Nachts, allein in ihrem großen Ministerium, träumte die Ministerin gar vom Bildungsland Nummer eins, das als verlockendes Ziel ihrer guten Taten greifbar nahe schien.
Doch es fiel weiter Unterricht aus. Die Zweifel an der Unterrichtsgarantie wuchsen, und die Eltern fingen an, zu murren. Es gab sogar Menschen, die behaupteten, die Regierung habe ihr Versprechen gebrochen. Unmut machte sich breit, und die bösartigen Anschuldigungen sorgten dafür, dass sich in den Träumen der Kultusministerin das Bildungsland Nummer eins wie eine Fata Morgana immer dann in heiße Luft auflöste, wenn sie diesen Namen aussprach.
Also rief sie ihre Berater zusammen. Den Rat, mehr Lehrer einzustellen, hatte sie verworfen. Schließlich hatte sie den Schulen gerade erklärt, wie dieselbe Zahl an Unterrichtsstunden mit 1.000 Lehrern weniger gegeben werden könnte. Mit der Einstellung neuer Lehrer hätte sie eingestanden, einen Fehler gemacht zu haben, und die Kultus
Sie hatten es mit befristeten Verträgen und verlängerter Arbeitszeit versucht. Doch die Unruhe in der Bevölkerung wuchs genauso wie die Unruhe in der hessischen CDU, und die Kultusministerin musste von ihrem Leuchtturm aus hilflos zuhören, wie das Grummeln über ihre Schulpolitik immer lauter wurde.
Dann fiel ihren Beratern das „plus“ ein. „Warum machen wir nicht einfach eine Unterrichtsgarantie plus?“, rief der weise Jakob und wippte beglückt und aufgeregt mit den Zehen.„Wenn die Menschen nicht mehr an unsere Unterrichtsgarantie glauben, sollen sie in Zukunft eine Unterrichtsgarantie plus bekommen.“ Und sie griffen tief in den Staatssäckel und gaben den Schulen Geld und ein neues Gesetz.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Unterrichtsgarantie Quadratwurzel! – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Wenn die Erzählerin Frau Habermann nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute! – Fortgesetzte Zurufe)
Jede ausgefallene Schulstunde müsse künftig vertreten werden. Die Schulen wurden angewiesen, so zu tun, als ob sie ohne Lehrer Unterricht abhalten könnten. Jeder war willkommen, der es sich zutraute, 45 Minuten in einer Klasse zu bleiben. Qualifiziert waren sie alle; denn sie hatten Kinder oder hatten Kinder ausgebildet, oder sie hatten schon einmal etwas von Pädagogik gehört.
(Norbert Schmitt (SPD): Oder waren selbst Kinder! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie waren selbst in der Schule!)
Trotzige Schulleiter wurden in den Leuchtturm bestellt und dort beraten. Sie sollten nämlich wissen, dass alles, was schieflief, ihre Schuld war. Die Kultusministerin hatte auch dafür ein schönes neues Wort: Eigenverantwortung.
Meine Damen und Herren, am Ende eines Märchens kommt immer der Satz: Sie lebte glücklich und zufrieden und regierte ihr Volk bis an ihr Lebensende.
Ich hatte den Eindruck, dass das nicht passt, und deswegen folgen jetzt noch einige Sätze aus einem Berichtsantrag, den die SPD-Fraktion zur Unterrichtsgarantie plus gestellt hat.Vom Beginn des Schuljahres bis zum Dezember 2006 wurden 8.190 Personen im Rahmen der Unterrichtsgarantie plus eingesetzt. Nur 16 % hatten eine Befähigung für das Lehramt. Diese 8.190 Personen erteilten rund 250.000 Stunden sogenannten Vertretungsunterricht, der, wie wir wissen, ab dem dritten Tag Fachunterricht zu sein hat.
Diese Bilanz zeigt deutlich, welche Lücke zwischen Anspruch und Realität klafft. Vertretungsstunden, die zu 84 % von Nichtlehrkräften erteilt und den Eltern als vollwertiger Fachunterricht verkauft werden, bedeuten eine
unzureichende Versorgung mit Lehrern, eine Entprofessionalisierung des Lehrerberufs, einen Abbau von Qualität, eine Belastung des Lernprozesses der Schüler durch Diskontinuität und fehlende Kompetenz für Unterrichtsprozesse sowie eine Mehrbelastung der Schulleitung und des Kollegiums.
Letzter Satz. – Ihr Märchen von der Unterrichtsgarantie plus wird nur dann ein gutes Ende finden, wenn Sie diese Kritik ernst nehmen. Wenn Sie das nicht tun, werden wir im kommenden Jahr den Schulen die Ressourcen und die Freiheit geben, die verlässliche Schule pädagogisch sinnvoll und in eigener Verantwortung zu organisieren. – Vielen Dank.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Auch er ist schon länger aus der Schule heraus! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er hat die Erfahrung aus der Rhön!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in der Aktuellen Stunde, nicht in einer Märchenstunde.Aber ich habe weder ein Märchen noch etwas Aktuelles gehört. Was eben zu vernehmen war, ist sehr bekannt.
Verehrte Frau Henzler, auch wenn ich Sie sonst sehr schätze, muss ich Ihnen sagen: Im Grunde haben Sie jetzt ein überflüssiges Nachhutgefecht geführt.
Ich will Ihnen auch sagen, warum das so ist. Letztes Jahr lagen zur 100-Tage-Bilanz bei 1.728 Stunden und 27.000 Klassen ganze rund 170 Beschwerden vor. Wenn Sie das umrechnen, stellen Sie fest, dass sich das Ganze im Promillebereich bewegt. Heute gibt es kaum noch Unterrichtsausfall. Das ist die Wirklichkeit.
Warum ist das so? Wir haben die Mittel für den Vertretungsunterricht versiebenfacht. Sie haben richtig gehört: 1999 wurden 5,7 Millionen c zur Verfügung gestellt;heute sind es 42 Millionen c. Dennoch behaupten Sie – auch heute wieder –,dass Unterricht in einem erheblichen Maß ausfalle. Das ist Ihre Wahrnehmung. Die Öffentlichkeit sieht das ganz anders. Drei Viertel der Bevölkerung – das haben wir amtlich – sehen das anders.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Guter Witz!)
„Guter Witz.“ – Der Hessische Rundfunk hat eine Umfrage gestartet.Er gilt nicht gerade als Hofberichterstatter
der Landesregierung. Es wurden Fragebögen mit Rückumschlägen versandt, in der Annahme, dass es Kritik nur so hageln würde. Was war das Ergebnis? Das Ergebnis war, dass sich 73 % aller Befragten positiv zur Unterrichtsgarantie plus äußerten.
Das lässt sich auch mit einzelnen Zitaten untermauern. Ich will das kurz machen. Ein Schulleiter aus dem Kreis Limburg-Weilburg sagte:Die Kollegen sehen diese Kräfte als Unterstützung an. – Das Staatliche Schulamt des Kreises bestätigt, dass „nach einer Erhebung des Amtes kurzfristige Ausfälle dank qualifizierter Vertretungskräfte vollständig abgefangen worden sind“. So steht es in der „Frankfurter Neuen Presse“ im Dezember 2006 und in der „Dill-Zeitung“ im Dezember 2006. „Schulamt Marburg-Biedenkopf: Das Ziel Verlässlichkeit sei in jedem Fall erreicht“ – „Oberhessische Presse“ im Dezember 2006.
Die „FAZ“ schreibt, dass Schulleiter aus anderen Bundesländern – z. B. aus Nordrhein-Westfalen und aus Berlin – neidisch auf unseren Vertretungspool schauten.
Frau Kollegin Henzler, Sie haben sich eben auf den Artikel „U-plus noch nicht am Ziel“ bezogen. Sie haben aber verschwiegen, dass eine U-plus-Lehrerin wörtlich sagte: Ich wollte praktische Erfahrung sammeln. Die kommt im Studium zu kurz, und es macht mir ja Spaß. U-plus ist deshalb eine gute Gelegenheit.– Auch das steht in diesem Artikel.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssen Sie immer wieder erzählen! – Nicola Beer (FDP): Das sehen meine Kinder aber anders!)
Der nächste Vorwurf – auch er war eben wieder zu hören – betrifft die mangelnde Qualifikation der Aushilfskräfte. 86 %, also fast 90 %, sind qualifiziert.
Im Dezember 2006 waren es 8.000 Vertretungskräfte. Davon hatten sogar 1.500 das Zweite Staatsexamen.
Meine Damen und Herren, ich habe mir die Zahlen des Schulamtes in Fulda geben lassen. Dort waren im Dezember 2006 366 Vertretungskräfte im Einsatz. Davon hatten 101 das Zweite Staatsexamen, also 28 %, 196 hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium oder waren im Studium mit Praktikumserfahrung, insgesamt also über 81 %. Da stellen Sie sich hier hin und sagen,das seien alles unqualifizierte Leute.Das ist eine Beleidigung für die Kräfte, die im Einsatz sind.
Das sollten Sie einmal denen sagen, die es betrifft. Dann können die sich ein Urteil über Ihre Rede bilden.
Der nächste Vorwurf ist der hohe bürokratische Aufwand. Ich will ehrlich sagen: Ja, am Anfang hat es ein bisschen geklemmt, z. B. bei der Abrechnung. Aber ich will Ihnen auch sagen, dass Sie, die das monieren, im letzten Jahr noch viel mehr bürokratischen Aufwand wollten.
(Norbert Schmitt (SPD): Sie wollen doch 2.000 Leute in die Schulen schicken, die die Bürokratie bewältigen müssen!)
Sie wollten nämlich polizeiliche Führungszeugnisse und Gesundheitszeugnisse. Das war vor exakt einem Jahr. Dann wäre das Durcheinander noch viel größer geworden. Da stellen Sie sich hier scheinheilig hin und sagen, da würde es klemmen.
Für den letzten Vorwurf, den Sie erheben, sind Sie am allerwenigsten qualifiziert: Es müssten Lehrer eingestellt werden. – Das wissen wir auch.