Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Ich rufe Tagesordnungspunkt 78 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Landesregierung hat bei „Unterrichtsgarantie plus“ Klassenziel nicht erreicht) – Drucks. 16/7535 –

Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. – Das Wort hat die Frau Kollegin Henzler.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Morgen erhalten die Schüler in Hessen Zeugnisse. Morgen wird die Kultusministerin in einer Pressekonferenz auch eine Erfolgsbilanz zu einem Jahr Unterrichtsgarantie plus vorstellen

(Zuruf der Ministerin Karin Wolff)

ja, genauso, wie es morgen Zeugnisse gibt, wird es morgen diese Pressekonferenz geben –,

(Ministerin Karin Wolff: Stimmt!)

und zwar unter dem Motto: „Alles läuft gut, Schulnote 2, Klassenziel erreicht.“

Anfang dieser Woche hatten wir eine große Pressekonferenz von Lehrerverbänden, Eltern und Schülern. Die haben alle das genaue Gegenteil gesagt. Wenn man sich in diesem Land umhört und umschaut, dann sieht die Realität auch ganz anders aus.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke,es reicht nicht,wenn man nach der Theorie verfährt: Augen zu und durch. Wenn alle Verbände, die eigentlich auch guten Willens sind, sagen, das ist problematisch, das funktioniert so nicht, das kann man nicht mit einer 2 bewerten, dann sollte man auch darauf hören und zu anderen Erkenntnissen kommen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nun hat sich im Bewusstsein der Kultusministerin anscheinend tatsächlich etwas verändert. Das „Darmstädter Echo“ berichtet von einer Veranstaltung mit ihr, in der sie folgende Dinge öffentlich sagt:

Dass einzelne „U-plus“-Helfer sich als Fehlbesetzungen entpuppen, kann Wolff nachvollziehen. „Die dürfen dann eben nicht mehr eingesetzt werden.“

So einfach ist das.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Ministerin Karin Wolff)

Für den Schulleiter aber bedeutet das, dass er sich wieder ans Telefon setzen und wieder von vorne anfangen muss, seinen Pool neu aufzufüllen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Für die Schüler bedeutet das, dass sie erst einmal schlechte Erfahrungen im Unterricht gemacht haben. Bis man nämlich festgestellt hat, dass diese U-plus-Kraft völlig untauglich ist, hat sie schon Vertretungsstunden gegeben, und das auf dem Rücken der Schüler.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Lieber eine schlechte Erfahrung als gar keine!)

Also mein lieber Walter, lieber eine schlechte Erfahrung als gar keine – irgendwo gibt es auch einmal Grenzen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Walter,Walter!)

Darf ich bitte weiter zitieren?

Wolf betonte, „U-plus“ sei „noch immer ein Übungsfeld“, in dem sich verschiedene Modelle entwickelten.

Es ist also ein Übungsfeld, aber ein Übungsfeld zulasten der Schüler.Denen wird nämlich mitgeteilt:Na ja,wir probieren das einmal mit irgendwelchen Vertretungskräften aus – ob ihr dabei etwas lernt oder nicht, ob ihr zuhört oder nicht, ob ihr diszipliniert seid oder nicht, das ist uns ziemlich egal; wir befinden uns in einem Übungsfeld.

Das dritte Zitat:

Auch der Schulleiter soll im Kern wieder mehr Lehrer sein.„Es geht nicht,dass er auf Dauer auch noch Hausmeister und Sekretärin spielt.“

Bei U-plus spielt er nicht nur Hausmeister und Sekretärin, sondern er ist auch noch die Telefonistin, die morgens zehn Leute anrufen muss. Bei der neuen LUSD ist er der Datenerfasser, der die Daten zehnmal eintippen muss, weil das nämlich auch nicht immer funktioniert.

Meine Damen und Herren, die Kultusministerin sagt in diesem Zeitungsinterview, sie würde die Note 3+ geben. Nach unseren Einschätzungen und nach dem, was ich eben zitiert habe, sage ich klipp und klar: 3+ ist viel zu wohlwollend. Die Note mangelhaft ist nach einem Jahr Unterrichtsgarantie plus angemessen.

(Beifall bei der FDP)

Die gute Idee der verlässlichen Schule wurde total vermurkst, indem festgelegt wurde, dass in den Vertretungsstunden Unterricht stattzufinden hat. Damit hat man viel zu hohe Erwartungen geweckt, die zwangsläufig enttäuscht werden mussten und auch enttäuscht worden sind.

Jetzt darf ich Ihnen auch noch vorlesen, was die Schüler gesagt haben. Die sagen:

Bei U-plus lernt man meistens nichts.Viele U-plusLehrkräfte machen gar keinen Unterricht, sondern sitzen nur vorn und lesen Zeitung, während wir Schüler uns unterhalten und Galgenmännchen spielen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist wie im Parlament!)

Wie im Parlament.

(Glockenzeichen des Präsidenten)

Das ist dann kein Unterricht – Herr Hahn, das hier ist auch kein Unterricht –, sondern reine Betreuung.

(Beifall bei der FDP)

Die Schüler sagen, mit 15 Jahren brauchen wir keine Betreuung.

Der Zweite sagt:

Es gefällt mir unterschiedlich gut. Manche Lehrkräfte sind überstreng und schreien uns an, dass wir leise sein sollen; andere lassen uns lesen oder spielen. Manche bringen auch etwas mit, ein Spiel oder ein Quiz. Das machen wir dann zusammen. Das bringt Spaß.

Meine Damen und Herren, das nennt sich dann Unterricht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das Schlimme ist,dass mit dieser Art und Weise den Schülern überhaupt nicht klargemacht wird, wie wichtig wirk

licher Unterricht ist und wie wichtig es auch ist,dass sie an ihm teilnehmen.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich kann Ihnen einen Fall aus einer Schule schildern, 10. Klasse, 6. Stunde Unterricht. Vorher war der Unterricht schon ausgefallen und wurde durch Selbstbeschäftigung mit Beaufsichtigung von nebenan vertreten. In der 6. Stunde kam dann eine U-plus-Lehrkraft, aber da war dann nur noch die Hälfte der Schüler da.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie viel Stunden Unterricht gibt es denn in der Woche?)

In der 10. Jahrgangsstufe sind die Schüler schon ein bisschen älter. Was aber ist jetzt die Folge? Diese Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr anwesend sind, gelten als Schulschwänzer für diese Stunde und erhalten in ihrem Zeugnis den Eintrag „Eine Stunde unentschuldigt gefehlt“.Was machen daraufhin die Eltern? Sie klagen. Das heißt, die Schule hat jetzt ein Gerichtsverfahren am Hals, weil man den Schülern indirekt beigebracht habe, Unterricht sei nicht so wichtig.

Frau Kollegin Henzler, Sie müssen zum Schluss kommen.