Protokoll der Sitzung vom 03.07.2007

Wir haben diesen Gesetzentwurf an die in der Praxis bereits bewährten gesetzlichen Regelungen anderer Bundesländer angelehnt. Ich nenne beispielsweise Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen.

Mit dieser Änderung des Nachbarschaftsrechts wird eine erhebliche Vereinfachung des Verfahrens zu erreichen sein.Was aber das Wichtigste ist:Wir können damit etwas Positives für den Klimaschutz und etwas gegen den Klimawandel tun.Als positiver Nebeneffekt werden dadurch Arbeitsplätze im Bauhandwerk geschaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, wir hoffen, dass auch im beginnenden Landtagswahlkampf eine solch einfache Möglichkeit zum Schutz des Klimas im Hessischen Landtag umgesetzt werden kann. Auf der Tagesordnung für Donnerstag findet sich Ihr Antrag zum Thema Energieeinsparung durch Effizienzoffensive. Ich denke, Ihre Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf würde Ihren Antrag glaubwürdiger machen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Danke schön, Frau Hammann. – Als Nächster hat Herr Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nach dem Beitrag von Frau Hammann relativ kurz fassen, weil Frau Hammann, wie ich meine, hinreichend das Problem beschrieben hat, mit dem der Gesetzentwurf umgeht, und in der Sache auch faktisch ein Problem besteht. Insoweit begrüßen wir den Gesetzentwurf ausdrücklich. Ob der vorgelegte Text abschließend alle Probleme regelt, ist noch nicht klar. Abstrakt liest er sich gut. Aber wir brauchen nicht viel Fantasie, um zu erkennen,dass das Nachbarschaftsrecht zur Schlichtung von Konflikten geschaffen wurde und gerade in Nachbarschaftsstreitigkeiten die Emotionen besonders hochgehen.Deswegen sollten wir im Rahmen einer Anhörung im Wirtschafts- und Rechtsausschuss, denn hier geht es explizit auch um baurechtliche Bestimmungen,und mit den zuständigen Ministerien – ich lege ausdrücklich Wert auf den Plural – präzise klären, welche Erfahrungen es in der Vergangenheit mit solchen Nachbarschaftsstreitigkeiten gegeben hat. Denn was Sie hier gerade als Bescheid formuliert haben, kann ich erst einmal nicht bestätigen.

Klar ist aber, dass es dort einen Regelungsbedarf gibt.Wir haben es außerdem mit einem relativ großen Problem zu tun, denn der Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsverhältnisse ist ein schwerwiegender. Es geht um die Abwägung gewichtiger Rechtsgüter. Deswegen sollten wir uns die Zeit nehmen, diese Frage im Rechtsausschuss zu klären. Ob das Nachbarschaftsrecht insgesamt einmal auf den Prüfstand gestellt werden sollte, sollten unsere Rechtspolitiker klären.

In diesem Sinne werden wir den Gesetzentwurf wohlwollend begleiten, sehen allerdings den Bedarf, im Rahmen einer Anhörung noch einmal genau hinzuschauen, ob das der richtige Weg ist und wo die Fallstricke liegen. Aber wenn wir dort zu gescheiten Ergebnissen kommen,glaube ich, steht am Ende einer zügigen Beratung und auch einer Zustimmung nichts im Wege. Ich denke, dass die anderen Fraktionen im Hause aufgefordert sind, diesen Weg mitzugehen, weil es sicherlich die effizienteste Möglichkeit ist, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Als Nächster hat Herr Posch für die FDP-Fraktion das Wort.

Meine Damen und Herren! Ich will es nicht unnötig verlängern. Unbestreitbar ist es wünschenswert, eine höhere Effizienz in Bezug auf die von Ihnen genannten Rechtsgüter zu erreichen.Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass bei einer solchen Regelung unbestreitbar auch ein anderes Rechtsgut tangiert ist, nämlich das Eigentumsrecht des jeweils Betroffenen, des Nachbarn.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, dass es entsprechende Regelungen gibt. Aber ich hätte gerne gewusst – darin kann ich Herrn SchäferGümbel nur zustimmen –, ob es in der Tat so ist, wie Sie es eben gesagt haben: dass die Zustimmung verwehrt wird. Ich hätte gerne gewusst, in wie vielen Fällen dies tatsächlich der Fall ist. Meine persönliche Einschätzung ist, dass Nachbarrechtsstreitigkeiten in aller Regel mit den Mit

teln des Rechts nur sehr schwer zu regeln sind. Deshalb hätte ich gerne gewusst, in welchen Fällen die Bauaufsichtsbehörden tatsächlich Probleme gehabt haben, einen solchen Eingriff vorzunehmen. Damit will ich das Ansinnen überhaupt nicht in Frage stellen. Aber für mich ist wichtig, was das zuständige Ministerium dazu sagt und was die Bauaufsichtsbehörden dazu aus der Vergangenheit zu berichten haben. Ihre Aussage „Die Praxis zeigt...“ mag zutreffend sein, aber ich hätte das gerne belegt. Wenn man das Nachbarschaftsrecht in diesem Sinne regelt, heißt das ohne Zweifel, dass man das Eigentumsrecht des Nachbarn nachrangig bewertet – mit all den Fragen, die dabei zu berücksichtigen sind: Entschädigungsleistung usw. Deshalb müssen wir uns die Frage stellen, welcher bürokratischer Aufwand mit solchen Verfahren betrieben wird.

Außerdem interessiert mich an dieser Frage: Ist eine Regelung im Nachbarschaftsrecht hier ausreichend, oder bedarf es hier – wenn überhaupt – einer Regelung in der Hessischen Bauordnung? Welche anderen öffentlichrechtlichen Vorschriften sind bei dieser Frage mit zu berücksichtigen?

Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass dies in anderen Ländern praktiziert wird,will ich für die FDP-Fraktion sagen: Dem Ansinnen folgen wir gerne. Ich folge dem, was Herr Schäfer-Gümbel gesagt hat. Es sind aber zusätzliche Informationen notwendig. Eine positive Antwort hängt davon ab, welche Erfahrungen die Bauaufsichtsbehörden gerade im Hinblick auf die wichtige Frage der Abwägungsentscheidung zulasten des Grundeigentümers, des Nachbarn, gemacht haben. Insofern wird eine schnelle Beratung unter Einbeziehung der Erfahrungen aus den Bauaufsichtsämtern zu einer abschließenden Prüfung bei der FDP-Fraktion führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Posch. – Ich erteile Herrn Schnell für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Man fühlt sich bei dieser Vorlage zwischen Baum und Borke. Wir sind selbstverständlich für die Wärmedämmung von Wohnund Bürobauten, auch der nachträglichen bei Altbauten. Gerade beim Hausbrand werden in Deutschland – also auch in Hessen – durch schlechte Isolierung Unmengen von Energie ungenutzt in die Luft geblasen, gehen damit der Volkswirtschaft ein für alle Mal verloren und erhöhen darüber hinaus in hohem Maße die CO2-Werte.

Es muss also unser aller Ziel sein, bei der Beseitigung dieses Missstandes unterstützend mitzuwirken, was bereits in großem Umfang durch Förderprogramme geschieht. Dies ist die eine Sache.

Andererseits geht der Gesetzentwurf der GRÜNEN nach unserer Meinung jedoch erheblich über das hinaus, was man unter Förderung versteht. Er greift bei der sogenannten Grenzbebauung massiv in das Eigentumsrecht des betroffenen Nachbarn ein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn dieser in seinen „Luftraum“ – ich habe das mit Absicht in Anführungszeichen geschrieben – übergreifende

untergeordnete Bauteile zu dulden hat, die zwischen 6 und 25 cm tief in sein Grundstück hineinragen, auch wenn sich dadurch die nutzbare Fläche der baulichen Anlagen nicht vergrößert – in welcher Höhe beginnt bitte der Luftraum? Nach meiner Meinung beginnt eine richtige Wärmedämmung bereits mit der Kellermauer, also nicht erst mit der Bodenoberkante oder irgendwo in einem imaginären Luftraum.

Auch wenn nach Abs. 3 dem Eigentümer, in dessen Grundstück hineingebaut werden soll, der entstandene Schaden zu ersetzen ist und ihm auf Verlangen vor Baubeginn sogar eine Sicherheitsleistung in Höhe des zu erwartenden Schadens zu erbringen ist, sehen wir keine Notwendigkeit für diesen Gesetzentwurf. Man spricht in der Erläuterung von Wärmedämmung; im Gesetzestext sind es dann aber nur noch „untergeordnete Bauteile“. Es können durchaus andere Bauvorhaben als eine Wärmedämmung sein.

Wer legt den Preis für diesen „Schaden“ genannten Vorgang fest? Wenn sich Nachbarn, wie es derzeit in den meisten – nein, in fast allen – Fällen durchaus üblich ist, privat einigen, kann nicht nur eine wie auch immer geartete Grenzbebauung stattfinden, sondern nahezu alles. Das kann für alle Beteiligten ein Vorteil sein. Einigt man sich nicht, so endet der Vorgang auch mit dem neuen Gesetz vor Gericht. Der Staat braucht nicht für alles Gesetze und Verordnungen zu erlassen und seine Bürger, die er mündig nennt, ständig aufs Neue zu gängeln.

(Beifall bei der CDU)

Noch etwas: Häuser kann man übrigens auch von innen nach außen isolieren. Das ist zwar etwas teurer, und der Haus- bzw. Bauherr, Frau Beer, verliert dabei auch Nutzfläche, und zwar seine eigene Nutzfläche.

(Nicola Beer (FDP): Es kommt zu Staunässe!)

Er verfügt aber in diesem Fall ausschließlich über sein Eigentum und greift nicht in das seines Nachbarn ein. Einen Teil seiner Ausgaben für die Wärmedämmung kann er außerdem, wie wohl jedem bekannt ist, nach dem Mietrecht in den Mietzins einfließen lassen.

Zu dieser Gesetzesvorlage wollte ich erst sagen: „gut gedacht, schlecht gemacht“. Aber Herr Milde hat mich auf eine bessere Formulierung hingewiesen: „gut gedacht, zu schnell gemacht“.

(Beifall bei der CDU)

Wir lehnen diese Gesetzesvorlage aus den vorgenannten Gründen ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ganz herzlichen Dank, Herr Schnell. Die Gratulation von Herrn Wintermeyer galt der Jungfernrede von Herrn Schnell im Hessischen Landtag. Herr Schnell, herzliche Gratulation dazu.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung hat sich Herr Staatsminister Banzer zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Rechtsanwalt weiß, dass zu den gefürchtetsten Mandaten nachbarschaftsrechtliche Streitigkeiten gehören.

(Günter Rudolph (SPD): Auch dafür gibt es Gebühren! – Gegenruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Schmerzensgeld! – Weitere Zurufe)

Die Gebühren sind sicherlich ein Problem. Das größere Problem ist, dass es unendlich mühsam ist, einen solchen Streit zu einem wirklichen Ergebnis zu bringen. Da wir das wissen und da es unbestreitbar ist, dass es in verschiedenen Bereichen des Nachbarschaftsrechts Änderungsbedarf gibt, haben wir auf unserer Agenda für das kommende Jahr eine gründliche Überarbeitung des Nachbarschaftsrechts.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das macht ihr dann nicht mehr! Dann seid ihr nicht mehr zugange!)

Ich glaube auch, dass ein schlecht entschiedener Nachbarschaftsstreit zu ewigen Konflikten in einer Wohngegend führt. Deswegen lohnt es sich, dass man sich hier besondere Mühe gibt.

Ich glaube, dass der Gesetzentwurf der GRÜNEN zwar das Richtige will, aber doch an verschiedenen Stellen stark diskutabel ist. Er nimmt zunächst einmal einen erheblichen Paradigmenwechsel vor, weil er von dem Zustimmungskonzept weggeht zum Dulden-Müssen als Konzept.Aber wenn dies geschieht,wenn es da einen Eingriff geben soll, dann muss man sehr sorgsam schauen, dass man diesen Eingriff sehr präzise definiert und ihn auch nicht zu weitgehend ermöglicht. Es gibt einige Punkte,die ich hier nur stichwortartig nennen will.Es geht z. B. darum, dass es nicht nur baurechtliche Bestimmungen gibt, die eingehalten werden müssen, sondern es müsste über sämtliche Regelungen im öffentlich-rechtlichen Bereich diskutiert werden. Es muss überprüft werden, dass nicht nur der Nutzungsbereich der Baumaßnahmen nicht ausgeweitet wird, sondern dass der des gesamten Objektes dadurch nicht tangiert wird.

Man muss die Interessen prüfen, die hinter der jeweiligen Entscheidung stehen. Es gibt also eine ganze Menge von Fragen,die dabei zu diskutieren sind.Ich glaube,dass man sagen kann, dass die aktuelle Debatte über unsere Energiesituation sicherlich eine Diskussion dazu notwendig macht. Aber wir müssen versuchen, an dieser sensiblen Stelle sorgfältig und erfolgreich zu arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Banzer. – Frau Hammann, ich darf Ihnen das Wort erteilen. Sie haben fünf Minuten Redezeit.

Danke schön, Herr Präsident. – Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich etwas klarstellen wollte. Gerade das, was angesprochen wurde, die Dämmung oder unter der Erde an der Kellermauer, ist geregelt. Außerdem haben die Länder, die ich genannt habe, funktionierende Regelungen. Das bedeutet, dieses Problem wurde erkannt. Dort wurde es gesetzlich so geregelt, dass es zu

weniger Problemen geführt hat. Die Verfahren wurden einfacher.

Ich weiß, dass das Nachbarschaftsrecht ein ganz schwieriges Recht ist.Aber an dieser Stelle ist es auch notwendig, darauf hinzuweisen, dass es ein Schreiben von Wolfgang Tiefensee gibt, der, wie Sie wissen, Bundesminister ist. Er hat in seinem Schreiben darauf aufmerksam gemacht – da geht es gerade um Gebäude mit Grenzbebauung und Durchführungsmaßnahmen nach der Energieeinsparverordnung –, dass es in den Ländern geregelt werden muss. Er verweist natürlich auf die Bundesländer, die ich eben genannt habe. Das heißt, es gibt funktionierende Regelungen.

Ich finde es sehr schön, dass die SPD und auch die FDP signalisiert haben,sie würden das Ganze positiv begleiten. Enttäuschend finde ich, dass die CDU sich jetzt gleich gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen hat und ihn ablehnen will.

Geben Sie uns doch die Chance. Wenn wir alle etwas gegen den Klimawandel tun wollen,dann muss es auch in Ihrem Interesse liegen, zu klären, ob das, was wir vorgelegt haben, machbar ist, wovon wir natürlich überzeugt sind. Aber dann brauchen wir auch eine Anhörung dazu, und dann brauchen wir die Diskussion. Einfach zu sagen, Sie lehnen es ab – meine Damen und Herren, das ist eine Fehlentscheidung. – Danke.