dieses Wahlkampfmanöver nicht hereinfallen.

Die Art und Weise, wie die Vereinbarung zustande gekommen ist, zeigt auch, dass Sie nicht bereit sind, einen ernsthaften Diskurs mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit allen Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern, also auch mit den Gewerkschaften, zu führen. Sie haben einen Weg gewählt, der nicht auf Konsens und Dialog setzt, sondern der auf Konfrontation angelegt ist. Sie verhandeln nur mit dem Beamtenbund. Der Beamtenbund vertritt ein Drittel der Beamtinnen und Beamten. Gewerkschaften wurden in diesem Prozess ausgegrenzt. Die Gewerkschaft der Polizei saß z. B. nicht am Tisch, obwohl viele Beamtinnen und Beamte bei der Gewerkschaft der Polizei organisiert sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber die wurden von Ihnen, Herr Innenminister, schon einmal vorsorglich als Krawallmacher bezeichnet.Wir erinnern uns an die Demonstration in Baunatal.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft saß nicht am Tisch, obwohl viele Lehrerinnen und Lehrer in dieser Gewerkschaft organisiert sind. Aber die haben auch gegen die Unterrichtsgarantie plus und das, was Sie in der Bildungspolitik gemacht haben, engagiert gearbeitet und haben diese Landesregierung kritisiert.

Ver.di saß nicht am Tisch, obwohl viele Beamtinnen und Beamte bei der Gewerkschaft ver.di organisiert sind. Aber die haben im Zusammenhang mit Ihren Änderungen des Hessischen Personalvertretungsgesetzes diese Landesregierung auch kritisiert.

All diese Gewerkschaften waren kritisch. Sie werden einfach nicht eingeladen. Mit ihnen wird nicht geredet. Herr Innenminister, Herr Ministerpräsident, Sie setzen auf Konfrontation.Sie wollen nicht den Diskurs und den Meinungsaustausch mit den Gewerkschaften und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Minis- ters Volker Bouffier)

Der Ministerpräsident und der Innenminister schreiben an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,...die Hessische Landesregierung hofft, mit den Gewerkschaften – auf der Grundlage des im Beamtenbereich erzielten Einvernehmens – auch für die Tarifbeschäftigten zu einer zukunftsfähigen Lösung kommen zu können...

Das ist schlichtweg eine Frechheit und zeigt, welches Verständnis Sie von Verhandlungen haben: eben nicht verhandeln auf Augenhöhe, sondern verhandeln nach Gutsherrenart, wie Sie in den letzten Jahren hier Personalpolitik gemacht haben. Das ist genau die Art und Weise des Umgangs mit dem Personal, die Sie in den letzten Jahren an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schauen wir uns einmal die Ergebnisse der Verhandlungen an. Die Arbeitszeit bleibt bei 42 Stunden in der Woche. Die Beamtinnen und Beamten, die zurzeit 42 Stunden arbeiten müssen, erhalten die Möglichkeit, ein Lebensarbeitszeitkonto einzurichten, auf das die Differenz zwischen 41 und 42 Wochenstunden, also eine Stunde, gebucht werden kann. Alle Beamtinnen und Beamten, die das 51. Lebensjahr erreicht haben, sind von dieser Regelung vollkommen ausgenommen. Die können auf dieses Lebensarbeitszeitkonto nichts einzahlen. Die sind bei der Lebensarbeitszeit gar nicht mit im Boot.

Was hat der Beamtenbund immer gefordert? Herr Kollege Rudolph hat es vorhin gesagt.Wir erinnern uns auch an die Demonstrationen des Beamtenbundes hier in Wiesbaden. An dem Punkt wurde immer gesagt: Die Arbeitszeit muss wieder herunter. Der Beamtenbund hat auch immer wieder gesagt: Vernünftige Tarifverhandlungen, zurück in die Tarifgemeinschaft der Länder. „TVL übertragen jetzt“, stand auf den T-Shirts bei den Demonstrationen.Weiter war zu lesen:

Es stimmt nicht, dass man viele Köche braucht, um den Brei zu verderben.Manchmal reicht auch einer. Überall in Deutschland gelten für den öffentlichen Dienst inzwischen moderne Tarifverträge. Nur die Hessische Landesregierung unter Roland Koch verhindert bisher mehr Flexibilität, mehr Mobilität und Leistungsfähigkeit im öffentlichen Dienst. Aber auch Hessen hat ein modernes Tarifrecht verdient.

Das war ein Zitat aus den Aufrufen des Beamtenbundes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist aus den modernen Ansätzen geworden, die vom Beamtenbund gefordert worden sind? Nichts ist in dem zu lesen, was Sie vereinbart haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist aus der Leistungskomponente geworden? Man kann viel über den TVöD und den TVL streiten. Was ist z. B. aus den modernen Komponenten geworden? Was ist aus der Leistungskomponente geworden, Herr Minister? Was ist aus der Flexibilisierung der Arbeitszeit geworden? Was ist aus echten Arbeitszeitkonten geworden? Was ist aus strukturellen Veränderungen bei der Bezahlung, beim Aufstieg oder beim Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft geworden?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesen Bereichen ist einfach nur Fehlanzeige zu verzeichnen in Ihrer Vereinbarung mit dem Beamtenbund.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe vorhin schon einmal die Tarifabschlüsse zitiert. Man kann darüber unterschiedlicher Auffassung in der Bewertung sein. Aber ich zitiere einmal den Kämmerer der Stadt Frankfurt nach dem Tarifabschluss des TVL. Herr Hemzal, der Stadtkämmerer von der CDU, der als Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände an den Verhandlungen in Potsdam beteiligt war, nannte das Ergebnis epochal: „Durch den Umstieg vom bisherigen Bundesangestelltentarif auf ein modernes Tarifwesen für den öffentlichen Dienst wurden alte Zöpfe abgeschnitten.“

Davon ist in den Vereinbarungen,die Sie getroffen haben, nichts zu lesen, aber auch gar nichts.