Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Frau Kollegin Henzler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich möchte der Landesregierung ein Zeugnis erteilen: Sie hat sich zwar sehr bemüht, kurzfristigen Unterrichtsausfall zu bekämpfen, aber sie hat das Thema verfehlt, indem sie den Einsatz von Vertretungskräften als Unterricht deklariert hat.

(Beifall bei der FDP)

Die Landesregierung hat sich durch negatives Sozialverhalten ausgezeichnet, da sie die gesamte bürokratische Umsetzung des Projektes bei den Schulen abgeladen hat.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und sie hat sich als nicht kommunikativ erwiesen, da sie jeder Form von Kritik mit Sanktionen begegnet ist.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Gesamtnote: Klassenziel nicht erreicht.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Wagner, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Henzler, bei diesem Thema sind wir uns sehr einig.Aber ich finde, eine Sache sehen Sie zu positiv.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Gott sei Dank, ein Unterschied!)

Zu Beginn Ihrer Rede haben Sie gesagt: Morgen gibt es Zeugnisse. – Ja, wenn es denn einmal klappt mit dem Ausdruck der Zeugnisse. Nach acht Jahren Karin Wolff klappt ja noch nicht einmal das.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Einführung der neuen Schulverwaltungssoftware sind die Schulen mittlerweile mit den elementarsten Dingen beschäftigt und müssen sich damit rumärgern.

(Norbert Schmitt (SPD): Auch Schulen haben keine LUSD mehr! Die Last mit der LUSD!)

Aber auch da – Frau Kollegin Henzler,ich sehe,Sie nicken – sind wir uns einig. Frau Wolff sollte eigentlich beschämt und peinlich berührt sein, dass nach acht Jahren ihrer Amtszeit noch nicht einmal das mehr klappt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Ir- mer (CDU): Was haben denn Sie in Ihrer Regierungszeit gemacht? – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Irmer, zu unserer Regierungszeit hat das Erstellen der Zeugnisse geklappt. Das kann ich Ihnen aber versichern.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist lächerlich, was Sie da sagen! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, einen Moment bitte. – Meine Damen und Herren, auf allen Seiten ist Ruh. – Der Redner hat das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Unterrichtsgarantie plus ist schlicht und ergreifend ein Etikettenschwindel. Es ist weder Unterricht, der da stattfindet, noch wird eine Garantie eingehalten, und schon gar nicht hat das etwas mit plus zu tun, was in unseren Schulen als Unterrichtsgarantie plus stattfindet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Die Landesregierung und die CDU täten einmal gut daran,die Kritik,die wirklich alle an diesem Projekt üben, zur Kenntnis zu nehmen, ernst zu nehmen und daraus Konsequenzen zu ziehen.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Herr Irmer tut das nicht!)

Was sagen uns die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern über die Unterrichtsgarantie plus? Sie sagen, was dort stattfindet, ist von mangelhafter Qualität. Es ist schlicht und ergreifend viel zu lang, wenn Leute im Zweifel auch ohne pädagogische Ausbildung bis zu fünf Wochen an unseren Schulen unterrichten.

Hier haben die recht, die sich darüber beklagen, dass es bei der Unterrichtsgarantie plus mangelhafte Qualität gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Die Schulen sagen uns, der bürokratische Aufwand ist viel zu hoch.Wir sind ständig mit Formularen beschäftigt.Wir können uns nicht mehr auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren. Sie sagen uns zum Dritten: Ob es so wahnsinnig sinnvoll ist, bei älteren Schülern in den Randstunden auf Biegen und Brechen eine Betreuung – denn Unterricht ist es ja nicht – sicherzustellen, daran haben wir große Zweifel.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Das sind die drei großen Kritikpunkte.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Kollege Irmer, das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Herr Kollege Irmer, es gäbe ja auch eine Lösung für diese Probleme – wenn man bereit wäre, sie wahrzunehmen.

Bereits vor einem Jahr hat meine Fraktion diesem Haus ein Modell für eine verlässliche Schule vorgeschlagen, das diesen Namen auch tatsächlich verdient und bei dem Verlässlichkeit nicht nur in den Zeiten, sondern auch in der Qualität garantiert ist.

Ich will Ihnen dieses Modell gerne noch einmal vorschlagen und lade Sie herzlich ein, endlich auf dieses Modell einzusteigen. Es könnte schon im nächsten Schuljahr an unseren Schulen Realität sein – wenn Sie endlich guten Willens wären, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Unser Modell ist ganz einfach: Bei kurzfristigem Unterrichtsausfall sollen die Schulen in den ersten beiden Tagen die Betreuung in eigener Verantwortung sicherstellen. Betreuung in eigener Verantwortung heißt, es gibt keinen Etikettenschwindel, und den Eltern wird kein X für ein U vorgemacht, sondern es wird ehrlich gesagt, dass man in den ersten zwei Tagen eines kurzfristigen Unterrichtsausfalls zwar keinen Unterricht gewährleisten, aber dort, wo die Eltern dies wollen, dafür sorgen könne, dass die Schüler nicht vorzeitig nach Hause geschickt werden.

Ab dem dritten Tag, wenn Fachunterricht versprochen ist, muss auch wirklich Fachunterricht erteilt werden, der von einer bestimmten Qualität ist. Der Unterricht darf nicht von Laien gehalten werden. Das wäre eine wichtige Änderung. Wir sagen, dass es für diese Vertretung ab dem dritten Tag eine Feuerwehr von Lehrkräften, in der Regel über die Staatlichen Schulämter organisiert, geben soll.

Dann hätten wir den ganzen bürokratischen Kram aus den Schulen herausgehalten. Wir hätten ihn auf der Ebene angesiedelt, auf die er wirklich gehört, nämlich auf der überregionalen Ebene. Es ist nicht sinnvoll, dass jede Schule für sich einen Pool aufbaut. Vielmehr würde sich dieser Pool bei den Staatlichen Schulämtern befinden, und die könnten dann, wenn an einer Schule Unterricht ausfällt, flexibel dafür sorgen, dass mit einer sogenannten Lehrkräftefeuerwehr Abhilfe geschaffen wird.

Damit hätten wir die großen Kritikpunkte, die ich eingangs dargestellt habe, abgearbeitet. Wie gesagt, dieses Modell würde zum neuen Schuljahr greifen, wenn Sie endlich bereit wären, es einzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte meine Redezeit gar nicht ausschöpfen. Es spricht viel für einen Wechsel in der Bildungspolitik in diesem Land. Ein weiteres starkes Argument ist Karin Wolff. Frau Ministerin, deshalb freue ich mich auf Ihren Beitrag. Je länger Sie reden, umso schneller kommt der Wechsel in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Habermann, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bildungspolitische Debatten in diesem Haus sind oft Märchenstunden, was die Beiträge der Landesregierung betrifft. Deswegen habe ich mich entschlossen, heute auch einmal ein Märchen zu erzählen.

(Zurufe von der CDU)

Es begab sich zu einer Zeit in Hessen, als die Schulpolitik auf Sparflamme gekocht wurde und Lehrerinnen und Lehrer für den Unterricht fehlten. Im Ministerium für verpasste Bildungschancen war man beunruhigt, denn man hatte versprochen, dass in den Schulen keine Stunde Unterricht mehr ausfallen würde. Man hatte auch einen schönen Namen dafür gefunden. Mit dem wohlklingenden Begriff „Unterrichtsgarantie“ hatte man das Vertrauen der Menschen gewonnen, die ihre Kinder nun voller Freude und Zuversicht in die hessischen Schulen schickten.

(Norbert Schmitt (SPD):Dann kam der böse Wolf!)

Man hatte den Eltern viele Briefe geschrieben und auch Boten ausgeschickt,um zu verkünden,dass sich die Eltern um die Bildung ihrer Kinder nicht länger sorgen müssten. Die Unterrichtsgarantie war in aller Munde, und im Ministerium war man zufrieden und lobte sich ob der hervorragenden Bildungspolitik.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das hätten Sie besser auch getan! – Norbert Schmitt (SPD):Wann kam die böse Wölfin?)

Nachts, allein in ihrem großen Ministerium, träumte die Ministerin gar vom Bildungsland Nummer eins, das als verlockendes Ziel ihrer guten Taten greifbar nahe schien.