Herr Kollege Reißer und Herr Corts, ich möchte Ihnen Folgendes sagen. Denn Herr Corts hat ähnlich argumentiert. Ja, das TUD-Gesetz wurde hier einstimmig beschlossen. Wir haben uns hier in mehreren Runden von Obleutegesprächen sehr lange zusammengesetzt und haben über die unterschiedlichen Vorstellungen über autonome Hochschulen gerungen. Gewiss, wir haben dann Einigkeit hergestellt.Aber diese Einigkeit war ein Kompromiss. Wir GRÜNEN haben dabei immer wieder betont – das können Sie auch anhand unseres vorgelegten Antrags zur Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes sehen –: Wir haben eine vollkommen andere Vorstellung hinsichtlich der Autonomie der Hochschulen.Wir wollen, dass die Demokratie in die Hochschule hineingegeben wird.
Herr Corts, Sie hatten, nachdem kein Präsident für die Technische Universität Darmstadt gewählt wurde, nichts Besseres zu tun, als zu sagen: Na ja, das war jetzt nicht so toll,aber die Opposition ist mit daran schuld.– Ehrlich gesagt: Das war schon ein bisschen lächerlich.
Doch, natürlich haben Sie das gesagt. Das stand doch in der Presse. Ich glaube, das entstammt sogar einer Pressemitteilung.
Ich kann Ihnen das gerne gleich heraussuchen. Ich habe es auf dem Tisch dort liegen. Ich zeige Ihnen das gleich.
Gewiss, wir alle wollen die autonomen Hochschulen. Der Unterschied zwischen uns GRÜNEN und den Mitgliedern der Landesregierung besteht aber darin, dass wir zwar die Hochschulen in die Verantwortung nehmen wollen, dass wir aber Politik und Öffentlichkeit nicht aus der Verantwortung entlassen wollen.
Wir GRÜNEN haben eine vollkommen andere Vorstellung hinsichtlich autonomer Hochschulen. Unserer Vorstellung nach muss der Abgabe staatlicher, also auch de
mokratischer Kontrolle eine erhöhte Demokratie und eine größere Transparenz der Entscheidung in den Hochschulen gegenüberstehen. Eine Übergabe der Kompetenz, die Entscheidungen zu treffen, an den Hochschulrat weist genau in die falsche Richtung. Genau das hat auch die kürzlich stattgefundene Anhörung zur Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes und zum Gesetzentwurf für die Stiftungsuniversität Frankfurt ergeben.
Zum einen müssen die Entscheidungen, die die Hochschule betreffen, in den Gremien der Hochschule getroffen werden. Der Hochschulrat ist aber ein außen stehendes Gremium.Zum anderen setzt er sich aus ehrenamtlich tätigen Menschen zusammen, die oft in ihren eigentlichen Berufen sehr stark eingebunden sind. Sie sind deshalb aus zeitlichen Gründen gar nicht in der Lage, all die Entscheidungen zu treffen, die auf sie übertragen werden sollen.
Das haben wirklich alle Anzuhörenden, die sich auf die Rolle des Hochschulrats bezogen haben, in der Anhörung bestätigt. So sagte z. B. Herr Dr. Lüthje – das ist einer der Experten –:
Bei der Auswahl einer Hochschulleitung sollte die Mitwirkung des Hochschulrats lediglich in der Bestätigung eines Vorschlags bestehen, der von einem Selbstverwaltungsorgan der Hochschule kommt.
Er meint damit also den Senat oder ein anderes Gremium entsprechend der Grundordnung. – Er sagt weiterhin, das Initiativrecht des Hochschulrats hinsichtlich der Auswahl habe sich nicht bewährt und zu erheblichen Problemen geführt, insgesamt müsse das Wahlverfahren der Hochschulleitung eine klare und vorrangige Legitimation durch die Selbstverwaltung der Hochschule verschaffen; sei dies nicht gesichert,würden die Handlungsmöglichkeiten der Hochschulleitung im Amt eher geschwächt.
Diese Auffassung wird auch von Herrn Prof. Brandt geteilt, der dort für die Senatskommission zur Umwandlung der Universität Frankfurt in eine Stiftungsuniversität gesprochen hat. Diese Kritik wurde auch vom Präsidenten der Universität Frankfurt massiv unterstützt.
Diese Kritik war so eindringlich, dass der Senat der Universität Frankfurt bei der Auswertung der Anhörung, die gleich am Tag danach stattgefunden hat, beschlossen hat, die Regelung der Beschneidung der Kompetenzen des Senats bei der Präsidentenwahl abzulehnen. Ich zitiere jetzt aus einer Pressemitteilung des AStA der Universität Frankfurt zu dieser Entscheidung hinsichtlich der Kompetenzen des Senats. Da heißt es:
Am heutigen Mittwoch, dem 20. Juni 2007, beriet der Senat der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt unter anderem über die Ergebnisse der Anhörung vor dem Wissenschaftsausschuss. Dabei konnten einige Mitglieder des Senats von der breiten öffentlichen Kritik an wesentlichen Punkten des Gesetzentwurfs berichten. Bei der anschließenden Debatte wurde vor allem in dem Punkt der Übertragung des Findungsprozesses der Kandidaten für das Präsidentenamt auf den Hochschulrat die Kritik größtenteils geteilt.
Auf Vorschlag des renommierten Juristen Prof. Dr. Wieland wurde über den im Gesetzentwurf vorgesehenen Rückschritt hinter den Istzustand bei der
Findung von Kandidaten für das Präsidentenamt diskutiert. Dabei wurde im Senat endlich die studentische Argumentationslinie aufgriffen, dass dieser in Zukunft entscheidende Kompetenzverlust eine eindeutige Schwächung bedeute. Diese unnötige und unter demokratischen Aspekten ungewünschte weitere Schwächung der Selbstverwaltung der Universität dürfte hiermit endgültig vom Tisch sein.
Der Senat beschloss mit einfacher Mehrheit die Forderung, weiterhin für die Findung von Kandidaten für das Präsidentenamt zuständig sein zu wollen und natürlich auch eigenständig eine Präsidentin oder einen Präsidenten zu wählen.
Dieses Beispiel zeigt, wie sich Positionen durchaus verändern können, wenn man bereit ist, hinzuhören und sich mit Problemen und den Positionen anderer auseinanderzusetzen. Der Wissenschaftsminister allerdings hört bei diesen Problemen wieder einmal einfach nicht zu, und das finde ich einmal mehr dramatisch.
Das Problem liegt auf der Hand:Alle, die damit zu tun haben, sind sich einig, und Sie lassen das Problem an sich abprallen – und das Ganze ohne Grund. Denn eine Erweiterung des Vorschlagsrechts auf den Senat würde wirklich niemandem einen Zacken aus der Krone brechen. Allein die ideologische Borniertheit der Landesregierung und der Hessen-CDU ist hier das Problem.
Meine Damen und Herren, das ist sehr schade, aber es spricht einmal mehr für sich. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Birgit Zeimetz- Lorz (CDU): Das ist unerhört!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Sorge, ich saß eben auf der Regierungsbank und sagte zu Herrn Banzer: Mal sehen, wie es ihr gelingt, bei einem Gesetzentwurf der SPD am Ende mich zu beschimpfen. – Kompliment, es ist Ihnen gelungen.
Ich will es relativ kurz machen. Herr Kollege Siebel, was Sie vorgelegt haben, ist nicht geeignet, und zwar aus vielerlei Gründen. Ich kann mich einigem anschließen, was der Kollege Reißer gesagt hat und auch was die Kollegin Beer gesagt hat: keine Detailsteuerung über das Gesetz.
Aber viel wichtiger ist eines. Sie haben Herrn Lüthje, einen Fachhochschulpräsidenten, und andere zitiert. Viel wichtiger ist, was das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2004 zum brandenburgischen Hochschulgesetz gesagt hat, als es darum ging, inwieweit extern besetzte Hochschul
räte zulässig sind.Ad 1. Sie sind zulässig, vom Bundesverfassungsgericht,unserem höchsten Gericht,so festgestellt.
Ad 2. Die zweite Hälfte des Hochschulrates wird nach einer durch die TUD selbst bestimmten Grundordnung bestellt.Ist das nicht demokratisch legitimiert,ist das nicht in Ordnung? Das frage ich mich, das verstehe ich nicht. Ich bin der Auffassung, wir haben hier ein Gesetz, das Bestand hat. Sowie es gerade einmal irgendwelche leichten Schwierigkeiten gibt, sagen Sie, wir müssten sofort das Gesetz ändern.
Wenn Sie sich die Geschichte der Hochschulpolitik in Hessen anschauen, werden Sie feststellen, dass es immer wieder Situationen gab, sei es in Marburg oder woanders gewesen, wo nicht sofort ein Präsident gewählt werden konnte. Ganz deutlich wurde das einmal bei der Musikhochschule in Frankfurt, wo mehrere Jahre ein Präsident nicht wählbar und damit nicht einsetzbar war. Haben wir damals irgendwelche Gesetze geändert? Ich erinnere mich nicht.
Sie wissen es noch sehr viel besser. Ich wusste die Zahl nicht, ich wollte es auch nicht im Einzelnen recherchieren lassen. – Das zeigt ganz deutlich den Ansatz, den Sie fahren: Ich nehme einen Baustein heraus und ändere eine Bestimmung. – Wenn Sie die Anhörung von damals noch einmal herausziehen, werden Sie feststellen, dass es auch ein bewusstes „Checks and Balances“ war, dass man nicht nur eine Sache herausnehmen und ändern kann und den Rest nicht ändert. Frau Kollegin Beer hat es ja gesagt.
Mit einem weiteren Punkt will ich es abschließen, weil wir gerade dabei sind. Wir sind gerade dabei, einen zweiten Versuch zu machen, und ich glaube, er wird uns gelingen. Gerade zur Stunde am 3. und 4. Juli werden die Kandidaten dem Hochschulrat vorgestellt; es sind vier interne und zwei externe. Danach wird am 12./13. Juli der Hochschulrat eine Entscheidung treffen und einen Vorschlag machen.Am 16. Juli gibt es eine Anhörung der Universitätsversammlung, und am 18. Juli wird die Wahl stattfinden.
Herr Siebel, ich habe mich genauso gestört wie Herrn Reißer, ohne dass ich mit ihm darüber gesprochen habe. Ihre Formulierung war „nicht demokratisch legitimiert“, und „der Hochschulrat hatte seine Finger im Spiel“. Damit wir wirklich darüber reden, welche großartigen Persönlichkeiten wir seinerzeit bei diesem TUD-Gesetz gewinnen konnten, möchte ich sie hier einfach einmal vortragen, damit der gesamte Landtag erfährt und erkennt, was Sie als „die Finger im Spiel“ bezeichnen.Wenn die gerade dabei sind, anzuhören, ihre Zeit dafür einzusetzen, einen Präsidenten zu suchen, und das über Tage, und am Ende Vorschläge machen, dann hoffe ich nur für Sie, lieber Herr Siebel, dass Sie denen parallel einen Brief geschrieben haben, um zu erläutern, dass es nicht gegen die zehn Mitglieder des Hochschulrates persönlich ging, sondern dass es Ihnen rein um die Struktur geht.
Aber ich will Ihnen kurz die Mitglieder des Hochschulrates nennen: Frau Prof.Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin; Carlo Giersch, ein großer Mäzen von Darmstadt und Frankfurt und Unternehmer; Peter Gruss, seit 2002 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft – ich erinnere immer an „die Finger im Spiel“ –; Dr. Jürgen Heraeus, Unternehmer in Hessen; Frau Traudl Herrhausen, eine ehemalige Kollegin von uns; dann Prof.
Osterwalder, Rektor der ETH Zürich; Herr Prof. Scheuble, ehemals Vorstandsvorsitzender von Merck und Merz; Prof. Schetter von Bilfinger + Berger, dort im Vorstand; und last, but not least der ehemalige Vorsitzende des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Prof.Wittig.
Lieber Herr Siebel, ich würde mich sofort hinsetzen und versuchen, einen Brief zu schreiben, um zu erläutern, worum es Ihnen ging. Damit sind Sie zwar gescheitert, aber Sie sollten sich persönlich entschuldigen.
So geht es nicht. Diese Persönlichkeiten setzen sich für unser Land, für unsere Technische Universität ein. Ich kann nur sagen: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück, er ist peinlich für Sie und die SPD. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch wenige Bemerkungen. Dass es auch in der reinen Gruppenuniversität nach der Gesetzgebung von 1972 solche Fälle gab