Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

So, wie ich die Berichterstattung verstehe, ist sie auf diese Problematik hingewiesen worden, und sie ist offensichtlich aufgrund eigener freier Entscheidung dazu übergegangen, an diesen praktischen Ausbildungsteilen, die die Ausbildungsvorschriften vorsehen, nicht teilzunehmen. Herr Kollege Dr. Jürgens, das bedeutet aufgrund der Regelungen im JAG, dass ihre Leistung als „nicht teilgenommen“ bewertet wird. Und „nicht teilgenommen“ bedeutet, dass sie die erforderliche Leistung in diesem Ausbildungsteil nicht erbracht hat, die dementsprechend eben mit nicht mehr als „ungenügend“ bewertet wird.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das bedeutet nicht, dass sie unter dem Strich die Ausbildung im Referendardienst nicht erfolgreich absolvieren kann, weil die praktischen Teile nur als prozentualer Anteil in die Bewertung auf den Stationen einfließen. Das bedeutet aber auch, dass sie eine Reihe von praktischen Ausbildungsleistungen, die sie im Bereich der Sitzungsvertretung oder auch auf der Richterbank hätte erbringen müssen, z. B. Zeugenvernahme, Beweiserhebungen, Urteilsverkündungen, nicht erbringen kann und nicht erbringen wollte, denn die Gelegenheit dazu ist ihr gegeben worden.

Ich habe es so verstanden, dass der Justizminister dem Anwaltverein, der darüber hinausgehend erreichen wollte, dass die Frau aus dem Gerichtssaal verbannt wird, nur mitgeteilt hat, wie die geltende Rechtslage ist – übrigens nicht nur in Hessen, sondern auch in allen anderen Bundesländern.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Justizminister, Herr Staatsminister Banzer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich Herrn Dr. Jürgens bitten, an seinen Reflexen zu arbeiten. Sie können nicht jedes Mal, wenn Sie „Jürgen Banzer“ hören, anfangen zu spucken, zu giften und die schlimmsten Vermutungen zu äußern. Das ist auf Dauer nicht zuträglich.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So war er schon immer!)

Wie kann man so bösartig sein, Dinge zu erfinden, damit das in eine Rede passt?

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was denn?)

Sie haben erstens erfunden, dass wir irgendetwas zu beanstanden gehabt hätten. Das war zu keinem Zeitpunkt der Fall.Ich will das ganz klar sagen.Sowohl der Präsident des Amtsgerichts Offenbach als auch der ausbildende Richter haben sich zu 100 % korrekt verhalten, und zwar vom ersten Tag an. Ich hatte auch keinen Grund, diese Entscheidung zu beanstanden. Wo haben Sie das her? Wir haben das verantwortlich überprüft, wie sich das gehört, Herr

Dr.Jürgens.Wo haben Sie das her? Ich glaube,Sie wachen nachts auf, hören „Jürgen Banzer“ und fragen sich: Was könnte der gerade Schlimmes getrieben haben?

(Heiterkeit – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Bei mir war es genauso!)

Ob Wagner oder Banzer, solche Fantasien kann man immer haben.

(Lebhafte Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch schlicht die Unwahrheit,Herr Dr.Jürgens,dass wir pressemäßig aktiv geworden seien. Das sind wir nicht. Sie behaupten das einfach.

(Lebhafte Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre gar nicht nötig gewesen, Herr Dr. Jürgens. Ihr Problem an der Entscheidung, am Vorgehen des Justizministeriums ist, dass daran schlicht nichts auszusetzen ist. Das ist Fakt.

(Dieter Posch (FDP): Das ist sein Problem! – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte gerne, dass Herr Dr. Jürgens einmal hier vorne hintreten und sagen würde:Das,was der Justizminister getan hat, war richtig. – Wenn ich das noch erleben würde.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier hätten Sie eine große Chance gehabt, das zu tun. Es ist zu Recht gesagt worden: Das ist ein Punkt, wo wir sorgfältig arbeiten müssen. Eine ganze Zahl von Grundrechten stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, und man muss hier vernünftig handeln.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich sind die Freiheit der Berufswahl und die Freiheit der Wahl der Berufsausbildung wichtige Werte. Da der Staat bei der Juristenausbildung das Monopol hat, müssen wir bei entsprechender Eignung den Zugang zum zweiten juristischen Staatsexamen ermöglichen. Das haben wir getan.Wir sehen da auch kein Problem.

Natürlich ist auch die Ausübung religiöser Überzeugungen ein wichtiges Grundrecht. Das Toleranzgebot unserer Gesellschaft ist ohnehin von außerordentlich hoher Bedeutung. Deshalb ist nichts dagegen einzuwenden, wenn diese Frau ihrer Überzeugung durch das Tragen des Kopftuchs Ausdruck verleihen will.

Herr Staatsminister Banzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Frömmrich in der Aktuellen Stunde?

(Minister Jürgen Banzer: Bitte schön!)

Herr Minister, wenn das alles ganz normal gelaufen ist, wenn das ein ganz normaler Vorgang gewesen ist, wie Sie es gerade dargestellt haben, warum beantragt dann die CDU-Landtagsfraktion eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema?

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch ganz eindeutig: um den Irrtum von Dr. Jürgens aus der Welt zu schaffen. Schon allein deshalb ist das sinnvoll gewesen.

(Große Heiterkeit – Norbert Schmitt (SPD): Das war gut, das müssen wir Ihnen lassen! – Glockenzeichen des Präsidenten – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr beiden solltet einfach einmal ein Bier miteinander trinken gehen! Aber ein Bier reicht da sicher nicht! – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, darf ich um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten? Wir wollen heute noch weiterkommen.

Herr Dr. Jürgens kann ganz vernünftig sein, z. B. beim Biertrinken.Aber in dem Fall kann er seine Reflexe nicht kontrollieren.

(Heiterkeit bei der CDU)

Mir ist wichtig, zu sagen: Das Ansehen der deutschen und der hessischen Justiz ist einer der großen Werte, die diese Gesellschaft im Verlaufe von 50 Jahren geschaffen hat. Daran haben unzählige verantwortliche Richter mitgewirkt. Deswegen ist es wichtig, dass wir an dieser Stelle sorgsam vorgehen. Deshalb tragen Richter Roben. Sie machen deutlich, dass sie als Person zurückstehen. Laienrichter und Schöffen sollen dazu beitragen, dass die Justiz wirklich unabhängig ist, dass sie glaubwürdig im Namen des Volkes sprechen kann.

Deswegen habe ich die Tatsache ernst genommen, dass sich der Anwaltverein tangiert fühlt, und habe geprüft, ob wir sorgsam und verantwortlich gehandelt haben. Ich denke, wir haben sorgsam und verantwortlich gehandelt. Wir hatten die Diskussion bereits: Wenn all das, was gerichtliches Handeln betrifft, nicht möglich ist, wenn man ein Kopftuch trägt – das ist und bleibt die Praxis, das ist hier zu Recht schon gesagt worden –, dann muss man die Frage stellen, inwieweit in diesem Fall die gerichtsnahe praktische Ausbildung als gewährleistet und durchgeführt anzusehen ist.

Das ist ein wenig schwierig. Da muss man zwischen verschiedenen Positionen abwägen und sagen, wenn wir das zu konsequent sehen, gefährden wir die Berufsfreiheit.

Deswegen müssen wir an dieser Stelle diesen Weg gehen, den wir gegangen sind. Ich halte ihn für sehr differenziert. Dazu gehört, dass wir auch sagen, eine Leistung, die nicht erbracht ist, ist null Punkte wert. Und das gilt für jeden: Wer nicht zur Klausur kommt, erhält null Punkte. Das ist keine Sanktion, sondern ein fairer Vergleich – das gehört zur praktischen Ausbildung, wurde aber nicht erbracht. Das ist eine wichtige Information, wenn man später die Ausbildungsakte prüft und wenn die Zeugnisse vorgelegt werden.

Wir haben aber auch deutlich gemacht – damit da kein falscher Zungenschlag entsteht –, der Ausbilder kann die Gesamtnote in seiner Selbstständigkeit bilden.

Herr Minister, Dr. Jürgens möchte Ihnen eine Frage stellen.

(Minister Jürgen Banzer: Bitte!)

Herr Minister, verstehe ich Sie richtig: Sie wollen künftig alle nicht erbrachten Ausbildungsteile, die im Ausbildungsplan an sich vorgesehen sind, bei allen Referendaren mit null Punkten bewerten?

Natürlich nicht. Es geht um Folgendes. Wenn in einem Ausbildungsabschnitt eine bestimmte Leistung abgefordert, aber nicht erbracht wird, dann muss ich dies im Ausbildungsnachweis vermerken. Das ist etwas ganz anderes.

Wenn Klausuren verpflichtend geschrieben werden müssen, dann muss ich, wenn ich sie nicht schreibe, mit einer Bewertung von null Punkten leben. In der Tat würden sonst viele das Examen noch bestehen, die das bisher nicht geschafft haben – denn dann würden sie zu den Klausuren, bei denen sie nichts draufhaben, nicht hingehen, und das hätte keine Folge. Das kann doch gar nicht sein, ich bitte Sie. Man muss doch nur den gesunden Menschenverstand gelassen in Ansatz bringen.

Die Gesamtnote wird also in selbstständiger Entscheidung des Ausbilders gebildet. Er muss beurteilen, ob der praktische Erfolg der Ausbildung gewährleistet ist.

Im Übrigen wissen auch Sie, diese Note hat in Hessen bei der Bildung der Gesamtnote für das zweite Examen praktisch keine Auswirkung. Wir haben das statistisch ermittelt. Ich glaube, es bedeutet einen halben Punkt, gerechnet über alle Zeugnisse, was an Hebung noch möglich ist. Praktisch hat das also keine Auswirkung.

Herr Minister, darf ich Sie freundschaftlich auf die Redezeit hinweisen?

Danke schön. – Ich finde, wir haben hier sehr differenziert gearbeitet. Es gibt keinen Grund zur Aufregung.Aber ich bin dankbar, dass ich Gelegenheit hatte, das hier klarzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank,Herr Justizminister.– Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt abgehandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 78 auf: